„Automatisiertes Fahren kann die Zahl der Unfälle drastisch senken und sorgt damit für deutlich mehr Sicherheit im Straßenverkehr“, so Denner. „Ein verbesserter Verkehrsfluss senkt darüber hinaus den Verbrauch.“ Bereits heute übernehmen Assistenzfunktionen unterschiedlichste Fahraufgaben. Noch leistungsfähigere Systeme werden in Zukunft den Autofahrer immer umfassender unterstützen und so Schritt für Schritt den Weg zum vollautomatisierten Fahren bereiten.
Der Bosch-Chef beleuchtete den Nutzen des automatisierten Fahrens sowie die noch zu lösenden Herausforderungen. „1,2 Millionen Leben zu retten, ist eine immense Motivation“, sagt Denner und verweist damit auf die geschätzte Zahl der jährlichen Verkehrstoten weltweit. In Deutschland beispielsweise werden nahezu 90 Prozent aller Verkehrsunfälle vom Fahrer verursacht. Hier kann eine umfassende Unterstützung in kritischen Situationen sowie bei monotonen Fahrsituationen die Verkehrssicherheit deutlich erhöhen. Automatisiertes Fahren ist aber auch wirtschaftlich. Auf Basis aktueller Verkehrsdaten kann es den Verkehrsfluss verbessern und so den Kraftstoffverbrauch jedes Fahrzeugs senken. Und nicht zuletzt: „Automatisiertes Fahren hält auch ältere Menschen mobil und leistet damit einen wichtigen sozialen Beitrag“, sagt Denner.
Automatisiertes Fahren kommt Schritt für Schritt
Seit über zehn Jahren hält die Adaptive Cruise Control bereits selbstständig die Geschwindigkeit und den Abstand zum Vordermann. Aktuell am Start ist der Stauassistent, der das Fahrzeug bis zu Geschwindigkeiten von rund 60 km/h auch in der Spur hält. Diese Unterstützung wird Schritt für Schritt weiter ausgebaut. „Spätestens 2020 ist das hochautomatisierte Fahren serienreif, in der nächsten Dekade folgt das vollautomatisierte Fahren“, prognostiziert Denner. Muss der Fahrer beim Erstgenannten das Fahrzeug nach kurzer Zeit noch übernehmen können, kann er sich im vollautomatisierten Modus zumindest auf Autobahnen durchgängig fahren lassen. Zeitlich sogar noch früher automatisiert Bosch das Parken. Demnächst steuert Bosch-Technik das Auto fahrerlos per Smartphone-App in die freie Lücke und in einigen Jahren findet es im Parkhaus von ganz allein den Weg zum freien Stellplatz.
Diese schrittweise Entwicklung ist technisch bedingt, hat aber auch einen großen psychologischen Vorteil. „Autofahrer erfassen so Schritt für Schritt den Nutzen der neuen Technik“, so Denner. Aufgeschlossen zeigen sich die Autofahrer schon heute. So hat eine Bosch-Umfrage in sechs europäischen Ländern ergeben, dass bereits 59 Prozent der Befragten automatisiertes Fahren gut finden. Sie möchten es aber aktiv ausschalten können. Rein wirtschaftlich ist bereits heute ein attraktiver Markt mit glänzenden Wachstumschancen entstanden. „2016 wird Bosch bereits eine Milliarde Euro mit Fahrerassistenz erlösen“, prognostiziert Denner.
Das Bosch-Projektteam „Automatisiertes Fahren“ ging bereits 2011 an den Start und arbeitet in Abstatt bei Stuttgart sowie in Palo Alto an der Zukunft des Autofahrens. Seit Anfang 2013 ist man auch bereits auf deutschen Autobahnen unterwegs – als erster Zulieferer. „Die frühzeitige Erprobung im realen Straßenverkehr beschleunigt die Entwicklung immens“, sagt Denner.
Automatisiertes Fahren erfordert umfassendes Systemverständnis
In den kommenden Jahren haben die Entwickler noch vielfältige Aufgaben zu lösen, denn das automatisierte Fahren hat Einfluss auf alle Bereiche im Auto. „Nur Hersteller und Zulieferer mit einem umfassenden Systemverständnis werden erfolgreich sein“, sagt Denner. Die fünf Entwicklungsschwerpunkte formuliert der Bosch-Chef wie folgt:
- Sensorkonzept für die 360°-Umfelderfassung
Welche Sensortechniken sind nötig, um ein so gutes Bild der Fahrzeugumgebung zu erhalten, dass sich die richtigen Handlungsempfehlungen ableiten lassen? Bosch hat bereits über eine Million Radar- und Videosensoren verkauft und nutzt die Erfahrung zur Entwicklung einer leistungsfähigen und dennoch kostengünstigen Umfelderfassung, die den Anforderungen des automatisierten Fahrens genügt. - Redundante Systemarchitektur
Um die größtmögliche Verfügbarkeit auch beim Ausfall einer Komponente sicherzustellen, wird sich die Fahrzeugarchitektur ändern. Die nötige Redundanz für die Bremse beispielsweise hat Bosch bereits verfügbar. So können der elektromechanische Bremskraftverstärker iBooster sowie das ESP unabhängig voneinander das Auto selbsttätig abbremsen. - Funktionssicherheit gegen Fehlfunktionen und Angriffe von außen
Zur Überprüfung der funktionalen Sicherheit nutzt Bosch leistungsfähige Methoden. Die anschließende Freigabe, die sogenannte Validierung, erfordert jedoch neue Ansätze, um den Aufwand zur Freigabe eines Autopilot-Systems auf dem heutigen Niveau zu halten. Mit den gängigen Ansätzen müssten über 250 Millionen Testkilometer abgefahren werden. Gegen versuchte Eingriffe von außen setzt Bosch schon heute auf eine duale Architektur, die Infotainment-Funktionen im Bordnetz von den fahrrelevanten Systemen trennt. Zusätzlich bietet der Elektronikexperte ergänzende hard- und softwarebasierte Lösungen für die Datensicherheit und den Zugriffsschutz. „Die Automobilindustrie braucht klare, einheitliche Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit“, macht Denner klar. - Hochgenaue Kartendaten
Eine Kartengenauigkeit von rund einem Meter ist für aktuelle Navigationsgeräte völlig ausreichend – nicht aber für vollautomatisierte Fahrfunktionen. Hierfür nötige Karten benötigen eine Auflösung von zehn Zentimetern und müssen hochaktuell sein, um vorausschauend auf dem richtigen Weg zu bleiben. - Rechtliche Regelungen
Auf Basis der Wiener Konvention aus dem Jahr 1968, die in vielen Ländern weltweit die Grundlage für das nationale Recht ist, sind lediglich teilautomatisierte Funktionen möglich. „Zulassungsregelungen sowie Fragen der Produkthaftung werden von Verbänden, Regierungen und der Versicherungswirtschaft bereits intensiv diskutiert“, sagt Denner.
Auch wenn die Anbindung des Autos an das Internet für das automatisierte Fahren kein Muss ist, erhöht sie dessen Sicherheit und Effizienz weiter. So können die Fahrzeuge hochaktuelle Daten über Staus oder Baustellen erhalten, und sogar die Information über Verkehrszeichen, die andere Fahrzeuge erfasst haben. Die Routenführung der Navigation kann so optimiert werden. Die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander ermöglicht eine schnelle Warnung vor Gefahrenstellen wie dem Stauende oder einem sich nähernden Rettungsfahrzeug.
Ebenso möglich werden neue Dienstleistungen, wenn Daten mit Sicherheitsleitstellen, Versicherungen oder Flottenbetreibern ausgetauscht werden. So ist der Bereich Bosch Communication Center bereits heute mit mehreren Automobilherstellern mit eCall-Lösungen in Serie, und das Tochterunternehmen Bosch Software Innovations plant mit LeasePlan ein völlig neues Flottenmanagement. „Vernetzte Funktionen werden künftig als elementarer Bestandteil der Fahrzeugarchitektur dem Autofahrer mehr Komfort, Effizienz und Sicherheit bringen“, sagt Denner.