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23.04.2020

Homestory Sven Müller: Der Wassermann und die Streichelfische

Wo andere einen Garten mit Rasen und Blumenbeeten haben, erstreckt sich bei Sven Müller eine Wasserfläche von 24 mal zehn Metern. Der dunkelhaarige Athlet setzt sich an den Beckenrand, blickt in die Tiefe – und springt dann doch nicht in das kühle Nass. Im Gegenteil: Mit ruhigen Bewegungen nähert sich die Hand des Porsche-Werksfahrers der Wasseroberfläche. Plötzlich sind sie da. Unzählige Koi-Karpfen strecken ihre Mäuler in die Luft. Müller streichelt sanft über die kunterbunten Fische. „Sie denken, es gibt etwas zu essen. Da werden sie richtig zutraulich“, erklärt der 1,81-Meter-Mann aus Bingen am Rhein. Beim Blick auf seine rund 60 Kois strahlen die braunen Augen des im Sternzeichen Wassermann (7. Februar) geborenen Rennfahrers eine Wärme aus, die seine Gegner auf der Strecke so nicht von ihm kennen.

„Die Liebe zu Fischen habe ich als kleines Kind beim Angeln mit meinem Opa entwickelt“, schildert der 28-Jährige, der unweit einiger Angelteiche lebt. Auch der Rhein ist nur einen Steinwurf entfernt. Der Großvater lebt in der Schweiz. Müllers Mutter wurde ebenfalls im Nachbarland geboren. Den Helm des 2016er Meisters des Porsche Mobil 1 Supercup zieren deshalb schwarz-rot-goldene Streifen und ein Schweizer Kreuz. Bei Besuchen in den Alpen geht Müller noch heute mit seinem Opa an den Teich. „Ich finde, dass Angeln der perfekte Ausgleich für das schnelle, hektische und laute Treiben im Motorsport ist. Da komme ich absolut zur Ruhe.“ Im Gegensatz zum heimischen Koi-Teich geht es bei den Angelausflügen nicht um Streicheln und Füttern, sondern um Beute. „Forelle oder Hecht schmecken richtig lecker“, lacht Müller. „Aber wenn ich mal einen großen Karpfen an der Angel habe, dann weiß ich nichts damit anzufangen. Wie soll ich 25 Kilogramm Fisch in der Küche verarbeiten? Und für wen überhaupt?“

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Müller lebt im Bingener Stadtteil Dromersheim auf rund 50 Quadratmetern allein. Der Singlehaushalt des passionierten Läufers und Skifahrers ist zweckmäßig eingerichtet. Direkt nebenan wohnt sein rund drei Jahre jüngerer Bruder Benedict, dessen Selbstständigkeit dem Porsche-Werksfahrer oftmals zusätzliche Arbeit beschert. „Er hat eine Werkstatt für Karosseriebau, repariert aber auch alles andere an Autos. Zurzeit haben wir aufgrund der Jahreszeit natürlich viele Räderwechsel“, sagt Müller. „Ich bin gelernter Mechatroniker und packe dort immer gern mit an.“ Die Kenntnisse aus dem erlernten Beruf helfen dem 28-Jährigen auch bei seinem Job als Motorsportprofi.

„Ich habe mich damals ganz bewusst für eine solche Ausbildung entschieden“, berichtet er. „Michael Schumacher ist dafür verantwortlich, dass ich diese Lehre gemacht habe. Er war immer mein Idol. Ich fand es beeindruckend, wie er damals als gelernter KFZ-Mechaniker aufgrund seines technischen Wissens viel besser mit den Ingenieuren arbeiten konnte als andere. So wollte ich auch werden.“ Heute hilft auch Müller diese Lehre, um bei Abstimmungsarbeiten wertvollen Input liefern zu können. „Ich weiß genau, wie ein Differenzial oder ein Getriebe funktionieren. Da spricht es sich ganz anders mit den Ingenieuren.“

In der Werkstatt von Bruder Benedict macht sich Müller nicht nur die Hände beim Schrauben schmutzig. Er hält sich auch für kommende motorsportliche Einsätze fit. Im Aufenthaltsraum des kleinen Zwei-Mann-Unternehmens – der Chef beschäftigt einen Auszubildenden – steht der Rennsimulator des Porsche-Piloten. „In Zeiten des Coronavirus bekommt der Simulator eine ganz andere Bedeutung“, sagt er beim Blick auf den verwendeten Originalsitz aus einem Porsche 911 GT3 RSR (Modell 997). „Wenn keine realen Rennen stattfinden, dann wird eben online gefahren. Zum Beispiel im Porsche Mobil 1 Supercup Virtual Edition. Ich war bei den ersten Rennwochenenden am Start und muss sagen: Da geht es wirklich heiß her! Ist ein bisschen wild, aber macht viel Spaß.“

Die körperliche Fitness holt sich Müller beim Laufen. Jeden Tag geht es zehn bis 15 Kilometer durch die nahen Weinberge. Als treue Begleiterin ist Hündin Amy, ein Windhund-Mischling aus der Tierrettung, immer an seiner Seite. „Nach dem Laufen kommt immer etwas Krafttraining und anschließend einige Übungen für die Koordination“, beschreibt der Fitnessfanatiker sein Trainingsprogramm. Beim Seilspringen fängt Müller das Tänzeln an. Mit beeindruckender Leichtigkeit macht er einbeinige Sprünge und bewegt dabei die Füße so schnell wie Fred Astaire beim Stepptanz. Nach Abschluss des Trainings geht es zurück in den Garten. „Wer keine Arbeit hat, verschafft sich welche“, schmunzelt Müller. „Ich bin gerade dabei, dem Teich eine Art frostsicheren Anbau zu verschaffen. Darin sollen meine Kois in Zukunft überwintern. Die Fische können frostige Zeiten zwar auch so ganz gut überstehen, aber ich möchte, dass sie es rundherum gemütlich haben.“
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