Der Podestplatz von Rookie Lucas Moraes markiert den ersten, den ein Neuling in diesem Jahrtausend bei der Rallye Dakar in der Automobilwertung erreichte. Zuletzt war das Björn Waldegård 1990 gelungen, seinerzeit einen Monat nach der Geburt von Lucas Moraes. Dabei bedeutet Erfahrung alles – die letzten fünf „Dakar“-Podien teilten sich lediglich sieben verschiedene Fahrer, die allesamt auch in diesem Jahr am Start waren und von denen vier das Ziel erreichten. Für Timo Gottschalk war es bei der Rallye Dakar nach Platz zwei 2010 und dem Sieg 2011 – damals als Beifahrer von Nasser Al-Attiyah – der dritte Podestplatz bei 15 Einsätzen seit 2009.
Unerbittlich, Bewährungsprobe für Mensch und Material: die „Dakar“ 2023 durch Saudi-Arabien
Egal, ob extreme Schotterpassagen und unendliche Geröllabschnitte, schnelle Sandpisten und Off-Piste, kleine „Dunettes“ und gigantische Dünen, weicher, harter oder vom Wasser getränkter Wüstensand – Lucas Moraes schlug als Fahrer in allen Situationen das ideale Tempo an, schonte das Material so viel wie nötig, entschleunigte dabei aber so wenig wie möglich. Timo Gottschalk unterstütze dabei mit dem „Lesen“ der Dünen und mit viel Erfahrung, behielt im Schluchtengewirr der vielen Canyons oder bei der Kompassnavigation durch offene Landschaft stets den navigatorischen Überblick. Bemerkenswert: Die drittgrößte „Dakar“-Trophäe stemmt der 33-jährige Lucas Moraes exakt 44 Tage nach seinem allerersten Wettbewerbseinsatz im Wüstensand in die Höhe.In Bewegung geblieben – Schlüssel zum Erfolg bei der „Dakar“
Bei der knüppelharten Tour durch Saudi-Arabien, von der Küste am Roten Meer, Abstechern in das Offroad-Zentrum rund um Ha’il im Norden des Landes oder in die größte Sandwüste der Welt – dem Empty Quarter – und bis zum Ziel am Persischen Golf, limitierten Moraes/Gottschalk die Standzeiten maximal. Lediglich drei Reifenschäden verzeichnete das für diese Rallye Dakar neu formierte Duo, lediglich einmal gruben sie sich im Wüstensand ein und das nur undramatisch für wenigen Minuten. Angesichts von 4.247 Kilometern gegen die Uhr, 8.877 insgesamt ist das eingedenk der an sie gestellten Herausforderungen der vielbeschworene Null-Fehler-Job, von dem viele Teams träumen, aber nur in Ausnahmefällen erreichen. Ein weiterer Faktor: Ihr Toyota Hilux nach T1-plus-Reglement, eingesetzt vom erfahrenen Overdrive-Team aus Belgien ließ sie nicht einmal im Stich.Zunächst unbemerkt, dann gefeiert – nichts geschenkt für Moraes/Gottschalk
Mit ihrer unbeirrt-unaufgeregten aber kompromisslos-konstanten Fahrt arbeiteten sich Lucas Moraes und Timo Gottschalk bei der Rallye Dakar 2023 bereits am sechsten von 14 Wettbewerbstagen überraschend auf einen Podestplatz vor. Bei Prüfungskilometer 2.210 von 4.247 wurden sie erstmals als Dritte geführt. Von dort an blieben sie auf einem virtuellen Podiumsplatz – auf neun Etappen in Folge. Davon drei sogar als Zweite. Vor der „Dakar“ hatten Moraes/Gottschalk als ultimatives Ziel ausgegeben, wenigstens einmal unter die Top Ten der Tageswertung fahren zu wollen. Dieses Kunststück gelang ihnen bei 10 von 14 möglichen Malen. Eingedenk der Klasse im Starterfeld – wenigstens 20 Teams wurde im Vorwege als Kandidaten für das Podium gehandelt – auch in der Retrospektive ein realistisches aber weit übertroffenes Ziel.Lernen in der Loge – clevere Taktik ist äußerst effizient und erfolgreich
Dass Lucas Moraes und Timo Gottschalk die Erwartungen auf allen Ebenen übertrafen, wurde auch von ihren Gegnern goutiert – etwa von den späteren Siegern Nasser Al-Attiyah/Matthieu Baumel (QAT/FRA, Toyota), O-Ton: "Die Zukunft der Rallye Dakar". Dabei schlug das brasilianisch-brandenburgische Duo geschickt Kapital aus seinen Startpositionen, hängte sich an Top-Favoriten, um sich aus der Logenposition Fahrtechniken, den Rhythmus oder das mögliche Tempo in der Wüste abzuschauen. Lucas Moraes, der zur Rallye Dakar mit dem Ziel angereist war, zu lernen, stieg die Lernkurve entsprechend steil an. In genau jenem Terrain, das für den Paulista die große Unbekannte war – Wüstensand – feierte er seine besten Tagesresultate: einmal Platz drei und einmal Platz vier im berühmt-berüchtigten Empty Quarter.Lucas Moraes: „Ich denke, das war nicht nur für mich als Rookie eine heftige 'Dakar'. Die Wetterkapriolen zu Beginn, die extrem langen Tage der ersten Woche. Dazu die Wüstenetappen in der zweiten Woche, die es richtig in sich hatten. Dass wir bei meinem Debüt gleich auf Anhieb aufs Podium gefahren sind und auch mit den Spitzenfahrern mitgehalten haben, macht mich richtig stolz. Die Zusammenarbeit mit Timo hat super funktioniert, er hat mit seiner Erfahrung viel zum Erfolg beigetragen. Sein Einsatz war großartig. Ich hoffe, wir können das wiederholen!“
Timo Gottschalk: „Man müsste mich bitte mal kurz kneifen: Wir sind auf dem Podium! Es ist zwar das dritte Mal für mich, nach 2010 und 2011 mit Nasser Al-Attiyah – aber da haben wir, mehr oder weniger, die Erwartungen an uns erfüllt. Dieser dritte Platz mit Lucas übertrifft allerdings alle Erwartungen und Ziele – das fühlt sich besonders gut an. Ich könnte kaum stolzer darauf sein, was wir in den vergangenen gut zwei Wochen erreicht haben. Lucas hat unglaublich viel Talent bewiesen und hat immer alles richtig gemacht. Ich habe auch einen guten Teil dazu beigetragen. Ich bin sehr happy, dass ich die Chance bekommen habe, mit Lucas starten zu dürfen.“