Rallye WM
20.04.2016
Citroën Racing: erster Test mit World Rally Car 2017
Die 55 Millimeter breitere Karosserie gibt mehr aerodynamische Freiheiten. So verfügt das neue Fahrzeug über eine Frontschürze mit einem Splitter, auffällige Luftein- und -auslässe, einen Diffusor und weitere Details. Kein Wunder, dass bereits Vergleiche zu den legendären Gruppe-B-Autos der 1980er-Jahre gezogen werden.
Der 1,6-Liter-Turbomotor mit Direkteinspritzung hat nun – wie die Citroën C-Elysée WTCC – einen Luftmengenbegrenzer mit einem Durchmesser von 36 Millimeter. Die dadurch auf 380 PS gesteigerte Leistung, das um 25 Kilogramm verringerte Gewicht sowie der Allradantrieb, der dank eines zentralen Differenzials eine bessere Traktion ermöglicht, werden die Fahrer vor neue Herausforderungen stellen.
Dank dieser Maßnahmen soll die neue Generation der World Rally Cars, die vom Weltautomobilsportverband FIA und den Herstellern entwickelt wurden, die Rallye-WM noch spektakulärer machen. Citroën ist fest entschlossen, mit dem Comeback im Jahr 2017 in dieser neuen Rallye-Ära Siege und Titel einzufahren.
Der erste Test des neuen Autos fand am Samstag, den 9. April auf dem Kurs in Versailles nahe der Fabrik von Citroën Racing in Satory statt. Testfahrer Alexandre Bengué legte die ersten Kilometer zurück. Am darauffolgenden Montag nahm Kris Meeke im Prototyp für einen weiteren Shakedown Platz. Das breite Grinsen des Nordiren nach seinem Einsatz unterstrich, wie viel Spaß ihm das Fahrzeug gemacht hat.
Unter der Leitung von Laurent Fregosi, dem neuen Technischen Direktor von Citroën Racing, absolvierte das Team anschließend in Südfrankreich die erste richtige Testsitzung. Projektmanager Alexis Avril und Chefingenieur Didier Clément wählten dafür die anspruchsvollen Straßen um das Château de Lastours und Fontjoncouse aus. Die steinigen Pisten, die sonst von Marathonrallye-Fahrzeugen genutzt werden, stellen große Herausforderungen an die Robustheit des Chassis, der Radaufhängung, des Getriebes und der Karosserie.
Um die aerodynamischen Besonderheiten des Fahrzeugs zu kaschieren, war die neueste Kreation von Citroën Racing mit einer speziellen Tarnfolie beklebt, deren rot-weiß-schwarzes Muster von der Citroën-Designabteilung entwickelt worden ist. Am 14. April um 9:12 Uhr begannen Kris Meeke und Co-Pilot Paul Nagle mit dem Testprogramm. Dieser Zeitpunkt markierte nicht nur für die mit dem Programm befassten Techniker und Ingenieure einen Meilenstein, sondern gleichzeitig für Citroën den Start eines neuen Abenteuers.
Das Augenmerk wurde dabei neben dem Aufdecken von Kinderkrankheiten auf verschiedene Set-ups und deren Auswirkungen auf das Fahrzeug gelegt. Am vierten Testtag übernahm Craig Breen das Steuer, um die bereits geleistete Arbeit mit seiner Erfahrung zu analysieren. Der talentierte Pilot des Teams Abu Dhabi Total WRT war von der Leistungsfähigkeit und dem Potenzial des neuen World Rally Cars ebenfalls begeistert.
Nach der Rückkehr des Teams nach Versailles begann die Auswertung der gesammelten Gigabyte an Daten, um sich auf den nächsten Test vorzubereiten.
Yves Matton: „Das Team hat toll gearbeitet“
Welche Bedeutung haben die ersten Testfahrten?
Yves Matton: „Sie sind eine wichtige Station in einem Projekt dieser Größe. Der Zeitplan in der Designphase war sehr eng. Dank unserer Expertise und Erfahrung hat das Team eine tolle Arbeit mit der Entwicklung des Autos nach dem neuen Reglement geleistet. Da unser Testprogramm im Zeitplan liegt und wir keine großen Probleme hatten, können wir uns nun mit den nächsten Schritten Zeit lassen. Um es noch einmal zu sagen: Das, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Citroën Racing geleistet haben, ist sensationell.“
Was waren Ihre Eindrücke, als Sie das Auto haben fahren sehen?
Yves Matton: „Wir wollten mit den neuen Regeln deutlich spektakulärere Autos schaffen und dieser Erwartung hat das neue World Rally Car entsprochen. Alles, was wir verbessern wollten – den Klang des Motors, den Eindruck der Geschwindigkeit und das aggressive Design – ließ sich bereits erkennen. Und dass, obwohl es der erst der allererste Test des Fahrzeugs war. Ich denke, die Rallyefans werden die neuen World Rally Cars mögen.“
Auch wenn dies beim Test nicht im Vordergrund stand, aber die neuen World Rally Cars sind auch deutlich sichererer ...
Yves Matton: „Die FIA arbeitet seit vielen Jahren an der Verbesserung der Sicherheit und wir haben diese immer unterstützt. Wir waren auf diesem Gebiet immer Vorreiter, auch wenn wir uns dadurch selbst Restriktionen auferlegt haben. Das wird auch mit dem neuen Auto, das deutlich sicherer als sein Vorgänger sein wird, so sein.“
Ist es ein Vor- oder Nachteil für Citroën Racing, sich in den vergangenen Jahren erfolgreich in der Tourenwagen-WM engagiert zu haben?
Yves Matton: „Wir haben uns nie weit von der WRC entfernt und ständig unser Wissen auf Stand gehalten. Unser WTCC-Programm ist ein Bonus, da es uns neue Herangehensweisen ermöglicht. Vorher hatten wir beispielsweise keine Erfahrung mit der Aerodynamik. Jetzt haben wir auf dem Gebiet viel Wissen angehäuft. Außerdem haben wir dort seit mehr als zwei Jahren Motoren eingesetzt, die eine ähnliche Leistung und Lebensdauer wie die neuen WRC-Motoren haben. Von all diesen Dingen werden wir in der weiteren Entwicklungsphase und beim Einsatz des Autos profitieren.“
Was sind die nächsten wichtigen Eckpunkte des WRC-Projektes?
Yves Matton: „Wir werden weiter auf Schotter testen und danach auch auf Asphalt. Einer der wichtigsten Momente wird sein, wenn wir beginnen, die Einsatzautos für 2017 zu bauen.“
Kris Meeke: „Es war wie ein Traum“
Beim ersten Test waren Sie von sehr vielen Technikern und Ingenieuren umringt ...
Kris Meeke: „Das ganze Team hat 100 Prozent gegeben. Das war fantastisch. Als ich vor zwei Jahren Mitglied von Citroën Racing geworden bin, hatte die WTCC Priorität und die WRC-Entwicklung war sehr eingeschränkt. Jetzt kann man jedoch die Energie bei den Ingenieuren spüren, die mit den in der WTCC gemachten Erfahrungen in die WRC zurückkehren. Das ganze Citroën-Racing-Team arbeitet auf vollen Touren und das motiviert mich, noch härter zu arbeiten. Zusammen können wir in der Zukunft etwas ganz Besonderes erreichen.“
Wie war Ihr erster Eindruck vom Auto?
Kris Meeke: „Es ist immer spannend, ein Auto das erste Mal zu fahren. Aber diesmal war es anders. Es ist der Beginn von einem neuen, großen Programm von Citroën Racing und der Start einer neuen WRC-Ära. Das machte diesen Moment so aufregend. Ich weiß, dass jeder sehr viel Arbeit in das neue Auto gesteckt hat. Es ist auch für mich etwas Besonderes. Wir beginnen jetzt mit einem neuen Abschnitt in der Fahrzeugentwicklung und in diesem bin ich gefordert.“
Die neue WRC-Generation wird mit den Gruppe-B-Autos verglichen. Was denken Sie darüber?
Kris Meeke: „Die Gruppe-B-Zeit ist eine Ära, auf die viele gern zurückblicken. Die Autos waren dank ihres mutigen Designs und der großen Spoiler sehr spektakulär. Wir kehren jetzt zu diesem Geist zurück – mit aggressiveren Autos als zuletzt, die zudem den technischen Fortschritt des Jahres 2016 widerspiegeln. Ich bin bereits zwei Gruppe-B-Autos gefahren. Man kann sie nicht vergleichen. Das Potenzial der neuen Autos ist unglaublich.“
Wie hat es sich angefühlt, im Auto ans Limit zu gehen?
Kris Meeke: „Dank der Motorleistung und der aerodynamischen Effizienz sind die Autos wirklich faszinierend. Nach meiner ersten Fahrt haben die Mechaniker meinen Gesichtsausdruck gefilmt. Ich habe es nicht gemerkt, aber mein breites Grinsen sprach Bände darüber, wie viel Spaß mir das Fahren gemacht hat.“
Ist die Leistungssteigerung gut für den Rallyesport?
Kris Meeke: „Ich habe immer gedacht, dass die Aerodynamik nicht zu wichtig werden sollte, damit der Rallyesport nicht wie Rundstreckensport wird. Ich denke, das Verhältnis ist ausgewogen, und dass es genauso viel Spaß macht, die Autos fahren, wie ihnen zuzuschauen. Aber ich denke, dass der Faktor Mensch wichtiger werden wird, als er es im Moment ist. Ich denke, dass die 2017er-WRC-Autos exklusiv der WM vorbehalten sein sollten – wie Formel-1-Rennwagen oder MotoGP-Motorräder.“
Neben der Leistungssteigerung sind die Autos auch sicherer geworden ...
Kris Meeke: „In jedem Jahr werden wir – auch wenn das Reglement gleich bleibt – etwas schneller. Man kann den Technologiefortschritt nicht aufhalten. Die neue Fahrzeuggeneration ermöglicht uns einen großen Schritt nach vorn in Sachen Sicherheit im Cockpit und bei seitlichen Aufprallen. Wir gehen in die richtige Richtung.“
Zum Schluss die wichtigste Frage: Wie hat sich Fahren auf Schotter angefühlt?
Kris Meeke: „Sofort nachdem wir losgefahren sind, hat es sich wie ein richtiges Rallyeauto – und ein gut designtes dazu – angefühlt. Ich war in die Entwicklung vieler Autos eingebunden. Eigentlich ist man bei den ersten Tests eher mit Warten als mit Fahren beschäftigt. Aber diesmal war ich in der Lage, viele Kilometer abzuspulen und Änderungen am Set-up vorzunehmen. Es war wie ein Traum.“