Freitag, 27. Dezember 2024
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Interview
28.11.2023

Meistermacher Peter Reicher – der Mann hinter Eastalent Racing

Als seine Heimat bezeichnet der 60-jährige Peter Reicher den kleinen Ort Leoben in der Steiermark, während er Kirchberg bei Mattighofen im Innviertel als seinen Lebensmittelpunkt und Zuhause in Österreich bezeichnet. Ein Mann, der seine Prinzipien, aber auch Ecken und Kanten hat. Ein Mann, der weiß, was er will, und vor allem weiß, was er nicht will. Ein Macher. Ein Meistermacher wie er im Buche steht, auch wenn er diese Bezeichnung nicht gerne hört. Doch vor wenigen Wochen gewann er mit seinem Team Eastalent Racing die internationale GT Open Meisterschaft. Im Interview bei ihm zu Hause in Kirchberg bei Mattighofen gab er einen kleinen Einblick in seine Vorstellung von einem Motorsport Team sowie seine Sichtweise der Dinge.

Peter, Motorsport scheint keine ganz einfache Sportart zu sein. Zumindest keine, die einfach zu planen ist. Wie kamst du auf die Idee ein Motorsport Team zu gründen?
Peter Reicher: „Die Frage gefällt mir so nicht wirklich. Die Menschen, die mich kennen wissen, dass ich gerne alles selbst in der Hand habe. Was oftmals den Eindruck hinterlässt, dass ich patriarchisch wäre. So zumindest wird es mir zugetragen. Das mag vielleicht in der ein oder anderen Sache stimmen, nur treffe ich meine Entscheidungen gerne selbst. Letztendlich bin ich der, der sein Portemonnaie öffnen darf. Meine Erfahrung in der Vergangenheit zeigte mir jedoch, immer wenn du in etwas investierst, musst du kompromissfähig sein, wenn du nicht der Eigentümer bist.“

Das bringt mich zu der Frage: Wie stark ist der Virus Motorsport in dir verankert?
Reicher: „Der Virus ist schon sehr lange in mir. Mir selbst ist es in den vergangenen Jahren nicht so aufgefallen, ich muss ihn wohl erfolgreich unterdrückt haben. Vor vielen Jahrzehnten gab es im Motorsport die Gruppe 5. Damals wollte ich mir einen Ford Escort RS2000 im Gruppe 5 Trimm kaufen. Lumpige 12 000 Schilling fehlten, die mir niemand borgen oder leihen wollte. Nur als Vergleich. Zu diesem Zeitpunkt kostete eine Semmel wenige Groschen. Also ein Größenverhältnis, das selbst ein Arbeiter im Monat nicht verdiente.“

Nun hast du ja seit über 10 Jahren erfolgreich für die Motorsport Ausbildung deines Sohns Simon gesorgt. Wie wichtig ist dir der Erfolg für Simon? Und geht Vater und Sohn als Kombination gut?
Reicher: „Mir war es die ganzen Jahre wichtig, dass Simon für all die Jahre des Fleißes und des generellen Engagements den Lohn seiner Arbeit einfährt. Es war mir wichtig, dass er weiß, wofür er und wir die ganzen Jahre gearbeitet haben. Man kann den Kartsport bewerten, wie man möchte. Für mich war der Kartsport nicht mehr und nicht weniger als die Volksschule, oder wie man bei Euch in Deutschland sagt, die Grundschule des Motorsports. Da kann man sich die ersten Sporen verdienen bzw. in den Motorsport reinschnuppern. Wenn Du heute in einer der hochkarätigen Kartserie fährst, selbst eine Europa- oder Weltmeisterschaft, kannst Du Dir mit einem Meistertitel nichts kaufen. Lediglich die Anerkennung Deiner Mitbewerber ist Dir sicher. Meine Philosophie ist, dass Du mit der ganzen Sache den Einstieg in ein geregeltes Motorsportleben schaffst. Gewisse Abläufe und Funktionen verstehst: Ablauf innerhalb des Teams, der Veranstaltung und was man persönlich mitbringen muss. Diesen Ablauf im Kartsport musst Du dann auf das größere Umfeld im Automobilsport übertragen. Das beginnt mit einem kleinen Auto im Zelt inmitten des Fahrerlagers bis hin zu einem größeren Fahrzeug in einer eigenen Box. Ich halte das Lernen dieser Abläufe grundsätzlich für wertvoll. Gleichzeitig ist es wichtig Erfolge zu haben, da ich den finanziellen Einsatz bringe und mit diesem Geldeinsatz möchte ich nicht nur einen ideellen Wert generieren, sondern auch sehen was dabei unterm Strich rauskommt. Und da rede ich noch nicht einmal davon, dass der Aufwand sich zu einer Nullnummer entwickelt. Der Einsatz präsentiert sich dann mit einem guten Ergebnis. So wie in unserem Beispiel, dass wir in diesem Jahr die internationale GT Open Meisterschaft gewonnen haben. Als ich Eastalent Racing gründete, gab ich mir auf der Zeitachse drei Jahre. Drei Jahre, in denen sich der Erfolg einstellen sollte. Drei Jahre in denen sich das Team einen Namen erarbeiten sollte. Das uns das bereits im zweiten Jahr gelungen ist, ist natürlich hoch erfreulich.“

Du überraschst immer wieder mit neuen Ideen und Ansätzen. Woher kommt dieser Antrieb?
Reicher: „Ich glaube das kommt aus meiner aktiven Zeit als Dienstnehmer, wo ich feststellen musste, dass ich eigentlich mit meinem Fleiß, meiner Arbeit und meinem Denken immer eine Gefahr für meine Vorgesetzten war. Später ist mir dann auch klar geworden, solange ich eine Gefahr für die vor mir bin, werde ich in meinem Leben nicht weiterkommen. Deshalb habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Mir wurde bewusst, dass ich mit dem gleichen Einsatz, der gleichen Disziplin und der gleichen harten Arbeit in meinem Leben mehr erreichen werde. Ich glaube die meisten schätzen mich legere ein, ohne zu wissen, wie viel Disziplin und harte Arbeit ich einbringe. Die, die mit mir arbeiten, wissen um diesen Umstand und können mit meinem geordneten Chaos umgehen.“

Der Entschluss die ADAC GT Masters nicht mehr fortzusetzen, scheint ja die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Wie kam es dazu? 
Reicher: „Grundsätzlich muss man sagen, dass die ADAC GT Masters eine anspruchsvolle Veranstaltung auf hohem Niveau war. Da sich der ADAC jedoch neu ausgerichtet hat, kamen wir zu dem Entschluss, dass man nicht alles mitmachen muss. Für ein Team, das sich im Aufbau befindet und mit unserer Größe noch nicht über die größte Ingenieurs-Kapazität verfügt, ist es fast unmöglich, in einer Klasse anzutreten, die mehr oder weniger reiner Werkssport ist. Oder anders formuliert, gegen andere Teams anzutreten, die von Werken unterstützt werden. Wer kennt Eastalent Racing? Wer hätte etwas auf unseren Audi gesetzt? Das war der Grund, warum für uns z.B. die DTM nicht in Frage kam. Ich kann den ADAC gut verstehen, dass er gewisse Dinge einhalten muss, dass der ADAC das Geld seiner Landesverbände braucht, um diese Meisterschaft durchzuführen. Rückblickend sind wir jetzt in der internationalen GT Open auf hervorragenden, internationalen Rennstrecken unterwegs, die das höchste Niveau der Formel und GT3 Strecken darstellen. Nachdem wir diese guten Erfahrungen machen durften, verspüren wir keine Lust auf den kleinen Rennstrecken zu fahren. Ich denke das wird früher oder später auch auf die DTM zukommen länderübergreifend anzutreten, um verloren gegangene Akzeptanz für unseren GT3 Motorsport zurückzugewinnen. Generell ist gegen das Format nichts zu sagen, jedoch können wir uns das im Moment nicht leisten. Das ADAC GT Masters ist ein Projekt, was in seiner jetzigen Form langsam zu Tode gefahren wird und auch in Zukunft keine Berechtigung mehr haben wird. Ich gehe davon aus, dass sich im kommenden Jahr das ein oder andere enttäuschte DTM oder GT Masters Team überlegen wird in eine der beiden internationalen GT3 Klassen zu wechseln, weil für Privateers der Einsatz mit zwei Fahrern unter Umständen finanziell attraktiver ist als reiner Werkssport.“

Der Gewinn der internationalen GT Open in diesem Jahr stellt ja eher eine Überraschung als Kalkül dar. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet?
Reicher: „Also aus meiner Sicht ist es keine Überraschung. Insgeheim bin ich schon mit dem Ziel angetreten, ein Wörtchen in der Titelentscheidung mitzureden. Ich hatte das Glück, dass ich von Audi Sport Customer Racing mit meinem Wunschfahrer Christopfer Haase unterstützt wurde. Das hat dafür gesorgt, dass Eastalent-Racing schneller wachsen konnte mit höchst professionellen Prozessen. Ich bin Christopher gegenüber sehr dankbar, dass er sein Wissen, seine Erfahrung und Routine eingebracht hat. Er hat auch seinen Teamkollegen Simon geformt, und seine Anwesenheit hat es mitermöglicht, die richtigen Ingenieure an Bord zu bringen sowie den Mechanikern unter die Arme zu greifen. Unterm Strich kann man sagen, dass in unserem kleinen Privatteam die Professionalität Einzug gehalten hat. Auf diesem Level werden wir uns nicht ausruhen, wir wollen da noch einen obendrauf setzen. Das ist mein großes Ziel, damit wir auch für große Partner interessant werden und den Kundensport ausbauen können. Es wäre schön, wenn auch andere Fahrer Eastalent Racing auf dem Schirm haben. Auch dank unserer beiden festangestellten Mechaniker und Freelancer, darunter unser Chefmechaniker Sebastian, der für diese geniale Vorbereitung unseres Autos gesorgt hat, haben wir dieses Level erreicht. Für ihn ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. Auch die Tatsache, dass er in diesem Jahr Vater wurde, hielt ihn nicht davon ab jeden Samstag und Sonntag in der Werkstatt am Auto zu verbringen. Er wollte Erfolge feiern. Mit solch engagierten Mitarbeitern kannst du gewinnen und das ist mir ganz wichtig“

Welche Aufgaben warten auf das Team in der Saison 2024? 
Reicher: „Aus heutiger Sicht sieht mein erstes Ziel so aus, dass wir in der internationalen GT Open 2024 zur Mission Titelverteidigung antreten werden. Das ist mir ein persönliches Anliegen. Auch wenn sich die internationale GT Open vergrößert und noch mehr professionelle Fahrer in die Serie kommen, glaube ich mit unserer Fahrerpaarung auch in 2024 ein Wörtchen mit reden zu können. Mein zweiter Wunsch unserer Mission Titelverteidigung ist das nötige Know-how für weitere Rennklassen oder Serien zu sammeln, damit wir uns auch dort empfehlen können. Der Anspruch in die GT World Series zu gehen ist meiner Meinung nach nicht unverschämt. Egal wie die Rennserien alle heißen, für mich ist die GT World Series die Formel 1 des GT Sports. Das ist für Eastalent Racing das erklärte Ziel. Ausrüstungstechnisch sind wir mit den heurigen Investitionen sehr gut aufgestellt. Wir sind auf dem letzten Stand der Technik, alles wurde neu angeschafft. Jetzt fehlt uns nur noch die Routine und die Erfahrung, um Abläufe für z.B. perfekte Boxenstopps zu optimieren, statt dabei 10 Plätze zu verlieren, wie es in der GT World Serie ganz schnell passieren kann. Das zweite Ziel wäre für mich ein absolutes Highlight. Ich würde sehr gerne das Team für das 24 Stunden Rennen am Nürburgring aufstellen. Ich glaube auch, dass das Event in 2024 ein absolutes Novum auf dem Planten Motorsport sein wird, da die SRO als Teil der Intercontinental GT Challenge Ausrichter der Veranstaltung ist. Ich gehe davon aus, dass wir am Ring eine sehr große Teilnahme von GT3 Autos sehen werden, wie wir es sonst nur aus Spa Francorchamps gewohnt sind. Mit den kleinen Autos wird es dann eine Riesenherausforderung werden die 24 Stunden zu bestehen. Klasse wäre es, wenn wir den ein oder anderen Partner mit an Bord ziehen können. Denn auch wenn ich mit meiner Firma recht umtriebig bin, muss ich sehen, dass ich alle Projekte am Leben und gesund halte. Sonst bringt das alles nichts.“
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