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Formel 1
29.05.2013

Interview mit Jean-Michel Jalinier zur Formel 1 2014

Renault wird ab der Saison 2014 die Scuderia Toro Rosso mit den neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren versorgen. Jean-Michel Jalinier, der Präsident von Renault Sport F1, nennt Details der Zusammenarbeit und erklärt Strategie und Ziele des Formel 1-Engagements von Renault.

Monsieur Jalinier, welche Vorteile ergeben sich für Renault aus dem neuen Motorenvertrag mit der Scuderia Toro Rosso?
Jean-Michel Jalinier: „Wegen unserer langjährigen Partnerschaft mit Infiniti Red Bull Racing war es nur folgerichtig, auch mit Toro Rosso über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Ob wir uns dafür entscheiden, war aber völlig offen und wir haben alle Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen. Toro Rosso ist ein etabliertes, gut geführtes Team mit eindrucksvollem technischem Personal. Der Rennstall verfügt über die Möglichkeiten und das Potenzial, regelmäßig in die Punkteränge zu fahren. Renault engagiert sich auch mit der neuen Motorengeneration in der Formel 1, um zu gewinnen und um das eigene Know-how und die Qualität unserer Produkte zu demonstrieren. Um diese Ziele zu erreichen, benötigen wir Partnerteams, die in der Lage sind, auf höchstem Niveau zu arbeiten – mit Toro Rosso haben wir einen solchen Rennstall gefunden. Abgesehen von den technischen Aspekten vertieft dieser Schritt auch unsere weltweite Verbindung mit der Marke Red Bull. Wir freuen uns auf eine lange und in vielerlei Hinsicht erfolgreiche Partnerschaft – so wie wir sie bereits mit Red Bull Racing pflegen.“

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Wie langfristig sehen sie die Zusammenarbeit?
„Der Vertrag gilt zunächst für drei Jahre und wir sehen diese Partnerschaft sogar noch langfristiger. Wir möchten siegen und gleichzeitig im Rennsport fortschrittliche Technologien testen, die dann den Weg in unsere Serienautos finden sollen. Für diese Strategie benötigen wir solide Grundlagen – und die sehen wir in stabilen und langfristig angelegten Partnerschaften.“

Hat die praktische Zusammenarbeit mit Toro Rosso schon begonnen?
„Bekanntlich hatten wir bereits einige Zeit mit Toro Rosso verhandelt. Als die Einigung konkreter wurde, hat unsere Technikabteilung einige Informationen übermittelt, damit beide Seiten die jeweiligen Arbeitsweisen auf der anderen Seite kennenlernen konnten. Jetzt, wo der Vertrag unterzeichnet ist, beschleunigen wir diesen Prozess. Ich halte den Zeitpunkt des Deals für ideal, denn jetzt kann Toro Rosso den Wechsel des Motorenausrüsters in Ruhe vorbereiten und 2014 mit einem optimal vorbereiteten Aggregat starten.“

Wie wird die Zusammenarbeit mit den Schwesterteams Red Bull Racing und Toro Rosso strukturiert?
„Infiniti Red Bull Racing und Renault haben gemeinsam drei Mal in Folge den Konstrukteurstitel gewonnen – das schafft eine gewisse Vertrautheit. Wir arbeiten bei vielen Entwicklungen rund um den aktuellen V8-Motor eng zusammen. Wenn wir einen neuen Prozess oder ein System ausprobieren möchten, fragen wir zuallererst das Feedback von Red Bull Racing ab. Genauso läuft es in umgekehrter Richtung: Falls das Team größere Änderungen am Chassis plant, sprechen sie mit uns, damit die Einsatzbedingungen für den Motor optimal dazu passen. Diese Arbeitsweise möchten wir 2014 und darüber hinaus fortsetzen. Toro Rosso wird Aggregate mit identischer Leistung bekommen und dieselbe Servicequalität genießen wie Infiniti Red Bull Racing und alle weiteren Teams, mit denen wir einen Motorenvertrag schließen werden.“

Wann wird sich Renault denn mit weiteren Partnerteams einigen?
„Die Verträge mit Infiniti Red Bull Racing und Toro Rosso für die Jahre ab 2014 sind unterzeichnet. Wir führen außerdem Gespräche mit unseren aktuellen Partnerteams. Aber natürlich richten wir uns für 2014 zunächst mal an den abgeschlossenen Verträgen aus. Solange die Verhandlungen laufen, werden wir nicht spekulieren oder über den Vertragsstatus einzelner Teams sprechen. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Wochen weitere Abschlüsse bestätigen können. Am liebsten würden wir drei Teams ausrüsten. Sollte die Marktsituation es erfordern, wären wir in der Lage, bis zu fünf Rennställe zu beliefern, aber diese Höchstgrenze wäre nicht unser Wunsch-Szenario.“

Angesichts der radikal neuen Motorenformel ab 2014: Wie wichtig ist es, frühzeitig Klarheit über die Partner zu haben?
„Ich halte das für einen sehr wichtigen Erfolgsfaktor. Nicht das leistungsstärkste oder aerodynamisch effizienteste Auto wird nächste Saison unterm Strich das schnellste sein, sondern jenes, bei dem Motor und Chassis am besten miteinander harmonieren. Wegen der großen Rolle der zweifachen Energierückgewinnung ERS und der ganzen Elektro-Technologie müssen alle Komponenten des Gesamtfahrzeugs miteinander in Einklang stehen. Und je mehr Zeit wir für diese Integration haben, umso besser dürfte das Endprodukt werden.“

Wie weit ist Renault mit der Arbeit am 2014er-Turbomotor?
„Wir befinden uns in einer aufregenden Phase: 30 Monate nach Projektstart und zehn Monate vor dem ersten Rennen. Wir haben uns selbst sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Unser Zeit- und Ressourcenmanagement ist darauf ausgerichtet, für unsere Partnerteams 2014 und darüber hinaus die bestmögliche Leistung zu erzielen. Anfang 2011 waren bei uns die ersten Einzylinder-Forschungsmotoren fertiggestellt, Mitte 2012 lief der erste komplette V6-Turbo als Demo-Aggregat für alle geplanten Technologien auf dem Prüfstand. Wir haben seitdem viel gelernt, große Durchbrüche erzielt und einige Rückschläge bewältigt. All dieses neue Wissen ist in die Konstruktion des jüngsten V6-Triebwerks eingeflossen, das in dieser Form voraussichtlich im Rennen eingesetzt wird. Dieses Aggregat soll im Juni erstmals laufen – exakt so, wie es unser Zeitplan von vornherein vorsah. Ab diesem Zeitpunkt konzentrieren wir uns voll auf die Performance-Entwicklung und die Freigabeprozesse, die vor dem ersten Rennstreckentest im Januar und dem Saisonauftakt im März 2014 nötig sind. Uns steht eine Menge Arbeit bevor, aber die Mannschaft in der Motorenentwicklung in Viry genießt die Herausforderung und gibt alles, um rechtzeitig rennbereit zu sein.“

Ist die Entwicklung eines völlig neuen, aufwändigen Motors ein Zeichen dafür, dass Renault sich langfristig zur Formel 1 bekennt?
„Renault hat mit seinem langjährigen Engagement bereits Entschlossenheit und Ausdauer bewiesen. Wir sind auch in der Königsklasse geblieben, als andere Hersteller sich zurückzogen. Statt ebenfalls auszusteigen und damit dem Sport und unserer Marke zu schaden, haben wir unsere Formel 1-Aktivitäten neu strukturiert. Mit der Konzentration auf die Rolle des Motorenpartners haben wir eine tragfähige Basis für eine langfristige Zukunft geschaffen, sowohl was die Kosten als auch den Gegenwert dafür betrifft. Wir haben in die Entwicklung des aktuellen V8 und in die Konstruktion des kommenden V6-Turbos viel Geld investiert – und selbstverständlich möchten wir die Früchte dieser Investitionen ernten. Die Entwicklung des neuen Aggregats kostet beträchtliche Summen. Solange wir davon überzeugt sind, dass wir von der Formel 1 technisch und aus Marketingsicht profitieren, solange ist dieser hohe Einsatz gerechtfertigt und solange werden wir auch dabei bleiben – und ich hoffe, das wird noch sehr lange sein.“