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USCC
10.07.2015

„Motorsport ist Antreiber neuer Technologien“

Mit dem Doppelsieg auf dem Traditionskurs in Watkins Glen hat Porsche in den USA unter schwierigsten Bedingungen den bisher größten GT-Saisonerfolg gefeiert. Vor dem nächsten Lauf der Tudor United SportsCar Championship am Sonntag in Mosport/Kanada blickt Porsche-Motorsportchef Dr. Frank-Steffen Walliser im Interview auf den Triumph beim Sechsstundenklassiker zurück.

Zudem spricht er über die Bedeutung des Motorsports für Porsche, den Technologietransfer zwischen Motorsport und Serienentwicklung, die erfolgreiche Porsche-Nachwuchsförderung sowie den Kundensport in aller Welt.

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Herr Dr. Walliser, wie bewerten Sie den Erfolg beim bisher schwierigsten Rennen der Saison in den USA?
„In Watkins Glen sind einige Dinge aufgegangen. Das Team Falken Tire hatte eine risikoreiche, aber clevere Strategie, die funktioniert hat. Die Wetterkapriolen mit den ständig wechselnden Bedingungen haben uns in die Karten gespielt. Es ist ja kein Geheimnis, dass unser 911 RSR im Regen besonders stark ist. Trotzdem muss man das Auto erst einmal auf der Straße halten, darf als Fahrer keinen Fehler machen. Es war aber trotz des Erfolgs kein vollkommen rundes Rennen für uns. Bei den Boxenstopps war nicht jede Situation perfekt. Insofern bleibt trotz aller Freude die Gewissheit, dass wir noch einiges tun müssen.“

Schon am Sonntag geht es in Mosport weiter. Was können Sie bis dahin noch verbessern?
„Wir können sicherlich den Fokus verstärkt auf die Boxenstopps legen und versuchen, uns auf unerwartete Situationen besser einzustellen. Das geht schon von einem Rennen zum nächsten. Fahrer und Teams sind nach diesem Doppelsieg hoch motiviert. Ich bin sicher, dass sie in Mosport noch einmal nachlegen werden.“

Ist damit nach einer sieglosen ersten Saisonhälfte der Knoten geplatzt?
„Der Sieg hilft sicherlich bei der Motivation. Schon jetzt zu sagen, das war der Wendepunkt, dazu ist es noch zu früh. Das Rennen war extrem. Wenn wir mal ein Rennen auf trockener Strecke gewinnen, das nicht durch ständige Gelbphasen und Unterbrechungen verwirbelt wird, dann würde ich sagen, der Knoten ist geplatzt.“

Als Porsche-Motorsportchef sind Sie auch für die GT-Straßenfahrzeuge verantwortlich. Bedeutet das: Unter der Woche bauen Sie Straßenautos, am Wochenende fahren Sie damit Rennen?
„Nun ja, es ist schon so, dass uns Rennautos auch unter der Woche beschäftigen. So weit liegen Sport und Serie für uns nicht auseinander. Unser 911 RSR, den wir in der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC und in der Tudor United SportsCar Championship einsetzen, basiert ja auf der siebten Generation der Sportwagenikone 911. Ich habe mich seit meinem Amtsantritt im Oktober 2014 aber in der Tat sehr intensiv mit Serienentwicklungsprojekten beschäftigt und mich darum gekümmert, den 911 GT3 RS und den Cayman GT4 auf die Straße zu bringen. In der Serienentwicklung geht es um komplexe technische Prozesse. Aber auch da wird eine hohe Geschwindigkeit und Konzentration verlangt. Die Anforderungen sind also gar nicht so unterschiedlich. Die Verantwortung für Straßen- und Rennfahrzeuge ist für mich ein ganz wesentlicher Bestandteil meines Jobs.“

Der dadurch zum Traumjob wird?
„Ich habe eine linke und eine rechte Herzkammer – die eine schlägt für den Sport, die andere für die Serie. Das war schon immer so. Jetzt im GT-Bereich Motorsport und Serienentwicklung verantworten zu können, hat für mich einen ganz besonderen Reiz. So einen Job gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.“

Diese Konstellation erleichtert sicherlich auch den Technologietransfer zwischen Motorsport und Serie.
„Der Technologietransfer ist wichtig und Porsche ist einer der ganz wenigen Sportwagenhersteller, der das nicht aus Marketinggründen macht. Motorsport ist ein ganz wesentlicher Antreiber neuer Technologien. Ein Beispiel: Wir fahren im GT-Motorsport mit Restriktoren, die Fahrzeuge sind also in der Luftmenge begrenzt. Wenn ich viel Leistung will, geht das nur über eine Reduzierung der inneren Reibung und einen hohen Wirkungsgrad. Da haben wir in den vergangenen Jahren sehr viele Erfahrungen gesammelt, gerade beim Saugmotor, und das sieht man jetzt 1:1 bei unserem Straßenmotor. Vom Motorsport gehen sehr viele Ideen in die Serienautos. Die seitliche Luftansaugung zum Beispiel hat man im GT-Rennauto ausprobiert und auf den 911 GT3 RS übertragen, ebenso aerodynamische Komponenten wie die Position und Größe der Heckflügel. Auch der vordere mittlere Luftauslass und verschiedene Effizienzmaßnahmen im Motor, beispielsweise das Hochdrehzahlkonzept, kommen aus dem Rennauto. Da es die selben Mitarbeiter sind, die das Straßenauto und das Rennauto machen, findet da eine Art natürlicher Technologietransfer statt. Die Kollegen vergessen ja nicht, was sie am Rennauto gemacht haben, sondern gehen mit diesem Wissen ans Straßenauto ran und probieren Dinge aus, von denen sie glauben, dass sie auch da funktionieren könnten.“

Findet der Technologietransfer auch in die umgekehrte Richtung statt – von der Serie zum Motorsport?
„Natürlich. Der Technologietransfer läuft immer in beide Richtungen. So haben wir beispielsweise die Direkteinspritzung unserer aktuellen Motorengeneration aus der Serie in den Motorsport übernommen. Dort sind wir bisher noch mit Saugrohreinspritzer gefahren. Im 911 GT3 R, unserem neuen Rennauto für die FIA-GT3-Klassen, verwenden wir die Direkteinspritzung, die im Boxermotor des Straßensportwagens 911 GT3 erstmals eingeführt wurde. Davon erhoffen wir uns Vorteile bei der Effizienz. Der intensive Austausch zwischen Kollegen vom Motorsport und der Serienentwicklung ist bei uns Alltag. Wir vom Motorsport haben natürlich ein großes Interesse daran, dass möglichst viele Komponenten schon ins Basisauto gehen. Die Kollegen von der Serienentwicklung wiederum wollen an den Erfahrungen des Motorsports partizipieren und geeignete Maßnahmen ins Serienauto übernehmen. Für die Radstandverlängerung am aktuellen 911 zum Beispiel war der Motorsport ein ganz wesentlicher Treiber.“

Welchen Stellenwert hat für Sie die Hybridisierung im Motorsport?
„Wir sehen uns da als Pionier. Mit dem 911 GT3 R Hybrid haben wir bereits 2010 einen hybridisierten GT-Rennwagen eingesetzt, der sein großes Potenzial gezeigt hat und in der Folge auch Ideengeber war für den 918 Spyder und den Le-Mans-Sieger 919 Hybrid. Auch im GT-Motorsport ist Hybridisierung durchaus vorstellbar. Doch wenn ein solches Reglement schon jetzt in Kraft treten würde, hätten wir keine Konkurrenten mehr. Unsere Wettbewerber sind noch nicht so weit. Es steht also nicht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, zumal das Thema bei uns im Haus durch den 919 Hybrid vollumfänglich abgedeckt ist. Meine Prognose, was den GT-Sport betrifft: In fünf, sechs Jahren könnte sich dort etwas tun.“

Wie profitiert Porsche generell vom Motorsport?
„Porsche steht für Sportwagen wie Tesa für Klebeband, wenn ich das mal so flapsig sagen darf. Der Motorsport ist ein ganz wichtiger Markenkern. Der allererste Porsche ist nach 14 Tagen sein erstes Rennen gefahren und hat es gewonnen. Sport ist für uns Hochtechnologie, höchste Belastung, Messen im Wettbewerb, der Herausforderung nicht aus dem Weg gehen. Wir gehen auf die Rennstrecke, mit einem guten Auto und guten Fahrern, und sagen: Jetzt schauen wir mal, wer’s am besten kann. Auf der Rennstrecke gibt es keine Ausreden. Wer gewonnen hat, hat den besten Job gemacht. Aus diesem Grund ist auch ein Sieg in Le Mans so hoch zu bewerten. In der Serie stehst du auch im Wettbewerb, aber selten so direkt. Motorsport bedeutet, die Leistung auf den Punkt zu bringen. Der Motorsport, das darf man nicht vergessen, ist auch etwas, wo sich alle unsere Mitarbeiter wiederfinden und unsere Kunden, ganz egal, welches Produkt sie fahren.“

Im Siegerauto von Le Mans saßen mit Earl Bamber und Nick Tandy zwei Fahrer, die quasi in den Porsche-Markenpokalen ausgebildet wurden. Warum setzt Porsche so konsequent auf Nachwuchsförderung?
„Earl Bamber und Nick Tandy sind die beste Antwort. Beide haben in den Porsche-Markenpokalen ihren Feinschliff als Rennfahrer erhalten. Sie starten für uns am Wochenende auch in Mosport. Bevor sie Werksfahrer wurden, kannten wir durch die konsequente Förderung nicht nur ihre Ergebnisse auf der Rennstrecke, sondern kannten sie auch als Menschen. Wir bringen den von uns geförderten Fahrern ja mehr bei als nur Rennfahren und Renneinsätze. Bei uns lernen sie auch alles über Fitness, den Umgang mit Medien, Zeitmanagement und all die Dinge, die einen perfekten Rennfahrer ausmachen. Wenn sie in den Markenpokalen gefahren sind, können wir junge Talente extrem gut einschätzen, denn Markenpokale wie der Porsche Carrera Cup und der Porsche Mobil 1 Supercup sind echte Fahrermeisterschaften. Die Autos sind nahezu identisch, und wer sie am besten beherrscht, ist eben ein guter Fahrer. Unsere Nachwuchsförderung, die 1997 mit dem ersten Porsche Junior Team begonnen hat, ist durchgängig und durchlässig – und erfolgreich: Viele unserer heutigen Werksfahrer sind daraus hervorgegangen. Das zeigt einmal mehr: Wer Talent hat und richtig schnell ist, dem stehen bei Porsche alle Türen offen.“

Der siegreiche 911 RSR in Watkins Glen wurde vom Kundenteam Falken Tire eingesetzt. Wie wichtig ist der Kundensport für Porsche?
„Der Kundensport hat eine lange Tradition bei Porsche. Wir halten es für sehr wichtig, dass wir neben unseren Werksaktivitäten unsere Fahrzeuge und unser Know-how auch Kunden anbieten. Viele Erfolge im Porsche Motorsport wurden von Kundenteams eingefahren. Dazu gehören wichtige Le-Mans-Siege, aber auch bedeutende Erfolge bei anderen 24-Stunden-Rennen wie in Daytona oder auf dem Nürburgring. Wir haben etwa 600 Kunden in aller Welt, die unsere Autos einsetzen. Ihnen verdanken wir viele wichtige Kapitel der Erfolgsgeschichte von Porsche Motorsport.“

Was macht es für Teams so attraktiv, auf Porsche zu setzen?
„Wir bieten ihnen als erstes natürlich gute Fahrzeuge an, die sie selbständig erfolgreich einsetzen können. Als neuestes Motorsportprodukt jetzt auch den 911 GT3 R. Dazu kommt die Betreuung an der Rennstrecke. Wir sind mit unseren Trucks vor Ort und stehen unseren Kunden mit Rat und Tat zur Seite – und natürlich auch mit Ersatzteilen. In Le Mans zum Beispiel hat ein Kundenteam aus Asien am späten Donnerstagabend den Motor und die Karosserie ihres 911 stark beschädigt. Natürlich wollten die unbedingt fahren, sie kamen von weit her und Le Mans findet ja nur einmal im Jahr statt. Also haben wir mitgeholfen, dass das Auto am Samstagmorgen zum Warm-up wieder einsatzbereit war. Das war ein Kraftakt, den man nur stemmen kann, wenn man darauf vorbereitet ist. Unsere Kunden wissen das und sie vertrauen uns.“

Kommen von den Kundenteams auch Erkenntnisse zurück, die Sie bei Porsche Motorsport weiter bringen?
„Auf jeden Fall. Unsere Kunden beschäftigen sich ja intensiv mit dem Produkt und verfügen über entsprechend viel Erfahrung. Sie setzen unsere Autos an jedem Wochenende irgendwo auf der Welt ein. Da entstehen viele gute Ideen, die an uns zurück fließen und von uns aufgegriffen werden. Das ist ein Technologietransfer, der allen nutzt – uns und unseren Kunden.“
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