Der Rennfahrer Stoffel Vandoorne ist für das Mercedes Team in der FIA Formula E unterwegs. Er beantwortet im Folgenden fünf Fragen zur vergangenen Saison und zu den Herausforderungen, die er zu meistern hatte.
Stoffel, du hast in der vergangenen Saison die meisten Pole-Positions eingefahren. Wie schwierig ist es, für diese eine Runde alles perfekt hinzubekommen?
Stoffel Vandoorne: „Es ist definitiv nicht einfach. Zunächst einmal besteht das Qualifying in der Formel E aus nur einer Runde, was den Fahrer zusätzlich unter Druck setzt, um Leistung abzuliefern. Denn man hat nur diesen einen Versuch. Aber ich mag das, mir gefällt dieser Druck, das Adrenalin, das dadurch freigesetzt wird. Es ist entscheidend, eine Runde perfekt zusammenzubekommen, da wir auf der Out-Lap oft sehr langsam fahren müssen. Dadurch bekommt man aber kein Gefühl für den Grip, der uns in der ersten Kurve erwartet. Deshalb basiert die Herangehensweise an die erste Kurve oft auf einer Vermutung. Wo muss ich bremsen? Wie viel Grip gibt es? Und: Wie schnell kann ich in die Kurve hineinfahren? Sobald man diesen Referenzpunkt hat, wird der Rest der Runde ein bisschen einfacher, aber es herrscht immer noch sehr viel Druck.“
In dieser Saison gibt es ein neues Qualifying-Format mit mehreren Head-to-Head-Duellen. Setzt das die Fahrer mental stärker unter Druck? Freust du dich auf diese zusätzliche Herausforderung?
Stoffel Vandoorne: „Auf jeden Fall. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob die Kopf-an-Kopf-Duelle wirklich etwas verändern werden. Ich glaube nämlich nicht, dass wir darüber nachdenken werden, wenn wir im Auto sitzen. Wir werden uns hauptsächlich darauf konzentrieren, das Beste aus dem Auto herauszuholen. Das wird der Schlüssel sein. Zuvor gibt es natürlich die Gruppenphase, in der sich die Herangehensweise ein bisschen unterscheiden wird, weil wir mehrere fliegende Runden fahren können. Dadurch wird das Feld hoffentlich ausgeglichener, bevor es dann in die Kopf-an-Kopf-Duelle geht. Das wird interessant und ich glaube, dass das Format Spaß machen wird, besonders wenn man bis zum Finale dabei ist und dann gegeneinander um die Pole-Position kämpft.“
Eine weitere große Herausforderung in der Formel E ist das Energie-Management. Wie viel anspruchsvoller wird das Fahren für dich durch die neuen Regeln mit mehr Leistung und möglichen Rennzeitverlängerungen?
Stoffel Vandoorne: „Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob es einen großen Einfluss auf das Racing haben wird. Die Verlängerung des Rennens ist für die Zuschauer aber sicher logischer und einfacher zu verstehen, als die zur Verfügung stehende Energie zu verringern. Wenn wir also Zeit hinter dem Safety Car verbringen, fahren wir hinterher ein längeres Rennen. Ich finde, das ist eine gute Erklärung für die Zuschauer. Wenn das Rennen unterbrochen wird, fahren wir länger – das macht mehr Sinn als das, was wir letztes Jahr hatten. Die zusätzliche Leistung, die uns nächste Saison zur Verfügung steht, wird es ein bisschen kniffliger machen, besonders im Hinblick auf das Energie- und Reifenmanagement. Das Management der Hinterreifen wird schwieriger ausfallen. Deshalb müssen wir wahrscheinlich ein bisschen sanfter mit den Reifen umgehen. Gleiches gilt für die Energie, von der wir etwas mehr verlieren werden. Ich denke, dadurch müssen wir über das gesamte Rennen hinweg etwas präziser fahren.“
Du gehst in deine dritte Saison mit dem Team, wie sehr hilft die Kontinuität dir und den Ingenieuren bei der Zusammenarbeit?
Stoffel Vandoorne: „Kontinuität ist in der Formel E immer eine gute Sache, da die Abstände zwischen den Fahrern und Teams sehr gering sind. Deshalb ist es sehr wichtig, ein gutes Verhältnis zu deiner Crew aufzubauen. Du musst dein Gegenüber richtig verstehen lernen. Was brauchst du vom Auto, um es zu verbessern und Leistung zu bringen? Diese Dinge sind sehr hilfreich. Mich erwartet in diesem Jahr in dieser Hinsicht eine zusätzliche Herausforderung, da ich mit einem anderen Renningenieur zusammenarbeiten werde. Daran müssen wir uns beide erst gewöhnen und aufeinander einstellen. Er muss lernen, was meine Kommentare bedeuten, wie ich das Auto beschreibe und umgekehrt. Aber er besitzt viel Erfahrung in der Formel E und ich bin sicher, dass wir diesen Prozess schnell durchlaufen werden. Ich freue mich darauf zu sehen, wie sich unsere Beziehung entwickeln wird.“
Wie setzt ihr immer wieder neue Reizpunkte, um euch auch nach Jahren der Zusammenarbeit immer weiter zu verbessern?
Stoffel Vandoorne: „Es gibt immer Wege, um sich zu verbessern. Das Reglement bleibt stabil, aber als Rennteam suchen wir immer nach Verbesserungsmöglichkeiten. Egal, ob diese von den Fahrern oder dem Team stammen. Wir diskutieren oft neue Ideen miteinander, etwa ob sie vernünftig sind, ob wir zu viel Zeit damit verschwenden oder ob sie am Ende bessere Rundenzeiten bringen. Ja oder nein? Schlussendlich geht es genau darum. Wir möchten, dass die Ideen bessere Rundenzeiten ermöglichen. Das ist am wichtigsten für uns. In diesem Jahr kommt für uns wie gesagt die zusätzliche Herausforderung hinzu, dass wir nach Brackley umziehen. Dadurch gibt es einige Neuerungen, wie etwa einen neuen Simulator und viele Aufgaben, die wir bis zum Saisonstart erledigen müssen. Es gibt über den Winter viel zu tun, vielleicht sogar noch mehr als in der Vergangenheit. Warten wir ab, wie es sich nächste Saison entwickelt.“