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Sonstiges
14.08.2018

Vier Serien – vier Boxenstopps: Tempo und Perfektion in allen Facetten

Perfekte Boxenstopps bilden in jeder Rennserie eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Während es in der DTM vor allem auf das Tempo beim Reifenwechsel ankommt, sind bei Langstreckenrennen wie den 24 Stunden von Spa-Francorchamps (BE) das richtige Timing und die Koordination der unterschiedlichen Abläufe entscheidend.

Neben dem Reifenwechsel wird nachgetankt, außerdem steigt ein neuer Fahrer ins Cockpit. Wir geben einen Überblick über die Boxenstopps in den verschiedenen Rennserien, in denen BMW M Motorsport engagiert ist, und vergleichen die Stopps bei den bevorstehenden DTM-Läufen mit denen in der FIA WEC, in der IMSA-Serie und beim 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps.


DTM

Team/Fahrzeug: BMW Team RBM / BMW M4 DTM

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Dauer: ca. 7 Sekunden reine Standzeit, kein Nachtanken erlaubt

Personen: 9 Teammitglieder direkt am Auto, dazu je eine Person am „Galgen“, an der Boxentafel und am Team-Funk sowie der Leiter des Stopps

Ablauf: Entscheidung zum Stopp, Anzeige an den Fahrer über die Boxentafel und Rückbestätigung per Funk, Funksignal an die Crew in der Box, Einweisen des Fahrers auf die Wechselposition, nach dem Bremsen Anheben des Autos mit dem Druckluftwagenheber und Lösen der Vorderräder, Wechseln der Vorderräder, Lauf der Mechaniker zum Heck, Wechseln der Hinterräder, Freigabezeichen der Schrauber, Ablassen des Autos, Losfahren und Kontrolle des Verkehrs in der Boxengasse über Funk und/oder den Lollipop-Mann

Speedlimit: 60 km/h (Norisring, Zandvoort und Brands Hatch 50 km/h)

Die Herausforderung: Die Boxenstopps sorgen in der DTM für eine große mentale und physische Anspannung für das ganze Team, da sie im ausgeglichenen Starterfeld rennentscheidend sein können. Deshalb gehören eine gute Vorbereitung und ständiges Boxenstopp-Training zum normalen Ablauf für alle Teammitglieder. Für die Fahrer ist es wichtig, die laut Reglement nicht mehr vorgewärmten Reifen nach der Rückkehr auf die Strecke so schnell wie möglich auf die richtige Temperatur zu bringen.

Die Fahrersicht – Philipp Eng (AT): „Der Boxenstopp hat in der DTM eine große Bedeutung. Die Leistungsdichte in der DTM ist sehr hoch, deswegen ist die Boxen-Crew gefragt. Man gewinnt und verliert immer gemeinsam. Wichtig ist erst einmal, dass man so spät wie möglich vor der Boxenstopp-Linie bremst und keine Zeit verschenkt. Beim Abbiegen aus der ‚Fast Lane' zu seinem Platz darf man nicht zu schnell reinfahren, weil es extrem wichtig ist, dass man genau am Lollipop anhält. Wenn das Auto dann in der Luft ist und die Jungs die Reifen wechseln, hat man schon ein Gefühl dafür, ob es schnell oder langsam geht. Wenn sie zur Hinterachse laufen, schaue ich schon mal in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass kein anderes Auto in der ‚Fast Lane' kommt. Und wenn das Auto dann runtergelassen wird, ist das mein Zeichen zum Gas geben.“


FIA World Endurance Championship

Team/Fahrzeug: BMW Team MTEK / BMW M8 GTE

Dauer: ca. 35 Sekunden Standzeit (abhängig von der Tankmenge)

Personen: 8 Teammitglieder am Auto (4 Mechaniker, 1 Lollipop-Mann, 2 Betanker, 1 Feuerlöscher)

Ablauf: Nachtanken, Reifenwechsel und Kontrolle zur gleichen Zeit, parallel ggf. Fahrerwechsel

Speedlimit: 60 km/h

Die Herausforderung: Die Konstanz der Boxenstopps über die gesamte Länge eines Langstreckenrennens und die perfekte Kommunikation zwischen Fahrer, Boxen-Crew und Ingenieuren, besonders bei ungeplanten Stopps, sind entscheidend. Bei 24-Stunden-Rennen kommt noch die Herausforderung eines Bremsenwechsels dazu.

Die Fahrersicht – António Félix da Costa (PT): „Boxenstopps in der FIA WEC sind eine echte Herausforderung, weil wir den Fahrerwechsel schneller durchführen müssen als die 35 Sekunden, die das Tanken dauert. In 25 Sekunden aussteigen, einsteigen und vor allem den neuen Fahrer gut und sicher anschnallen, das ist gar nicht so einfach. Das Training dieser Vorgänge ist eine unserer wichtigsten Aufgaben vor dem Rennen.“


IMSA WeatherTech SportsCar Championship

Team/Fahrzeug: BMW Team RLL / BMW M8 GTE

Dauer: 34 Sekunden per Reglement, wenn vollgetankt wird, bei geringerer Benzinmenge nicht limitiert, Reifenwechsel 16 Sekunden, Fahrerwechsel 20 Sekunden

Personen: 4 Teammitglieder am Auto (3 Reifenwechsler, 1 Betanker), dazu der zweite Fahrer, der beim Einsteigen und Anschnallen hilft

Ablauf: Nachtanken, Reifenwechsel und Kontrolle zur gleichen Zeit, parallel ggf. Fahrerwechsel, Starten des Fahrzeugs nach Reifenwechsel, noch während der Betankung

Speedlimit: 60 km/h (37 mph)

Die Herausforderung: Im Gegensatz zu allen europäischen Rennserien gibt es in den USA eine Pitwall, über die alle Beteiligten am Boxenstopp erst einmal springen müssen, bevor es losgeht. Es kommt vor allem auf die Konstanz und Sicherheit der Boxenstopps gemäß der vorherigen Planung an. Daher werden in jeder Session Boxenstopps und Abläufe trainiert, außerdem arbeiten alle Teammitglieder selbst an ihrer körperlichen Fitness.

Die Fahrersicht – Connor De Phillippi (USA): „Um dich herum scheint alles in Zeitlupe abzulaufen, weil es ganz still ist. Der Motor ist aus, und jeder da draußen macht seinen Job. Das Auto geht sehr schnell hoch, das spürt man richtig im Kreuz. Der Ingenieur gibt dem Fahrer und der Boxen-Crew die Informationen, wie viel Benzin schon getankt wurde und zählt die Zeit runter. Am Ende zieht dann der Mechaniker vorne rechts den Luftschlauch ab und das Auto fällt extrem schnell runter. Das ist fast wie in einer Achterbahn. Dann geht das Adrenalin wieder hoch.“


24 Stunden von Spa-Francorchamps (Blancpain GT Series)

Team/Fahrzeug: ROWE Racing / BMW M6 GT3

Dauer: ca. 35 Sekunden reine Standzeit (abhängig von der Tankmenge), es gibt eine vom Veranstalter für jede Strecke festgelegte Mindestzeit für den kompletten Boxenstopp inklusive An- und Abfahrt (in Spa sind dies 1:50 Minuten)

Personen: 8 Teammitglieder in der Boxengasse (1 Lollipop-Mann, 1 Scheibenputzer, 2 Reifenwechsler, 3 Personen für Tanken, Schlauchhalten und ggf. Feuerlöschen, 1 Bremsenkontrolleur), weitere 4 Mechaniker zum Annehmen der Reifen in der Box

Ablauf: Nachtanken, Reifenwechsel und Kontrolle zur gleichen Zeit, parallel ggf. Fahrerwechsel

Speedlimit: 50 km/h

Die Herausforderung: Die vorgegebenen Mindest-Boxenstoppzeiten immer möglichst genau zu treffen, um keine Zeit zu verlieren, und die Boxenstopps im Rennen strategisch und taktisch perfekt zu timen, etwa bei Gelb- oder Safety-Car-Phasen. Das betrifft zum einen den vorgegebenen technischen Stopp zwischen der 10. und 15. Rennstunde, der insgesamt mit An- und Abfahrt fünf Minuten dauern muss und der möglichst zum Bremsscheiben-Wechsel genutzt wird. Außerdem hat das Team in jedem Renn-Viertel – also einmal innerhalb von 6 Stunden – einen Joker-Pitstop, bei dem keine Mindestzeit vorgegeben ist. Hier lassen sich im Idealfall jeweils 10 bis 15 Sekunden gewinnen.

Die Fahrersicht – Jens Klingmann (DE): „Die Herausforderungen beim Boxenstopp in Spa beginnen schon mit der Boxengasse an sich. Es ist die mit Abstand längste Boxengasse im Rennkalender. Im Grunde sind es zwei, die auch noch durch eine enge Kurve miteinander verbunden sind. Dadurch haben wir eine lange Fahrzeit durch die Boxengasse, was dem Fahrer aber auch ermöglicht, noch einmal alles vorab zu checken. Beim Fahrerwechsel haben wir relativ viel Zeit, denn durch den Tankvorgang ist das Fahrzeug allein 30 Sekunden in der Box. Es ist in erster Linie wichtig, dass die Fahrer perfekt sitzen. Um die Mindestzeit von Boxeneinfahrt bis Boxenausfahrt möglichst genau zu treffen, gibt es eine Anzeige im Auto.“
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