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Sonstiges
21.09.2024

Alarmstufe Rot bei Volkswagen!

Volkswagen ist in aller Munde. Und es gibt einige Halbwahrheiten und sicherlich populistische Aussagen, die wir hier einordnen möchten.

Was liest man in Kommentaren oder auch in öffentlichen Medien?

  • Volkswagen ist pleite
  • Elektro ist schuld
  • Verbrenneraus ist schuld
  • Das Management hat alles falsch gemacht
  • Die Dividenden sind schuld

Volkswagen ist pleite?

Volkswagen ist nicht der am stärksten überschuldete Autokonzern der Welt. Der Konzern ist sehr gesund. Man hat bei 322 Milliarden Euro Umsatz (2023) ein operatives Ergebnis von 22,576 Milliarden Euro Gewinn und eine Nettoliquidität von 31,3 Milliarden Euro.

Ja, der Nettogewinn wird 2024 zurückgehen. Nach 15,8 Milliarden (2022) und 17,9 Mrd. (2023) rechnet man in diesem Jahr mit rund 14 Milliarden - aber das ist trotzdem noch ordentlich. 

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Wenn da immer wieder 410,426 Milliarden (zum 31.12.23) an Schulden durch das Internet geistern, dann ist diese Zahl zwar richtig – aber demgegenüber stehen hohe Forderungen an Leasingautos oder Kredite durch die Volkswagen Financial Services von 294,092 Milliarden im Bereich Finanzdienstleistungen. Das ist eher ein Bankgeschäft. Die Zahl von 159.941 Milliarden Euro beim Konzernbereich Automobile ist hoch – hängt aber mit der schieren Größe von VW ab. Durch die Finanzierungen verdient man sogar noch Geld. Die Eigenkapitalquote von VWFS beträgt 14,8% bei 37,5 Milliarden.

Volkswagen muss seine Kosten senken. Bei 322 Milliarden und rund 22 Milliarden operativem Gewinn muss man feststellen, dass 300 Milliarden Kosten zu Buche stehen. Daran muss man arbeiten und eine zündende Idee haben.

Fazit: Volkswagen hat noch Geld! 31,3 Mrd. Cash! Das ist wahnsinnig viel für einen weltweit agierenden Konzern in dieser Größenordnung. Die Verbindlichkeiten sind erklärbar und dürften nicht das große Problem sein. Etwa 8,9 Millionen Pkw und Nutzfahrzeuge von den Konzernmarken wurden 2023 verkauft. Jetzt muss man ein paar Stellschrauben drehen.

Man hat sich zu sehr an Elektroautos orientiert und deswegen jetzt Probleme?

So einfach ist das nicht. Der chinesische Elektrohersteller BYD oder der US-amerikanische Hersteller Tesla machen Gewinn und sind weltweit aktiv. Elektro an sich ist da nicht das Problem. Man ist aber schlichtweg nicht innovativ genug unterwegs. Vielleicht hat man die neuen Mitbewerber auch unterschätzt? Dazu zu hohe Kosten mit Löhnen und Energie. Weiterhin hat man sich vielleicht zu sehr auf die Politik verlassen. Aber Wirtschaftsminister Habeck strich über Nacht die Kaufprämien für Elektro und der Markt brach ein. 

Wenn man etwas wirklich kritisch an Elektro sehen will, dann, dass man das nicht einfach so verordnen kann. Der Käufer entscheidet in einer Marktwirtschaft immer noch über das Produkt. Kommandobefehle sind da nicht hilfreich. Vielleicht war Volkswagen da etwas zu Obrigkeitshörig und mit ex-Chef Diess zu sehr Elektro-Jünger?

Nachdem man in China hohe Marktanteile verloren hat, macht sich das nun auch in der Zentrale in Wolfsburg bemerkbar. 2018 hatte man in China noch 4,6 Mrd. Gewinn. 2024 sind es nur noch geschätzt 1,5 Mrd. bis 2 Mrd. Euro Gewinn. Die Tendenz ist aber stark sinkend. 

Fazit: Elektroautos sind weltweit gesehen erfolgreich. Aber Volkswagen war zu teuer und nicht gut genug. Dazu Probleme mit der Software und den Batterien. Und das Wirtschaftsministerium strich dazu noch Förderungen für E-Autos und zusätzlich die Gelder für Batterieforschungen. 

Das Aus für Verbrenner ist ein Problem für Volkswagen

Das sollte man im Zusammenhang sehen. Genauso wie bei den Elektroautos, hat man falsche Entscheidungen bei den Verbrennern getroffen. Wer kauft einen Golf, wenn er ein vergleichbares Auto von Opel oder einen Japaner preiswerter mit innovativerer Technik kaufen kann? Wenn man dann noch darüber redet, dass man sich nur noch auf Elektro konzentriert, der braucht sich nicht darüber zu wundern, dass Kunden abwandern. Auch die Produktpalette von Volkswagen war zu bieder. Aktuell hat man jetzt wieder zurückgerudert und will bis 2028 nun 60 Mrd. in die Weiterentwicklung von Verbrennern stecken.  

Fazit: Elektro und Verbrenner haben ähnliche Probleme. Teuer ist nicht immer ein Problem. Mit Luxusfahrzeugen macht man sogar mehr Gewinne als mit preiswerten Fahrzeugen. Aber teuer und schlecht ist toxisch!

Das Management hat alles falsch gemacht

Wer ist „das“ Management? Nach dem Diesel-Skandal standen die Volkswagen-Manager mit dem Rücken zur Wand. USA-Reisen traute man sich nicht mehr und auch in Deutschland drohte das Gefängnis. Es war keine Schummelei, sondern ein Betrug! Und das bedeutete, dass man das sagte, was die Politik hören wollte. Und ob die Politik ein guter Stratege im Autobau ist, darf man bezweifeln. Rot-Grüne Politik ist auch nicht bekannt dafür, ein Autofreund zu sein. Zusätzlich gibt es bei Volkswagen noch die Tatsache, dass das Land Niedersachsen mit 20% am 50%igen Unternehmensanteil beteiligt ist. 

Die Gewerkschaften haben 50% im Aufsichtsrat. Der Aufsichtsratsvorsitzende kommt zwar von der Unternehmerseite und hat die „goldene Stimme“. Aber dort hat das Land Niedersachsen 20%. Und dieses Bundesland war in den letzten 34 Jahren 24 Jahre in der Hand von Rot-Grün. Da kann man sich selbst überlegen, ob da eher Arbeiter oder Unternehmer unterstützt wurden.

Aus der Politik kommen immer wieder Ratschläge und neben Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat der Aufsichtsrat seit 2022 auch eine grüne Politikerin mit Kultusministerin Julia Willie Hamburg. Diese ist kein Auto-Fan (hat weder Berufs- noch Studienabschluss), möchte grüne Mobilität bevorzugen und setzt auf E-Autos. 

Der Aufsichtsrat besteht aus 20 Personen. Zwei davon aus der Landesregierung (Weil und Hamburg). Gegen ihr Veto geht nichts! Dank VW-Gesetz aus den 1950er hat die niedersächsische Regierung die Plätze im Kontrollgremium sicher. Man kann das Land nicht überstimmen! Diese beiden Personen entscheiden also mit über Volkswagen. Das Ergebnis all dies Gemengelage nun nach und nach deutlich.

Fazit: Wer in seinem eigenen Unternehmen mehr politische Eingeständnisse macht und Dinge umsetzen muss, die politisch oder gewerkschaftlich gewollt sind, kann unternehmerisch nicht gegen Toyota, Tesla oder BYD bestehen. Das Management ist also nicht nur der Konzernchef, sondern auch die Politik und die Gewerkschaften. Und wer ineffizient arbeitet, niemand entlässt und jeden Auszubildenden übernimmt, der darf sich am Ende über Probleme nicht wundern. Erst recht nicht, wenn Gewerkschaften und Politik drohen. Man darf sich fragen, wie das ohne Sparmaßnahmen oder bessere und preiswertere Autos klappen soll? 

Zu hohe Dividende?

Auch das las man in Medien und Socal Media: Volkswagen hat rund 4,5 Mrd. Schulden – zahlt aber Dividenden in gleicher Höhe. 

Volkswagen ist einer der stabilsten Dividendenzahler der Welt. Es gibt 19,3 Mrd. Vorzugsaktien. Die Dividende ist rund 9% pro Jahr. Gesamt waren es 4,5 Mrd. Euro an alle Aktionäre. Aber Volkswagen hat das Geld und die Aktie ist gerade wegen den Zahlungen interessant. Ein Titel der Kurse steigert, ist Volkswagen in der jüngsten Vergangenheit sicherlich nicht. Der Kurs lag am 31. März 2021 noch bei 239 Euro. Wer also die Dividende streichen würde, der darf damit rechnen, dass weniger Leute die Aktie kaufen und das würde auch den Kurs wieder beeinträchtigen. Zu überlegen wäre sicherlich, dass die Dividende nicht mehr gesteigert wird. Aber auf Null streichen wäre fatal. 

Fazit: Steigern muss man die Dividende sicherlich nicht. Aber daran liegt auch kein Problem. Die Zahl ist erneut wegen der Größe von Volkswagen so hoch. Kaufen oder nachkaufen würde ich die Aktien zur Zeit jedoch nicht. Der Kurs belief sich am Freitag (20.09.24) auf 90,80 Euro. 80 Euro wären vielleicht keine Überraschung.

Man merkt also: Die Probleme sind vielschichtig. Allein an Verbrenner oder Elektro liegt es nicht. Und auch die Konzernchefs sind nicht allein verantwortlich zu machen. Zu hinterfragen sind die hohen Kosten und der politische Einfluss.

Die Quadratur des Kreises wird nicht funktionieren: Ein preiswertes Auto mit teurer Energie im Hochlohnland Deutschland bauen, wo Gewerkschaften noch höhere Löhne fordern. Bei schlechterer Qualität. Auch dauernde Subventionen werden nicht funktionieren. Auch nicht für den größten deutschen Arbeitgeber, mit rund 298.687 Personen 2023 (Weltweit: 684.025). Eines dürfte aber klar sein. Bekommt Volkswagen diese Krise nicht in den Griff, bedeutet dies einen herben Einschnitt für den Wirtschaftsstandort Deutschlands und die vielen Zulieferer. 

Analyse von Ralph Monschauer

Zahlen:

Mitarbeiter:
  • 2023: 684.025 Mitarbeiter weltweit
  • davon 298.687 in Deutschland (rund 62.000 in Wolfsburg)
  • Verteilung: Deutschland: 44%, übriges Europa: 29%, Asien-Pazifik: 16%, Nordamerika: 7%, Südamerika: 5%

Ausgewählte Umsätze Volkswagen:
  • 2000: 81 Milliarden Euro
  • 2014: 202 Milliarden Euro
  • 2022: 279 Milliarden Euro
  • 2023: 322 Milliarden Euro
  • 1. Halbjahr 2024: 158,8 Milliarden Euro

Ausgewählte operative Ergebnisse Volkswagen:
  • 2013: 11,67 Milliarden Euro
  • 2021: 19,27 Milliarden Euro
  • 2023: 22,57 Milliarden Euro

Verkaufte Einheiten Volkswagenkonzern:
  • 2024: Rund 8,9 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge
  • Volkswagen Pkw: 4.866.803 
  • Audi: 1.895.230
  • Skoda: 866.820
  • SEAT: 519.176
  • Volkswagen Nutzfahrzeuge: 409.406
  • Bentley: 13.560
  • Lamborghini 10.112

Subventionen der Bundesregierung:
  • Volkswagen: 6,4 Milliarden. (Steuervergünstigungen und Förderungen für Forschung in der Antriebs- und Digitaltechnik)

Verschuldung:
  • rund 410 Milliarden - aber davon alleine 250 Milliarden Finanzdienstleistung (Leasing und Kredit).

Quote Leasingrate Volkswagen Financial Services (VW Bank):
  • 34,6%

Nettoliquidität:
  • 31,3 Milliarden Euro

Aufsichtsrat:
  • 20 Personen (Zwei von Landesregierung mit Veto-Recht)
  • 50% Gewerkschaften
  • 50% Unternehmen

Stimmrechte des 50% Unternehmeranteil:
  • 53,3% Porsche SE (Familien Porsche und Piech)
  • 20% Niedersachsen
  • 17% Katar Holding
  • 9,7% Streubesitz

Kosten je geleistete Arbeitsstunde im verarbeitenden Gewerbe 2023:
  • Dänemark: 48 Euro
  • Deutschland: 46 Euro
  • Frankreich: 44,6 Euro
  • Tschechien: 18,50 Euro
  • Polen: 13,20 Euro
  • Der EU-Durchschnitt: 37 Euro.
  • Volkswagen: eher noch höher als 46 Euro

Volkswagen ist unter anderem:
  • Bentley, Ducati, Scania, Skoda, Mann, Seat, Cupra, Audi, Lamborghini, Porsche, Navistar

Beispiele Auslastung Volkswagen-Werke:
  • Osnabrück: 18%
  • Dresden: 33%
  • Wolfsburg: 46%
  • Volkswagen besitzt insgesamt neun Werke in Deutschland

Volkswagen China-Geschäft:
  • 2018: 4,6 Milliarden Euro Gewinn
  • 2023: 2,6 Milliarden Euro Gewinn
  • 2024: 1,5 Milliarden (bis 2 Mrd.) Euro Gewinn (geschätzt)
  • Tendenz stark sinkend

Volkswagen-Zahl:
  • 2 Millionen Autos pro Jahr weniger Autos gebaut als vor COVID19

Gewinn pro Mitarbeiter 2023 in ausgewählter Auto-Industrie:
  • Volkswagen: 36.000 Euro
  • Toyota: 80.000 Euro
  • Hyundai: 85.000 Euro
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