TWL-Boss Jörg Hatscher: „DTM war nicht unser Umfeld”
Es gibt viel Bewegung rund um die Tourenwagen Legenden. Mit gleich drei Serien startet das TWL-Paket 2022 durch. Im Interview spricht Geschäftsführer Jörg Hatscher über die neue Saison, blickt zurück und räumt in Sachen Stammtischparolen auf.
Was gibt es Neues für die Saison 2022?
„Eigentlich gar nicht so viel. Die letzten drei Jahre TWL haben unseren Teilnehmern und dem Orga-Team jede Menge Spaß gebracht. Daher ging es in erster Linie darum, an kleinen Stellschrauben zu drehen. Eine große Revolution ist nicht notwendig. Wir haben unser Reglement nach oben hin geöffnet und lassen in der Klasse 1 fortan auch Boliden aus der ‚neuen‘ DTM ab 2000 zu. Ich muss dazu sagen, dass ich mich selbst gegen gerade diese Veränderung anfangs gesträubt habe, obwohl ich zwei einsatzbereite Fahrzeuge aus der Zeit besitze. Aber es gibt Interessenten und auch in unserem Orga-Team nicht wenige Befürworter. Ich bin in dieser Beziehung vielleicht Traditionalist, aber am Ende will ich mich ja auch nicht neuen Dingen verschließen. Die neue DTM hatte in den ersten Jahren auch tolle Autos und sie passen vom Leistungs-Niveau in die Klasse 1. Daneben ändern wir gemäß den im letzten Jahr gemachten Erfahrungen den Wertungsmodus leicht, um die Punkte noch fairer zu vergeben. Die Klassenstruktur wurde ebenfalls etwas optimiert und – das ist vielleicht das Wichtigste – wir fahren 2022 ausschließlich im Umfeld von ADAC-Veranstaltungen, beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring, beim ADAC GT Masters, beim ADAC Sachsenring Classic und den neuen ADAC Racing Weekends.”
Die TWL im Rahmen der DTM, das passte auf der einen Seite, auf der anderen auch wieder nicht… Wie fällt dein Fazit aus?
„Wir hatten 2021 tolle Veranstaltungen. Da will ich gar nicht drum herumreden. Allerdings war das stringente Umfeld der DTM für uns und unsere Teilnehmer nicht optimal – zu viel Bürokratie, zu wenig Geselligkeit. Als dann die ITR an uns herangetreten ist, dass sie die Serie künftig selbst ausrichten möchte, war für uns klar, dass der gemeinsame Weg mit der DTM genau hier endet. Für uns war es keine Option, die Serie einfach zu verkaufen, dafür steckt darin einfach zu viel Herzblut von meinem Team und mir drin. Wir haben mit der TWL eine Marke geschaffen, die für guten Sport und einen guten Umgang im Fahrerlager steht. Wir haben im Teilnehmerfeld normale Arbeiter, Angestellte und Unternehmer. Und wir verbringen gemeinsam unsere Wochenenden zusammen an der Rennstrecke. Da muss einfach die Chemie stimmen – und das ist bei der TWL der Fall. Uneingeschränkt. Auf der Rennstrecke fighten und abends zusammen feiern.”
Das heißt, du siehst den Wechsel in ein neues Veranstaltungspaket nicht als Rückschritt an?
„Auf keinen Fall. Die DTM ist die DTM. Und ich wünsche den Machern für die Zukunft viel Erfolg. Aber ganz ehrlich? Das war nicht unser Umfeld. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da. Klar, werden bei den ADAC Racing Weekends weniger Zuschauer vor Ort sein, als bei der DTM. Aber die Zuschauer sind für uns Fahrer am Ende nur das Sahnehäubchen. Der Hauptgrund, wieso wir den Sport betreiben, ist Spaß zu haben. Wenn dann noch Zuschauer vor Ort sind, ist das doppelt schön. Und das ADAC Racing Weekend bedeutet ja nicht ‚unter Ausschluss der Öffentlichkeit‘. Da sind richtig gute Serien neben uns mit von der Partie, die GTC, STT, DTC, der Tourenwagen Junior Cup und andere teils historische Formate. Das Publikum wird ein anderes sein, eher fachkundig. Und wer speziell für unsere betagten Schätzchen an die Rennstrecken kommen möchte, für den ist es künftig viel, viel preiswerter. Breitensport eben – back to the roots auch der DTM!”
Vor einigen Tagen dann die Nachricht: 2022 kommt noch eine weitere Serie hinzu. Wie kam es dazu?
„Wir wurden von verschiedenen Teilnehmern angesprochen, die z. B. in der Vergangenheit bei den Tourenwagen Classics am Start waren. Die Serie wurde an die DTM verkauft und einige Teams finden nun keinen Platz mehr. Man muss dazu wissen, dass sich die TWC von den Baujahren der Fahrzeuge her 2019 nach oben und nach unten geöffnet hat, um das potenzielle Teilnehmerfeld zu vergrößern. Innerhalb der TWL ist allerdings für 70er-Jahre-Tourenwagen und Cup-Porsche kein Platz. Wir haben uns dann dazu entschlossen, als Unterbau zur TWL neben dem Tourenwagen Revival eine weitere Rennserie zu etablieren. Die Namensgebung signalisiert dabei die Ausrichtung. Das ist kein Problem, denn die Tourenwagen Classics wurde ja verkauft und existiert nicht mehr. Es gibt auch keine Markenrechte oder Ähnliches, wie ich hier und da mal lese. Die reine Kombination zweier allgemeiner Begriffe ist in der Form nicht schützbar. So haben wir den Namen adaptiert. Nicht verkneifen konnten wir uns allerdings, den Fehler mit dem s am Ende zu korrigieren. Denn entweder ist es die ‚Tourenwagen Classic‘ oder es sind die ‚Touringcar Classics‘. Das hat mich schon gestört, als ich von 2016 bis 2018 selbst in der TWC gefahren bin.”
Es gibt allerdings auch Leute, die sagen, die TWC würde endlich wieder nach Hause kommen.
„Das kann ich nachvollziehen. Alexander Ferreira hat 2009 gemeinsam mit Freunden das Tourenwagen Revival ins Leben gerufen. Als die reinen Showruns zu einer sportlichen GLP umgewandelt wurden, war bereits ein Großteil unserer heutigen Orga und Rennleitung mit von der Partie. 2016 entstand da heraus dann die Tourenwagen Classics. Nach Vorkommnissen in der Saison 2018 – vor allem bei der Meisterfeier – waren viele Teilnehmer mit dem Konzept TWC unglücklich. Ich war einer von ihnen. Und als die Rufe nach einer Alternative lauter wurden, habe ich mich breitschlagen lassen. Einhundert Prozent der operativen Orga und die wichtigsten Sponsoren hatten der TWC den Rücken gekehrt. So auch einige Teilnehmer. Und mit Unterstützung von eben Alex Ferreira haben wir ein neues Projekt gestartet. So wie die ganzen Karnevals-Gesellschaften. Dort hat auch stete Teilung zu mehr Abwechslung geführt. Wir sind mit der Entwicklung der TWL seitdem äußerst zufrieden. Wir setzen auf Klasse statt Masse. Und wenn man gut haushaltet und nicht mit vollen Händen Geld rauswirft, kann man auch eine Rennserie mit im Schnitt 18 oder 20 Fahrzeugen kostendeckend betreiben. Wir brauchen keine Gewinne zu erwirtschaften, uns reicht am Ende eine schwarze 0. Wobei wir für 2022 schon 22 Einschreibungen und noch weitere Zusagen haben, sodass grade im Rahmen der neuen Formate auch dank der günstigeren Veranstaltungs-Kosten die Nenngelder für die Teilnehmer stabil gehalten werden können. Aber zurück zur TWC. Die hatte ja zwischenzeitlich auch den Besitzer gewechselt. Das Konzept, mit Fahrzeugen der 1970er bis hin in die tiefen 2000er Jahre – da muss sich jeder seine eigene Meinung bilden. Mir hat das nie gefallen für eine Serie, die ihren Schwerpunkt in den Achtzigern und Neunzigern kommuniziert. Fakt ist, dass die Serie nun bereits zum zweiten Mal verkauft wurde und nicht mehr existiert. Und das, was unsere Jungs damals ins Leben gerufen haben, kehrt jetzt in den Schoß der Familie zurück. Man kann also mit Fug und Recht sagen, die TWC kehrt heim.”
Welche Fahrzeuge werden in der neuen Tourenwagen Classic an den Start gehen?
„Wie der Name schon sagt: Tourenwagen Klassiker aller Couleur. Das wird eine bunte Mischung. Aber man muss das Konzept anders angehen. Wir schreiben die Tourenwagen Classic als nationale Serie aus. Das bedeutet, dass die Fahrer nur eine Nationale A-Lizenz brauchen, die verhältnismäßig einfach zu erlangen ist. Selbstverständlich kann man auch mit einer internationalen Lizenz teilnehmen. Ergebnisse in der TWC zählen übrigens beim Erwerb einer internationalen Lizenz. Es gibt in Deutschland zunehmend mehr automobile Enthusiasten, die Spaß an historischen Rennfahrzeugen haben. Und bewegt werden wollen die alten Schätzchen natürlich auch. Daher setzen wir die Hürde möglichst weit unten an, mit einem durchdachten und einfachen Reglement. Ich glaube dabei nicht, dass die neue TWC andere Serien – inkl. der TWL – kannibalisiert. Jeder, der bei uns fährt, soll einfach Spaß haben. Hier schließt sich auch der Kreis mit dem Tourenwagen Revival. Wer nicht zwingend Rennen fahren will ist dort bestens aufgehoben, wer ein bisschen sportlichen Ehrgeiz ausleben möchte, ist bei der Classic willkommen. In der neuen TWC werden genauso historische Tourenwagen der Siebziger, Achtziger und Neunzigerjahre zum Einsatz kommen, wie Cup-Fahrzeuge aus dieser Epoche. Und das Ganze findet immer im Umfeld der TWL/TWR statt – sprich wir haben unser Gemeinschaftszelt mit anständigem Catering vor Ort und wir können abends den Benzintalk pflegen. Die TWL bleibt das Premium-Produkt an der Spitze – hier feiern wir unverändert ausschließlich die DTM- und STW-Boliden.”
Alles in allem klingt das nach jeder Menge Stress. Wie sehr freust Du Dich auf den Auftakt?
„Wir haben eine Menge zu tun, das stimmt. Aber auf der anderen Seite machen wir das ja gerne. Da spreche ich vor allem auch für mein Orga-Team, das über die üblichen Arbeitszeiten hinaus auch noch Vollgas gibt. Dass wir jetzt eine Serie noch mehr zu betreuen haben, ist am Ende nicht das Problem. Wir haben sehr gute interne Strukturen, die problemlos skalierbar sind. Und wir haben wirklich großartige Experten in Sachen Sport und Technik im Boot. Von der Idee bis zur eingereichten Ausschreibung vergingen keine 14 Tage. So freue ich mich sehr auf die Saison. Ich werde hin und wieder selber ins Lenkrad greifen, aber nicht unbedingt bei jedem Rennen. Mir macht auch der Orga-Part eine Menge Spaß. Mit diesem Team und den tollen Teilnehmern, die wir haben, reise ich stets mit einem guten Gefühl an die Rennstrecke und am Sonntagabend wieder zurück.”