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Formel 1
23.05.2013

Der Circuit de Monaco – drei entscheidende Passagen

Der Große Preis von Monaco zählt traditionell zu den Highlights der Formel 1-Saison. Das Rennen im Leitplankenkanal des mondänen Fürstentums an der Côte d’Azur verspricht reichlich Action. In den vergangenen drei Jahren dominierte der Renault RS27-V8 das Geschehen zwischen den berühmten Kurvenpassagen „Sainte Devote“, „Mirabeau“ und „Rascasse“.

2010 trug sich Red Bull-Renault Pilot Mark Webber in die Siegerliste ein, 2011 gewann sein Teamkollege Sebastian Vettel das prestigeträchtige Rennen und in der vergangenen Saison erhielt erneut Mark Webber den begehrten Pokal aus den Händen von Fürst Albert II. von Monaco.

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Sainte Devote bis Casino

Der Anlauf bis zur ersten Kurve, der sogenannten „Sainte Devote“, ist von der ersten Startposition aus mit lediglich 140 Metern so kurz wie auf keiner anderen GP-Rennstrecke – und der Pole-Position-Inhaber benötigt hierfür nach dem Erlöschen der Ampeln kaum mehr als vier Sekunden. Zu wenig, um den Zusatzschub des regenerativen KERS-Systems voll zur Geltung zu bringen. Dies gilt jedoch nicht für die Fahrzeuge, die weiter hinten im Feld starten und unter Umständen bereits auf den ersten Metern vom KERS profitieren können. Vor der „Sainte Devote“ bremsen die Piloten bis auf 105 km/h herunter. Bereits kurz danach beschleunigen sie ihre Boliden auf dem Anstieg durch „Beau Rivage“ bis hin zum Casino wieder voll durch.

Bei der Anfahrt von der ersten Kurve bis zum Casino überwinden die Teilnehmer in nur zehn Sekunden 30 Höhenmeter. In dieser Passage kommt es vor allem auf einen reaktiv ansprechenden Motor an. Die Ingenieure von Renault passen die Kennfeldsteuerung des RS27 so auf die besonders kurze Übersetzung des Getriebes an, dass exakt beim Anbremspunkt der folgenden Linkskurve die Drehzahlgrenze erreicht wird. Die Auffahrt bietet eine gute Gelegenheit, den KERS-Extraschub einzusetzen – auch wenn sich der Effekt dieses System angesichts der steilen Steigung weniger effizient auswirkt. Um in diesem Streckenabschnitt überholen zu können, müssen die Piloten optimal aus der „Sainte Devote“ herausbeschleunigen. Die passende Abstimmung der Gaspedal- und Motorkennfelder ist daher von essenzieller Bedeutung.

Grand Hotel-Haarnadelkurve

Nach der „Mirabeau“-Rechtskurve führt die Strecke steil bergab in Richtung der „Grand Hotel“-Spitzkehre. In dieser engen Haarnadelkurve erreichen die Achtzylinder die geringste Drehzahl der gesamten Saison – mehr als 44 km/h oder 7.000 Touren lässt die 180-Grad-Passage selbst für Formel 1-Rennwagen nicht zu. Es gibt übrigens auch keine zweite Kurve, in der die Fahrer am Volant umgreifen müssen, um einen genügend großen Lenkwinkel aufzubauen.

Auch hier steht die optimale Abstimmung der Gaspedal- und Motorkennfeldlinien im Fokus. Manche Piloten kuppeln an dieser Stelle sogar kurz aus, um beim Durchfahren der Spitzkehre ein ungewolltes „Anschieben“ des Motors zu verhindern. Denn in dieser sehr engen Passage kann der kleinste Gasstoß eine Kollision mit einem Konkurrenten oder mit der Mauer zur Folge haben. Der Schlüssel zu einem möglichen Zeitgewinn liegt hier vor allem im passenden Motor-Mapping.

Tunnel und anschließende Links-Rechts-Schikane

Abgesehen von der kurzen Start-Ziel-Geraden bietet die Passage durch den Tunnel die einzige Möglichkeit, in der die schnellen Einsitzer so richtig auf Tempo und Drehzahl kommen. Dabei biegen die Piloten in der „Portier“-Rechtskurve im zweiten Gang auf die Uferstraße ab und schalten das Getriebe unter Vollgas bis in die höchste Stufe durch. Hier zählen vor allem eine gute Traktion und ein kraftvoller Motor. Bis zur anschließenden Schikane sind es nur 670 Meter oder acht bis neun Sekunden.

Kurz vor dem Bremspunkt erreichen die Formel 1-Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von rund 280 km/h. Theoretisch böte sich auf der langen Geraden durch den Tunnel die Möglichkeit zum Einsatz des KERS-Systems. Im Rennen nutzen die Piloten den zusätzlichen Schub jedoch nur dann, wenn sie sich im direkten Zweikampf gegen einen herannahenden Konkurrenten verteidigen müssen. Denn wer hier überholen möchte, muss zwangsläufig die saubere Ideallinie verlassen und riskiert somit einen Highspeed-Abflug.

Der Tunnel-Abschnitt – auf dem die Fahrzeuge ihren Top-Speed erreichen – ist eine von wenigen Gelegenheiten auf dem Circuit de Monaco, auf dem die V8-Aggregate mit Frischluft versorgt werden können. Allerdings ist die Qualität der Luft hier alles andere als optimal. Tatsächlich staut sich in dem Bauwerk verbrauchte Abgasluft. Die ist eher sauerstoffarm und zudem ver-gleichsweise heiß.

Der Grand Prix von Monaco aus der Sicht des Motoren-Ingenieurs

Rémi Taffin, Leiter des Renault Sport F1 Einsatzteams: „Der Kurs von Monaco stellt höchste Ansprüche an die richtige Abstimmung von Motor und Motormanagement. Bei keinem anderen Grand Prix verwen-den die Ingenieure von Renault Sport F1 so viel Zeit für die Vorbereitung auf diese ganz spezielle Strecke. Im Gegensatz zu vielen anderen aktuellen Formel 1-Strecken stehen beim Set-up für das Rennen in Monte Carlo maximaler Abtrieb und eine bestmögliche Balance bei niedrigen Geschwindigkeiten im Fokus. Denn die Durchschnittsgeschwindigkeit, die die Formel 1-Piloten im Leitplankenkanal erreichen, ist mit rund 160 km/h die niedrigste der gesamten Grand Prix-Saison. Auch die Top-Speeds bleiben mit bis zu 280 km/h, die die Formel 1-Boliden am Ausgang des Tunnels erreichen, weit hinter sonst üblichen Werten zurück. Zum Vergleich: Beim Großen Preis von Spanien pfeilten die Teilnehmer dank flachgestellter Flügel mit bis zu 315 km/h auf das Ende der Start-Ziel-Geraden zu. Lediglich 35 Prozent pro Runde stehen die Fahrer in Monaco voll auf dem Gas – auf anderen permanenten Rennstrecken schnellt dieser Wert gut und gerne auf 70 Prozent hoch.

Unser Fokus liegt daher auf optimaler Fahrbarkeit bei niedrigen Drehzahlen. Gleichzeitig müssen wir die Getriebeabstimmung jedoch so anpassen, dass die Fahrer zwischen den einzelnen Kurven effizient beschleunigen können. Darüber hinaus widmen wir einen Großteil unserer Aufmerksamkeit auch der effizienten Kühlung. Denn aufgrund der zahlreichen langsamen und mittelschnellen Kurven auf dem Circuit de Monaco wird der Motor nur mit wenig Kühlluft versorgt und kann eigentlich nie wirklich ,verschnaufen‘. Das erhöht die Gefahr einer Überhitzung. Um ein thermisches Problem des Motors zu verhindern, können wir jedoch nicht einfach zusätzliche Kühlluftöffnungen oder Lüftungsschlitze in die Karosserie schneiden. Zumal selbst die langsamen Kurven maximalen Anpressdruck erfordern.

Eine weitere Besonderheit, die die RSF1-Ingenierue berücksichtigen müs-sen, sind die zahlreichen Fahrbahnunebenheiten auf dem Straßenkurs von Monaco. Gullydeckel, lackierte Flächen und mehrere große Bodenwellen sorgen dafür, dass die Motoren weitaus öfter in den Drehzahlbegrenzer laufen als auf permanenten Rennstrecken. Entsprechend bemüht sind die Fahrer, den übelsten Unebenheiten aus dem Weg zu gehen. Besonders markant für dieses Vorhaben ist der weite Schlenker, mit dem sie zwischen Casino und der „Mirabeau“-Rechtskurve von der Ideallinie abweichen. In dieser Passage entscheiden sie sich also eher für die „logischere“ Linie. Denn würden sie einfach über die Bodenwelle fahren, wäre der Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn kurz unterbrochen.

Dieses Springen führt dazu, dass die Autos einerseits Zeit verlieren und auf der anderen Seite die Motoren im Verlauf einer Runde immer wieder für einen kurzen Moment in den Drehzahlbegrenzer schnellen. Über die gesamte Renndistanz kann dies im schlimmsten Fall zu einem Motorschaden führen. Über den ganzen Kurs verteilt gibt es mehrere solche Fahrbahnunebenheiten. Allerdings können die Piloten nicht um alle Bodenwellen Slalom fahren. Daher passen wir die Schaltpunktanzeige im Cockpit entsprechend an und ermutigen die Fahrer dazu, früher hochzuschalten.

Bei der Motorabstimmung arbeiten wir sehr eng mit den einzelnen Fahrern unserer Partnerteams zusammen. Im Idealfall funktioniert unser RS27-V8 so gut, dass der Pilot keine Änderungswünsche äußert, weil er vollstes Ver-trauen in das Triebwerk und die Motor-Mappings hat. Kurz gesagt: Wenn Dir das gelingt, dann weißt Du, dass Du Deinen Job perfekt erledigt hast.“

Fakten zum Circuit de Monaco in Monte Carlo, Monaco
  • Länge (km): 3,340
  • Durchschnittsgeschwindigkeit im Rennen (km/h): 153
  • Topspeed (km/h): 279
  • Vollgasanteil (%):34
  • Kraftstoffverbrauch (kg pro Runde): 1,5
  • Kraftstoffverbrauch (Liter pro 100 km): 64
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