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Formel 1
12.04.2013

Technikfeature: Die Airbox – Druckvolle Luftnummer

Das Spiel mit der Luft ist eine Wissenschaft für sich. Das vierte Element ist bei einem modernen Formel 1-Fahrzeug nicht nur im Hinblick auf die Aerodynamik von essenzieller Bedeutung. Auch für die maximale Leistungsausbeute der Motoren spielt die Luft eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt stehen hierbei die sogenannte Airbox sowie die diversen Lufteinlässe in der Karosserie eines F1-Boliden.

Bei ersterer handelt es sich um eine ovale Öffnung, die sich direkt oberhalb des Fahrerkopfes befindet. Form und Größe der Airbox bestimmen, wie viel Frischluft dem Motor zugeführt wird. Wie wichtig dieses Bauteil ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Form der Airbox das Design der kompletten Motorabdeckung bestimmt.

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Rob White, stellvertretender Geschäftsführer von Renault Sport F1 und Chef der Motorenentwicklung, erklärt, wie die Airbox im Detail funktioniert und was sich unter der Motorabdeckung sowie im Renault RS27-V8 abspielt: „Die Airbox ist der wichtigste Teil eines ausgeklügelten Lufteinlass-Systems in einem modernen Formel 1-Auto. Dieses System bestimmt, wie viel Frisch- und Kühlluft dem Motor zugeführt werden kann. Ziel ist es, den Motor bei möglichst geringen Verlusten mit der notwendigen Verbrennungsluft zu versorgen. Von der Sauerstoffmenge hängt natürlich auch der Verbrennungsprozess ab. Das heißt: Je mehr Luft in den Ansaugtrakt des Achtzylinders einströmt, desto mehr Benzin kann verbrannt werden und desto höher ist die Leistungsausbeute.

Allerdings ist der sichtbare Lufteinlass, der sich direkt oberhalb des Fahrerhelms befindet, nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter befindet sich ein ausgeklügeltes und für den Zuschauer unsichtbares System, das die Luft gleichmäßig auf die einzelnen Ansaugstellen der Zylinder verteilt und die Strömungsgeschwindigkeit reduziert.

In Highspeed-Passagen wird die Luft förmlich in die Airbox gepresst. Von dort strömt sie durch einen Tunnel, an dessen Ende sie aus einem schnorchelförmigen Auslass in den Luftfilter gelangt. Der Clou: der leichte Staueffekt in der Airbox und der daraus resultierende Druckanstieg kann zur Leistungssteigerung genutzt werden. Da die Frischluft bei sehr hoher Geschwindigkeit angesaugt wird, strömt sie mit höherem Druck in den Luftfilter. Ziel ist es, den Luftstutzen so effizient zu gestalten, dass sie mit möglichst hohem Druck auf den Luftfilter trifft.“

Letzterem kommt ebenfalls eine sehr wichtige Bedeutung zu. Denn der Luftfilter verhindert, dass Staub-, Sand- oder Schmutzpartikel aus der Luft in die Brennräume eindringen können. Vom Filter gelangt die saubere Luft über einen Luftverteiler in die acht Ansaugtrichter. Anschließend steuern die Drosselklappen die Menge der in die Zylinder einströmenden Luft. Deren Wirkungweise wurde bereits im vorangegangenen Technikfeature erklärt: Bei geöffneten Drosselklappen kann die Luft ungehindert in die Brennräume fließen. Dort wird das Luft-Benzin-Gemisch dann durch einen Zündfunken entzündet und verbrannt. Dies treibt die Kolben an und sorgt letztlich für Vortrieb. Bei geschlossener Drosselklappe gelangt hingegen keine Luft in die Zylinder. Somit ist der Verbrennungsprozess unterbrochen.

Warum ist dieses Luftsystem von so großer Bedeutung für die Motorenpower?
Rob White: „Die Luft, oder genauer gesagt der darin enthaltene Sauerstoff, ist für den Verbrennungsprozess essenziell. Das Ziel bei der Entwicklung eins Formel 1-Motors ist es, möglichst viel Luft unter einem möglichst hohen Druck in die Brennräume zu pressen. Dies sorgt für eine maximale Leistungsausbeute.

Inwiefern es gelingt, das Optimum zu erreichen, hängt natürlich ganz wesentlich von dem verwendeten Luftleitsystem ab. Am Anfang steht die Form der Airbox, denn sie bestimmt, wie viel Luft in den Motorraum gelangt. Ein zu kleiner Lufteinlass führt dazu, dass das Triebwerk ‚erstickt‘ und somit weniger Leistung produziert. Umgekehrt hat jedoch eine große Airbox nicht zur Folge, dass der Motor ef-fizienter arbeitet. Denn mehr Luft bedeutet nicht zwangsläufig mehr Power. Hier gilt es, den idealen Mittelweg zu finden. Wie bereits angedeutet ist es hierbei von großer Bedeutung, den Luftdruck so weit wie möglich zu erhöhen. Das gelingt nur, wenn wir die Luft bei hohen Geschwindigkeiten so ansaugen, dass ein Staueffekt entsteht. Dies führt letztlich zur Leistungssteigerung.

Natürlich müssen wir hierbei einen Kompromiss eingehen. Denn eine große Airbox bringt aerodynamische Nachteile mit sich, indem sie zum Beispiel Turbulenzen vor dem Heckflügel produzieren würde. Daher versuchen un-sere Ingenieure, den durch die Airbox generierten dynamischen Druck zu maximieren.

Darüber hinaus spielt auch der Luftfilter eine tragende Rolle. Er muss sehr widerstandsfähig sein. Ein zu dichter Filter verhindert, dass genügend Sauerstoff in die Brennräume gelangt oder hat zur Folge, dass der Druck im System abnimmt. Umgekehrt kann ein zu durchlässiger Luftfilter dazu führen, dass Sand- oder Schmutzpartikel in die Zylinder gelangen und dort großen Schaden an den Kolben oder anderen Bauteilen anrichten. Das Ziel unserer Motoreningenieure ist daher ein Filter, der möglichst viel Sauerstoff in die Brennräume durchlässt, gleichzeitig jedoch jegliche Schmutzpartikel zurückhält.“

Welche technischen Bestimmungen schreibt das Reglement für einen Luftfilter vor?
„Überraschenderweise lassen uns die aktuellen Regularien in der Formel 1 hier recht viel Spielraum. Die Regeln verbieten die Verwendung eines Systems, das die Temperatur der einströmenden Luft reduziert. Darüber hinaus darf der Sauerstoffgehalt nicht künstlich erhöht werden, sondern maximal 20 Prozent betragen. Und natürlich unterscheidet sich das Design der einzelnen Airboxes aufgrund der unterschiedlichen Aerodynamik der Fahrzeuge: Einige Teams setzen auf runde Löcher, andere wiederum bevorzugen eine zweigeteilte Lösung.

Auch die einzelnen Partnerteams von Renault Sport F1 vertrauen hier auf unterschiedliche Formen der Airbox. Die Funktion des Luftfilters hingegen ist überall gleich – er muss den Motor vor Schmutz- und Staubpartikeln schützen. Aus diesem Grund arbeiten Renault Sport F1 und die Teams auch gemeinsam an der Weiterentwicklung der Airbox und des Lufttunnels, der zum Luftfilter führt. Denn dieser Bereich bietet noch Potenzial zur Optimerung von Aerodynamik und Motorenpower.“

Wie haben sich Airbox und Luftfilter während der V8-Ära verändert?
„Die Evolution der Airbox hing maßgeblich von den Fortschritten und Anforderungen der Aerodynamik ab. So wurde die Form des Lufteinlasses beispielsweise angepasst, damit der verstellbare Heckflügel DRS effizienter arbeitet oder der Luftstrom mit den schmaleren Karosserieformen harmoniert. Als direkt hinter der Lufthutze Kühler installiert wurden, spielte deren Anströmung natürlich eine Rolle. Zu Zeiten des F-Duct ergaben sich auch einige Modifikationen. Und heute mit der komplexen Luftführung des „zweifachen“ DDRS wird die Strömung aus dem Lufteinlass für aerodynamische Zwecke bis hin zum Heckflügel genutzt.

Die Isolierung der Airboxes machte ebenfalls Fortschritte, weil die Nahtstellen zwischen den Verkleidungsteilen immer dichter werden. Wenn weniger Luft durch die Karosserie-Ritzen eindringt, kann auch weniger Hitze entweichen – sie könnte sich also auch im Umfeld der Airbox stauen. Weil wärmere Verbrennungsluft aber immer einen Leistungsverlust mit sich bringt, müssen wir sicherstellen, dass die Luft, die durch die Airbox zum Motor fließt, nicht zu heiß ist.

Was die Luftfilter angeht: Durch ihre Weiterentwicklung verbesserte sich die Qualität der Luft, die in den Brennräumen ankommt, signifikant. Dazu haben wir sehr clevere Systeme entwickelt, die Staubpartikel bereits am Eingang der Lufthutze abfangen statt erst am Boden direkt vor den Ansaugtrichtern. Als die Einsatzdauer der Motoren verlängert wurde, entwickelten sich parallel auch die Luftfilter weiter: Eine bessere Filtrierung ermöglicht eine im Durchschnitt bessere Leistungsabgabe.

Wie würde die Konstruktion der Airboxes heute aussehen, wenn es nicht den Entwicklungsstop bei den Motoren gegeben hätte?
„Das ist schwierig zu sagen, weil das Design der Airboxes stark von den ‚Innereien‘ des Motors abhängt. Aber sicherlich wären die Boxen heute sehr viel komplexer. Möglicherweise würden sie verstellbare Geometrien besitzen, um nur ein Beispiel zu nennen. Es ist sogar vorstellbar, dass wir von Rennen zu Rennen unterschiedliche Bauformen einsetzen würden. Wir hätten sogar eine einzelne Drosselklappe entwickeln können, die direkt am Lufteinlass unterhalb des Überrollbügels säße. Ehrlich gesagt, hatten wir diese Möglichkeit schon einmal durchgespielt. Aber die Vorteile von acht separaten Drosselklappen an den Ansaugtrichtern überwogen – vor allem, weil sie weniger wiegen und tiefer liegen als eine große gemeinsame Drosselklappe.“

Können Sie uns noch ein paar Kennzahlen rund um die Airbox nennen, die für den jetzt anstehenden China-Grand Prix relevant sind?
„Am Ende der langen Gegengeraden in Shanghai, wenn die Autos bei geöffnetem DRS rund 330 km/h drauf haben, trifft die Luft mit einem Druck von fast 1.070 Millibar auf den Luftfilter – der normale Umgebungs-Luftdruck beträgt rund 1.020 Millibar. Das bedeutet, dass der Motor bei Topspeed rund fünf Prozent mehr Leistung – also ein Plus von 40 PS – entfaltet als bei ‚Schrittgeschwindigkeit‘.

Hinzu kommt: Der Luftdruck innerhalb der Lufthutze, kombiniert mit den kurzwelligen Resonanzen der hochfrequenten Motorschwingungen übt massive Kräfte auf die Lufthutze aus. Sie muss also strukturell extrem belastbar sein und mögliche Verformungen der Airbox-Wände aushalten. Wenn man die Vibrationen innerhalb der Lufthutze mit einer Highspeed-Kamera filmen würde, könnte man Verformungen von fast zehn Millimetern beobachten. Das ist vergleichbar mit einer leeren Plastikflasche im Flugzeug. Bei hohem Umgebungsdruck zieht sie sich zusammen, bei niedrigem Druck dehnt sie sich aus.

Die Luftfilter von Renault Sport F1 basieren übrigens auf denen, die bei Wüstenrallyes eingesetzt werden. Sie sind dicht genug, um feinen Staub und Sand aufzuhalten, aber offen genug, damit der Motor seine maximale Leistung entfalten kann.“
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