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24h Le Mans
15.06.2017

Porsche LMP Team steht vor hartem Kampf um den Gesamtsieg

Der Countdown zum Saisonhöhepunkt ist weit heruntergezählt: Am 17./18. Juni stellt sich Porsche erneut dem Kampf um die Kronjuwelen des Langstreckensports und will die 24 Stunden von Le Mans zum dritten Mal in Folge gewinnen. Der große Gegner auf der Strecke ist Toyota. Dem japanischen Hersteller ist bislang noch kein Le-Mans-Sieg geglückt. 2016 fiel Toyota in einem dramatischen Finish in Führung liegend nur wenige Minuten vor dem Ziel mit technischem Defekt aus. 2017 tritt die Konkurrenz mit drei Fahrzeugen gegen die zwei Porsche 919 Hybrid in der Top-Kategorie LMP1-H an.

Fünf Gesamtsieger im Porsche-Fahrerkader

Am Steuer des Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 1 wechseln sich Neel Jani (33/CH), André Lotterer (35/DE) und Nick Tandy (32/GB) ab. Die drei vereinen 20 Le-Mans-Starts und fünf Gesamtsiege auf sich. Jani (8 Starts, 1 Gesamtsieg) ist 2017 der einzige Titelverteidiger in Le Mans, außerdem amtierender Weltmeister in der FIA Langstrecken-WM und obendrein seit 2015 Qualifying-Rekordhalter in Le Mans. Lotterer (8 Starts, 3 Gesamtsiege) steht nach seiner erfolgreichen Karriere mit Audi vor seinem ersten Le-Mans-Einsatz für Porsche. Tandy startet zum zweiten Mal in der LMP1-Klasse an der Sarthe. Er war dort drei Mal in der GT-Kategorie am Start und holte 2015 als LMP1-Rookie für Porsche den 17. Gesamtsieg. 

Die Besetzung des Schwesterautos – Earl Bamber (26/NZ), Timo Bernhard (36/DE) und Brendon Hartley (27/NZ) – bringt es auf 17 Teilnahmen und zwei Gesamtsiege. Bamber (2 Starts, 1 Gesamtsieg) gewann 2015 als LMP1-Rookie zusammen mit Tandy. 2016 trat er für Porsche in der GT-Klasse an. Die größte Erfahrung in diesem Trio bringt Bernhard mit: Er startete bereits zehn Mal in Le Mans, das erste Mal 2002 für Porsche in der GT-Klasse. Der Klassensieg gelang auf Anhieb. Seit 2010 ist auch sein Name auf dem Gesamtsieger-Pokal eingraviert, seinerzeit war der Porsche-Werksfahrer an Audi ausgeliehen. Hartley (5 Starts) teilt sich bereits seit 2014 ein Cockpit mit Bernhard und ist der Hungrigste von allen: Ihm blieb der Gesamtsieg bisher verwehrt. 

Das Duell gegen die Uhr, gegen die Elemente und gegen Toyota

„Le Mans 2017 wird ein extrem hartes Rennen“, ist sich Fritz Enzinger der Herausforderung bewusst, „womöglich wird es noch schneller als 2016.“ Der Leiter LMP1 betont: „Das wird keineswegs nur ein Duell gegen Toyota. Der härteste Gegner in Le Mans ist und bleibt das Rennen selbst. Den Respekt vor diesen über 5000 Kilometern bei Tag und bei Nacht mit oft wechselnden Wetterbedingungen und Geschwindigkeiten von über 330 km/h im permanenten Überrundungsverkehr darf man nie verlieren. Es gibt keine Garantien, es kann immer alles passieren. Aber nur, wer sich monatelang top vorbereitet hat, fehlerfrei arbeitet und ohne Zwischenfälle durchkommt, hat eine Chance auf den großen Pokal in Le Mans.“ 

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Teamchef Andreas Seidl führt aus: „Es ist nicht die Renndistanz allein, die Le Mans zum schwierigsten Rennen der Welt macht. Man muss sich für den ganzen Event die Kräfte einteilen. Die Veranstaltung geht über mehr als zwei Wochen, während denen bei uns 90 Mann auf engem Raum unter großer Anspannung zusammenarbeiten. Dabei gehen sie durch Höhen und Tiefen. Und am Samstag um 15:00 Uhr müssen alle, ob Mechaniker oder Fahrer, die geistige und körperliche Frische für das Rennen haben. Dann gilt es anzuwenden, was wir gelernt und trainiert haben. Wir haben zur Vorbereitung sowohl im technischen als auch im operativen Bereich alles getan, was möglich war. Der Porsche 919 Hybrid, unser hochkarätiges Fahrer-Sextett und die Mannschaft sind startklar.“

Der Porsche 919 Hybrid

Der Porsche 919 Hybrid wurde für die WM 2017 umfassend überarbeitet. 60 bis 70 Prozent des Le-Mans-Prototyps sind Neuentwicklungen. Sie betreffen vorrangig die Bereiche Aerodynamik, Fahrwerk und Verbrennungsmotor. Das Antriebsprinzip des innovativen Hybrid-Rennwagens wurde beibehalten: Er leistet rund 900 PS (662 kW) Systemleistung aus einem kompakten Zweiliter-V4-Turbobenziner (knapp 500 PS/368 kW) in Kombination mit zwei verschiedenen Rückgewinnungssystemen – Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie. Während der Verbrenner die Hinterachse antreibt, wirkt beim Boosten ein E-Motor mit über 400 PS (294 kW) an der Vorderachse. Als Zwischenspeicher für den aus Brems- und Abgasenergie gewonnenen elektrischen Strom dient eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie.

Die Weltmeisterschaft

Das 24-Stunden-Rennen ist der dritte von neun Läufen zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft 2017. Nach den ersten beiden Sechsstundenrennen (Silverstone und Spa) belegt Porsche mit 61 Punkten Platz zwei in der Herstellerwertung hinter Toyota (69,5). Bamber/Bernhard/Hartley (33 Punkte) sind Zweite in der Fahrerwertung, auf Platz drei folgen Jani/Lotterer/Tandy (28 Punkte). Das führende Toyota-Trio hat 50 Punkte. 

Die Erfolgsgeschichte

1970 feierte Porsche den ersten lang ersehnten Gesamtsieg in Le Mans. Bis einschließlich 1998 sollten 15 weitere folgen – dann verzichtete Porsche 15 Jahre lang auf einen Start in der Topkategorie, holte allerdings Klassensiege mit GT-Fahrzeugen. 2011 fiel die Entscheidung zur Rückkehr mit einem Prototyp. Das neue Effizienzreglement der Langstrecken-Weltmeisterschaft bot genau das, was Porsche schon immer am Top-Level-Motorsport gereizt hat: Eine Plattform zur Forschung und Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien für Straßensportwagen. 

2012 und 2013 waren Vorbereitungsjahre: Auf dem Gelände des Forschungs- und Entwicklungszentrums Weissach bei Stuttgart wurden neue Gebäude errichtet. Fritz Enzinger baute ein Team von mittlerweile 260 hochqualifizierten Mitarbeitern auf. Der erste Porsche 919 Hybrid entstand – eine vollständige Neuentwicklung mit bis dahin teilweise unbekannter Hybridtechnologie. Die Anfänge waren harzig, die Fortschritte riesig.

2014 wurde die Debütsaison für den bis heute innovativsten Rennwagen der Welt. Beim ersten Le-Mans-Einsatz übernahm ein 919 Hybrid nach 20 Stunden die Führung, fiel aber nach 22 Stunden mit Antriebsschaden aus. 2015 hatte Porsche einen dritten 919 Hybrid mit Earl Bamber (NZ), Nico Hülkenberg (DE) und Nick Tandy (GB) am Start. Und es waren diese LMP-Rookies, die den 17. Gesamtsieg für Porsche holten – den ersten seit 1998. Im vergangenen Jahr wiederholte Porsche den Gesamtsieg. Diesmal waren es Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE), die nach einem stundenlangen Fernduell mit Toyota siegten.