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Sonstiges
26.12.2015

Stierkampf mal anders

Motorsport XL taucht ein in die Welt der Supersportler. Ab sofort werden wir immer wieder einen dieser extremen Rennwagen für die Straße testen und hier vorstellen. Den
Auftakt macht der Lamborghini Huracán. Ein würdiger erster Kandidat für unsere neue Rubrik: XXL-Test.


Der Kampfstier Huracán kämpfte im August 1879 in Alicante, wo er ungeschlagen blieb“ – aha, das sagt also Wikipedia über den Namen des giftgrünen Supersportlers, der da friedlich im Fahrerlager des Nürburgrings für mich bereit steht. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Lamborghini Huracán am Ende des Tages auch mich besiegt hat.

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Zum Start des Tages gibt sich die Flunder handzahm. Per Knopfdruck entriegelt der Nachfolger des Gallardo nicht nur die Türen, er schwenkt auch automatisch die Türgriffe nach außen – so als wollte er mir zur Begrüßung die Hand geben. Ich nehme dankend an, steige ein und mache mich mit dem Innenraum vertraut. Das Innere dieses Stiers erinnert an das Cockpit eines Kampfjets. Ich habe selten so viele einzelne Knöpfe und Schalter in einem Auto verbaut gesehen und vor der ersten Fahrt muss man sich erst einmal an alles gewöhnen. Der wichtigste Knopf – der für den Start – sitzt unter einer roten Abdeckung, ganz wie das Waffensystem des besagten Flugzeugs.

Also, Deckel hoch, Bremse getreten und eingeschaltet. Was jetzt passiert, lässt sich kaum in Worte fassen. Der eben noch friedliche Lambo brüllt mich mit seinem V10-Aggregat an, als ob er zu früh geweckt worden sei. Nachdem er sich kurz geschüttelt hat, grollt er blubbernd und wartet auf meine Befehle mittels Gaspedal und Schaltwippen. Ein kleiner Zug mit der rechten Hand und im Bildschirm vor mir rutscht die Anzeige auf „1“. Ja, richtig gelesen: „Bildschirm“. Es gibt keine klassische Instrumententafel. Vielmehr wird hinter dem Lenkrad alles auf dem Display so angezeigt, wie man es gerne sehen möchte. Doch dafür habe ich jetzt keine Augen. Die ersten Meter rolle ich vorsichtig raus aus dem Fahrerlager in Richtung Landstraße. Mein Ziel: der Weg runter zur Autobahn 1. Eine kurze Warmlaufphase später kann es endlich richtig losgehen. Im Modus „Strada“ – am Lenkrad leicht einstellbar – cruist der Huracán auch im siebten Gang mit 50 durch die Ortschaften. Bei rund 1500 Touren kommt von hinten nur ein sanftes Schnurren, dessen grolliger Unterton aber nicht zu überhören ist. Ich wähle die Variante „Sport“ und weiß sofort, wo ich sitze. Der Rennstier schaltet drei Gänge runter und lässt ab sofort die Drehzahl kaum noch unter 4500 Umdrehungen fallen. Zudem ist aus dem Grollen ein Kreischen geworden – bei 50 Stundenkilometer wohlgemerkt.

Hinter mir ist die Straße frei, ich gehe vom Gas, was nochmal mit zwei Gangwechseln nach unten quittiert wird. Jedesmal mit einem ordentlich Stoß Zwischengas, schließlich soll auch jeder Außenstehende wissen, wer da um die Ecke kommt. Den Blick nach vorn, das Lenkrad fest im Griff, trete ich das Gaspedal voll durch. Die Anzeige schaltet runter in den ersten Gang, dann tritt mir jemand mit voller Wucht in den Rücken, während sich das Lenkrad gefühlt schon zehn Meter weiter vorn befindet. Einen Augenblick später stürmt die komplette Fuhre dermaßen nach vorne, dass einem Hören und Sehen vergeht. Wahnsinn! 3,2 Sekunden bis Landstraßentempo und nur 9,9 Sekunden auf 200 Stundenkilometer. Die nackten Zahlen sind längst nicht so krass, wie das Erleben dieser Beschleunigung. Auf freier Autobahnstrecke ist jenseits der 325 Schluss. Wobei ich es auf der A1 „nur“ bis 260 schaffe, schließlich bin ich an diesem morgen nicht allein.

Der permanente Allradantrieb sorgt für Grip ohne Ende und eine Kurvenfahrt, die bei diesem Tempo noch spielerisch anmutet. Doch ohne wäre es sicher auch schwer die 610 PS richtig zu bändigen. Mit rund 2,3 Kilo Leistungsgewicht, lässt man mit diesem Lambo so manchen Porsche oder Ferrari ganz alt aussehen. Rund um den Nürburgring sorgt dafür auch schon die Optik. Denn während Modelle aus Zuffenhausen oder Maranello schon fast zum alltäglichen Bild in der Eifel gehören, ist ein Lamborghini auch hier eine Rarität. Das merke ich bei jeder Pause. Immer wieder werden Handys gezückt um Fotos und Videos vom Huracán zu machen. Bei jedem Start verschwinden die Smartphones dann ganz schnell, um die Hände frei für die Ohren zu machen. Denn nicht nur ich im Innenraum, auch alle Zuschauer werden bei der Abfahrt vom Lambo einfach mal fauchend angeschrien. Aber das gehört bei diesem Gerät einfach zum guten Ton. Achso, ob mich der Lamborghini Huracán besiegt hat? Sagen wir mal so, ich würde es ein Unentschieden nennen.

Text: Martin Brock-Konzen
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