Wie waren die Tage nach dem Titelgewinn?
Kelvin van der Linde: „Lang. Wir haben ordentlich gefeiert. Das Team hat den Moment richtig genossen. Aber das gehört sich auch so, denn jeder Einzelne hat es verdient. Ich persönlich habe auch mehr gefeiert als beim ersten Titelgewinn. 2014 war ich ein junger Kerl aus Südafrika und habe gar nicht gewusst, wie wichtig das ADAC GT Masters ist. Nach sechs Jahren in Deutschland weiß ich jetzt, wie groß die Ehre ist, diese Serie zu gewinnen, und dass dies nicht in jedem Jahr passiert.“Patric Niederhauser: „Es war natürlich ein unglaubliches Gefühl, in Hockenheim den Titel gewonnen zu haben – und dies mit einem Sieg von der Pole aus. Besser hätte es nicht laufen können. Ich habe es in den Tagen danach nicht wirklich verarbeiten können, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Nach drei, vier Tagen kam es dann. Aber da wir beim anschließenden Finale auf dem Sachsenring noch um die Teammeisterschaft kämpften, waren wir immer noch zu sehr fokussiert, um den Titelgewinn völlig zu begreifen.“
Wie waren die Reaktionen auf den Gewinn Ihres Titels?
Niederhauser: „Ich habe noch nie so ein Feedback erhalten. Selbst eine Woche nach dem vorzeitigen Titelgewinn habe ich noch Nachrichten bekommen – das zeigt, welch hohen Stellenwert das ADAC GT Masters mittlerweile in der Rennsportszene hat und wie viele Leute es verfolgen, auch bei uns in der Schweiz. Ich war sehr erstaunt, wie die Presse über den Titelgewinn berichtet hat. Denn Motorsport ist in der Schweiz normalerweise eher ein Randthema. Jetzt gab es plötzlich in großen Schweizer Tageszeitungen halbseitige Berichte mit Foto. Das hat mir schon etwas bedeutet.“Van der Linde: „Sehr viele Leute, die mich im Motorsport begleitet haben, leben in Deutschland. Einige haben uns vor Ort die Daumen gedrückt, andere habe ich in den Tagen nach Hockenheim gesehen. Das war schon toll. Südafrika ist ein kleines Land, aber auch dort verfolgen viele Leute meine Rennen. Ich war in den vergangenen Jahren der erste Fahrer, der wieder den Sprung nach Europa gewagt hat. Daher besteht in meiner Heimat schon Interesse – nicht nur an mir, sondern auch an meinem Bruder Sheldon und Jordan Pepper, die nach mir nach Europa gekommen sind. Es ist natürlich immer schwierig, auf jede einzelne Nachricht zu antworten, wenn es so viele sind. Aber zum Glück kann man mit Social Media viele Leute auf einmal erreichen.“
Herr van der Linde, 2014 haben Sie Ihren ersten Titel mit René Rast gewonnen. In diesem Jahr haben Sie beide am selben Tag das ADAC GT Masters und den DTM-Titel gewonnen. Hatten Sie danach Kontakt?
Van der Linde: „Ja klar. Wir sind immer noch gut befreundet. Wir haben die Titel in diesem Jahr innerhalb von ungefähr einer Viertelstunde gewonnen. Ich habe ihn danach sofort angerufen. Das war ein cooler Moment.“
Als erste Fahrer im ADAC GT Masters überhaupt haben Sie den Titel vorzeitig gewonnen. Können Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis verraten?
Van der Linde: „Dass wir konstant vorn dabei waren und gepunktet haben. Mit drei Siegen haben wir nicht die meisten geholt, aber wir waren fast jedes Mal in den Top Fünf. Das hat unsere Konkurrenz trotz mehr Siegen nicht hinbekommen.“
Sie haben während der Saison viele Highlights gesetzt. Welcher Moment war denn Ihr persönlicher Höhepunkt?
Van der Linde: „Für mich war es das erste Podium der Saison in Oschersleben. Das war ein unglaubliches Gefühl. Niemand hatte damit gerechnet.“Niederhauser: „Für mich auch. Als Kelvin ins Ziel gefahren ist, war es in der Box wie eine Explosion. Normalerweise fährt man am liebsten selbst über die Ziellinie, aber da war der Jubel in der Box unbeschreiblich. Unser Teamchef hat mir fast die Rippen gebrochen, als er mir vor Freude auf die Brust gehauen hat ...“
Van der Linde: „Und auch die Qualifyings waren Highlights. Patric hat samstags immer abgeliefert. Und ich habe dann am Saisonende auch zwei Poles geholt. Denn wenn man es im Qualifying auf den Punkt bringt, zeigt es, dass man einen guten Job gemacht hat. Fahrer und Auto, alles hat gepasst. Das waren auch besondere Momente, die wir nicht vergessen werden.“
Auf dem Sachsenring kam auch noch der Teamtitel mit HCB-Rutronik Racing hinzu, den Sie wie in Hockenheim am Sonntag mit einem Sieg eingefahren haben.
Niederhauser: „Es war super, die Saison mit einem Sieg abzuschließen und außerdem die Teammeisterschaft einzufahren. Die Freude im ganzen Team war riesig, alle hatten Tränen in den Augen. Es war noch einmal sehr emotional.“
Wann haben Sie erstmals geglaubt, dass es mit dem Fahrertitel klappen könnte?
Niederhauser: „Allerspätestens nach dem Red-Bull-Ring-Wochenende. Der Saisonauftakt in Oschersleben gleich mit einem Podestplatz war wie gesagt sensationell, aber vielleicht auch etwas unerwartet. Das Wochenende in Most mit Pole-Position und Sieg war dann die Bestätigung, dass der Auftakt keine Eintagsfliege war. Als wir auch auf dem Red Bull Ring – eigentlich die schwierigste Strecke für den Audi – ein Podest holen konnten, waren wir zuversichtlich. Denn wir wussten, dass jetzt noch die guten Strecken für uns kommen würden.“
Gab es auch mal Zweifel?
Niederhauser: „Gezweifelt habe ich nie wirklich. Nur in Zandvoort lief es nicht so gut. Das war wohl unser schwächstes Wochenende. Wir kamen nach der langen Sommerpause als Tabellenführer dorthin, und dann haben wir uns plötzlich schwergetan. Das war nicht so einfach, und wir waren vor dem Nürburgring etwas skeptisch. Aber wir haben immer eng zusammengearbeitet und uns gegenseitig unterstützt. Das war auch einer der Schlüssel für den Erfolg.“Van der Linde: „Ein gutes Beispiel für den Zusammenhalt im Team gab es auch nach dem Samstagsrennen in Hockenheim, wo wir nachträglich eine Zeitstrafe bekommen haben und von Platz zwei auf neun zurückfielen. Niemand hat mir einen Vorwurf gemacht. Alle haben gesagt: 'Macht nichts, Kelvin. Du bist ein Racer, genau wie wir auch. Dieses Mal hatten wir das Glück einfach nicht auf unserer Seite. Morgen fährst du auf Pole und gewinnst das Rennen.' Und so ist es dann auch gekommen. Das zeigt, wie gut das Team die Fahrer unterstützt. Unser Selbstvertrauen haben wir unserem Team zu verdanken.“