Formel 1
25.07.2012
Renault Sport F1: Vorschau auf den Ungarn Grand Prix
Die winklige, 4,381 Kilometer lange Strecke ähnelt einer überdimensionalen Kartbahn – eine Kurve folgt der anderen. Abgesehen vom Stadtkurs in Monaco ist der Hungaroring im Rundenschnitt der langsamste aktuelle Grand Prix-Kurs. Für die Motoren-Ingenieure steht daher die kraftvolle Leistungsabgabe im unteren Drehzahlbereich sowie die leichte Fahrbarkeit der 2,4-Liter-Achtzylinder im Mittelpunkt.
Für Autos mit Rennmotoren von Renault ist der Hungaroring offenbar ein gutes Pflaster: Beim Debüt der Strecke 1986 sicherte sich Ayrton Senna im Lotus 98T mit dem berühmten 1,5-Liter-V6-Turbo die erste Pole-Position. Der erste Sieg folgte 1990, als Thierry Boutsen in seinem Williams-Renault FW13B mit dem revolutionären V10-Saugmotor triumphierte. Seitdem hat Renault weitere sechs Siege in Budapest erzielt, darunter 1995 bis 1997 drei in Folge. 2003 gewann Fernando Alonso hier seinen ersten Grand Prix und den ersten für das damalige Renault F1 Team. Der jüngste Erfolg geht auf das Konto des Partnerteams Red Bull Racing, für das Mark Webber 2010 auf dem Hungaroring siegte.
In diesem Jahr jährt sich in Ungarn ein historischer Meilenstein: 1992, also vor genau 20 Jahren, sicherte sich Nigel Mansell die Fahrer-Weltmeisterschaft. Sein Team Williams-Renault gewann zugleich die Konstrukteurs-Wertung – es waren die ersten beiden Formel 1-Titel für die französische Marke.
Der Große Preis von Ungarn im Überblick
Die Spitzenleistung des Renault RS27-V8 steht in Ungarn nicht im Vordergrund, weil das Rennen mit rund 182 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zu den langsamsten der Saison gehört. Lediglich auf der 790 Meter langen Start-Ziel-Geraden und auf dem Geradeausstück zwischen den Kurven drei und vier erreichen die Triebwerke überhaupt das Drehzahllimit. Nur während 55 Prozent der Runde sind die Drosselklappen voll geöffnet, ein ähnlicher Wert wie in Singapur.
Ein wichtiges Thema ist die Konfiguration der Kühlsysteme. In den vergangenen Jahren lag die Lufttemperatur im Schnitt bei 26 Grad Celsius. Hinzu kommt der Stop-and-Go-Charakter der Strecke – die Motoren bekommen kaum einmal Gelegenheit, bei kühlendem Fahrtwind „durchzuatmen“.
Der zweite Sektor ist der kurvigste Streckenabschnitt. Hier fahren die Autos praktisch alle Biegungen im dritten Gang und erreichen dabei nicht mehr als 245 km/h. Alle Kurven scheinen ineinander überzugehen. Turn fünf ist ein endlos langer Rechtsbogen und eine wahre Geduldsprobe – hier dürfen die Fahrer nicht zu früh wieder aufs Gas steigen, weil unzählige Bodenwellen die Fahrzeugbalance stören können.
Eine weitere Besonderheit des Hungarorings ist seine Lage in einem Talkessel inmitten einer trockenen, vegetationsarmen Landschaft. Sand und Staub wirbeln durch die Luft und können die beweglichen Teile der Motoren gefährden oder zu erhöhtem Verschleiß führen. Renault Sport F1 baut daher selbst entwickelte Filter ein, die auf Luftfiltern für Wüstenrallyes basieren und die Partikel wirkungsvoll von den Aggregaten fernhalten.
Der Hungaroring aus der Sicht des Fahrers
Pastor Maldonado, Williams F1 Team: „Auf dem Hungaroring musst du dich sehr gut konzentrieren, weil die Kurven flüssig ineinander übergehen, besonders im zweiten und dritten Sektor. Es fühlt sich an, als ob du nie richtig auf Tempo kommst, weil du immer gerade in die nächste Kurve einlenkst. Aber ein kraftvoller Motor ist trotzdem wichtig, weil du dich darauf verlassen musst, Power zu bekommen, wenn du sie brauchst. Gerade in den langsamsten Passagen ist hier die meiste Zeit zu holen.“
Der Hungaroring aus der Sicht des Motoren-Ingenieurs
Rémi Taffin, Leiter des Renault Sport F1 Einsatzteams: „Nach Hockenheim, einem recht schnellen Kurs, folgt nur eine Woche später der zweitlangsamste. Wegen der großen Zahl enger Kurven und der Abwesenheit langer Geraden spielt die Spitzenleistung unseres RS27-V8 an diesem Wochenende keine besondere Rolle. Stattdessen arbeiten wir an gutem Drehmoment bei niedrigen Geschwindigkeiten. Deswegen wollen wir erstens guten Grip und Traktion beim Gasgeben und zweitens ein stabiles Heck beim Bremsen erzielen. Im Sinne einer guten Beschleunigung verwenden wir in Ungarn relativ kurze Getriebeübersetzungen.
Auf dieser Stop-and-Go-Piste liegt der Kraftstoffverbrauch pro Kilometer relativ hoch. Folgerichtig werden die Autos am Start eine überdurchschnittlich schwere Spritladung mitführen. In diesem Jahr beeinflussen sich Rei-fenverschleiß und Kraftstoff gegenseitig sehr stark. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass wir in der Schlussphase des Rennens nicht mit zuviel oder zuwenig Sprit unterwegs sind. Die Art der einzelnen Kurven unterscheidet sich stark: In einigen bleiben die Fahrer bis über den Scheitelpunkt hinaus auf Halbgas, in anderen ist das klassische Bremsen, Einlenken, Gasgeben angesagt. Diese Unterschiede ermöglichen eine gewisse Flexibilität in der Kraftstoffstrategie.
Üblicherweise ist es beim Ungarn-Grand Prix sehr heiß – auch wenn wir in dieser Saison anscheinend vom Regen verfolgt werden. Die hohen Lufttemperaturen und das langsame Durchschnittstempo verlangen naturgemäß nach einer effizienten Motorkühlung. Weil die Teams hier jedes einzelne Kilo aerodynamischen Abtrieb brauchen, können wir nicht einfach hingehen und die Kühlöffnungen vergrößern. Wir haben die Motorenspezifikationen für den Hungaroring deshalb auf unseren Prüfständen in Viry intensiv im unteren Drehzahlbereich und bei hoher Umgebungstemperatur vorbereitet. Wenn das Rennen erst einmal läuft, können wir kaum noch etwas an den Kühlmitteltemperaturen ändern, es ist also entscheidend, dass wir die Kühlung in den Freitagstrainings in den Griff bekommen.“