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24h Le Mans
17.05.2012

Audi R18 e-tron quattro: mit Allradantrieb nach Le Mans

In einem Monat geht es für Audi um einen prestigeträchtigen Erfolg: Am 16./17. Juni könnte zum ersten Mal ein Hybrid-Fahrzeug der Marke die 24 Stunden von Le Mans gewinnen.

Elektrifizierter Antrieb und Allradantrieb quattro - was auf den ersten Blick wie zwei verschiedene Welten wirkt, führt Audi zu einer technologischen Synthese. "Wir haben nach Beginn der TDI-Phase recht bald über die Hybridisierung eines Le-Mans-Sportprototypen nachgedacht, als nämlich absehbar war, dass das Reglement diese Möglichkeit eröffnet", erklärt Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich. "Nachdem wir uns mit den Konzepten auseinandergesetzt haben, erkannten wir rasch die Chance, den Allradantrieb quattro in einer technologisch neuen Variante wieder in den Motorsport zurückzubringen. Leider war er seit 1998 auf der Rundstrecke verboten."

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Audi hat von 1981 bis 1997 vier Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft, drei Siege am Pikes Peak, einen Meisterschaftssieg in der TRANS-AM, zwei DTM-Titel und elf nationale Super-Tourenwagen-Meisterschaften sowie einen Tourenwagen-Weltcup mit quattro-Modellen errungen. Zum ersten Mal seit dem Verbot 1998 darf nun wieder ein Allrad-Modell im Rundstrecken-Rennsport der FIA starten.

Doch was so einfach nach Rückkehr klingt, ist eine der bislang größten Aufgaben für Audi Sport: Einen zusätzlichen Frontantrieb und ein Hybridsystem unterzubringen, ist im Sportwagen aufgrund der Platzverhältnisse besonders schwierig. Mit zwei Metern Breite und 4,65 Meter Länge verfügt das Fahrzeug zwar über große Außendimensionen. Darunter verbirgt sich jedoch eine Monocoque-Konstruktion, die im Motorsport klassisch auf ganz andere Aspekte hin optimiert ist als auf die Integration einer Antriebsachse oder die Aufnahme eines Hybridsystems.

Umso höher ist die Leistung des Ingenieursteams zu bewerten, das den Hybrid-Vorderachsantrieb verwirklicht hat. Zum Beispiel, weil die komplette Antriebseinheit innerhalb der Kohlefaser-Struktur angebracht und damit optimal geschützt ist. Oder weil das Monocoque nach vorn länger ausfällt als beim Vorgänger. Damit verkürzt sich die davor angebrachte Crashstruktur, die aber weiterhin alle Crashtests bestehen muss. Oder wegen des extremen Nähe zum Fahrer, wodurch besondere Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Oder wegen des Gewichts, denn im Motorsport zählt jedes Gramm. Oder wegen der Leistungsfähigkeit. Noch nie hat ein so kleines und leichtes System so viel Energie zurückgewonnen.

Audi hat mit der Hilfe von Systempartnern eine besonders kompakte MGU (Motor-Getriebe-Einheit) an der Vorderachse verwirklicht. Bei der vollständig elektronisch gesteuerten Rekuperation, also der Zurückgewinnung von Energie, übertragen Antriebswellen die Kraft ins Innere der MGU. Dort wird die Bewegungsenergie in Bremsphasen in elektrischen Strom verwandelt. Prinzipiell so, wie man es von einem Dynamo kennt - allerdings mit extrem hohen Energieströmen. Ins Gehäuse integrierte Umrichter wandeln diese Energie von Wechsel- in Gleichstrom, der wiederum einen Drehmassenspeicher neben dem Fahrer antreibt. Die Energie wird gespeichert, indem der Strom dieses im Vakuum laufende Schwungrad aus Kohlefaser auf bis zu 45.000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt. Nach der Kurvenfahrt kann die Energie wieder abgerufen werden. Sie speist dann die E-Maschinen der MGU-Einheit, die wiederum die Vorderräder antreiben. Kurzzeitig können bis zu 150 kW Leistung (204 PS) an die Vorderachse abgeben werden.

"Die Tatsache, dass es bei Audi in der Technischen Entwicklung Ideen gibt, eine Achse über den Verbrennungsmotor und eine Achse über den Elektromotor anzutreiben, haben uns sehr stark motiviert, das Konzept für den R18 e-tron quattro in diese Richtung zu treiben", so Dr. Ullrich. "Wir sind davon überzeugt, dass wir über die Aufteilung Elektroantrieb und Verbrennungsantrieb auf zwei Achsen einerseits eine gute Gewichtungsverteilung im Fahrzeug erreichen und andererseits zumindest einige Vorteile eines quattro-Antriebs umsetzen. Als wir dem ACO und der FIA unser Konzept zum ersten Mal vorgestellt haben, kam relativ schnell eine Reaktion. Man hat gesehen, dass bei unserer Hybridlösung in Kombination mit einem Allradantrieb der Faktor quattro durchaus ins Gewicht fällt. Das wollte die FIA in einem reduzierten Rahmen halten, weil ihr Ziel primär die Hybridisierung ist, nicht die Rückkehr des Allradantriebs. Daher hat man sich auf einen Reglements-Passus geeinigt, der den Vorteil eines quattro-Standardantriebs beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven begrenzt. Die elektrifizierte Achse darf erst oberhalb von 120 km/h zusätzlich zum Beschleunigen eingesetzt werden."

Zugleich wird die Zahl der Bremszonen von der FIA pro Strecke festgelegt. Das Tankvolumen des Hybridfahrzeugs muss mit 58 Liter um zwei Liter kleiner ausfallen als beim konventionellen Auto. Schließlich ist auch die Energiemenge, die zwischen zwei Bremszonen rekuperiert werden darf, auf 500 kJ begrenzt. "Diese Eingriffsmöglichkeiten definiert die FIA für sich, um eine Balance zwischen den Hybridfahrzeugen und den konventionellen Modellen herzustellen. Die Auswirkungen sind von Strecke zu Strecke unterschiedlich und für uns noch schwierig einzuschätzen", urteilt Dr. Ullrich.

Trotz dieser Unwägbarkeiten überwiegt bei Dr. Ullrich die Überzeugung, den richtigen Schritt getan zu haben. Sogar ein bisschen Nostalgie kommt ins Spiel. "Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, den quattro wieder in den Motorsport zu bringen. Es war das System, mit dem ich meine ersten Stunden bei Audi Sport begonnen habe im Supertourenwagen-Projekt", erklärt der Motorsport-Chef. "Audi hat damals bewiesen, dass der Allradantrieb auch bei geringer Motorleistung auf jeder Rennstrecke bei jeder Witterung einen Vorteil bietet, so wie ihn auch unsere Kunden jeden Tag auf der Straße erleben können. Schön, dass wir den quattro wieder in einer Form in den Motorsport zurückbringen, auch wenn wir derzeit scherzhaft gesagt nur mit einem ‚Teilzeit-quattro’ antreten dürfen."
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