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Sonstiges
20.12.2019

2019 im DMV GTC: Weltneuheit Steer by Wire

Nach langer Vorbereitung war es am 14. und 15. Juni 2019 beim Schaeffler Paravan Race Weekend auf dem Nürburgring endlich soweit. Ein Audi R8 LMS GT3 startete ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkeinheit und -getriebe im DMV GTC und DUNLOP 60. „Es war ein langer Weg, um das Projekt zu verwirklichen“, so Ralph Monschauer, der als Organisator der Veranstaltung einer der Hauptverantwortlichen für den Einsatz war. 

Nachdem der Geschäftsführer von Schaeffler Paravan und Entwickler des Systems, Roland Arnold, im Frühling 2018 zusammen mit HCB-Rutronik Racing die Idee hatte, einen Rennwagen ohne Lenksäule einzusetzen, machte sich Ralph Monschauer an die Umsetzung. Anfang Februar 2019 stellte er beim Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) einen Antrag für die Genehmigung zum Start eines Fahrzeugs mit Steer-by-Wire, also mit digitaler Steuerung, im DMV GTC und DUNLOP 60.

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Dahinter steckten viele Details und enorme Hintergrundarbeit. Weil alles Neuland war, mussten viele Hürden überwunden und die Innovation in mehreren Sitzungen und Fachausschüssen beraten werden. Sieben Tage vor dem Schaeffler Paravan Race Weekend am 14./15. Juni 2019 überprüfte ein Sachverständiger den Audi R8 LMS GT3 in der Firmenzentrale von Schaeffler Paravan in Pfronstetten (Schwäbische Alb). Zwei Tage vor dem ersten Start gab der DMSB dann die Freigabe. Allerdings unter der Voraussetzung, dass das Auto nur für eine Demonstrationsfahrt teilnimmt – ohne Transponder und ohne Zeiten zu veröffentlichen.

„Natürlich war ich sehr erleichtert, dass wir es letztendlich doch hinbekommen haben und das Auto die Freigabe erhielt“, so ein zufriedener Ralph Monschauer, der große Unterstützung von Roland Arnold und seinem Sohn Kevin bekam. Als Einsatzmannschaft verpflichtete Schaeffler Paravan das Team Phoenix Racing. Als Testfahrer wurde Markus Winkelhock auf dem Nürburgring eingesetzt. Schon nach den ersten Sessions stand fest, dass die Ingenieure von Schaeffler Paravan die richtigen Schritte unternommen hatten und das System auch im harten Rennbetrieb voll einsatzfähig war. „Im Rennfahrzeug muss man schneller agieren als in einem Straßenfahrzeug“, weiß Rennpilot Markus Winkelhock. „Wenn das Fahrzeug ausbricht, musst du ganz schnelle Lenkbewegungen nach rechts und links machen können. Da waren am Anfang meine Zweifel, ob die Motoren diesen Anforderungen gerecht werden. Aber das war kein Problem: Die Steuerung ist unglaublich schnell und unglaublich präzise.“ Am Ende kam der Audi-Pilot in den beiden Wertungsläufen des DMV GTC vom letzten Platz bis auf Rang fünf.

„Im Rennsport wird die Technologie unter extremen Voraussetzungen getestet und bietet zusätzlich hohe Anforderungen an die Schnelligkeit und die Reaktionsfähigkeit des Systems. Das sind ideale Voraussetzungen, um das System weiterzuentwickeln“, erklärt Roland Arnold, CEO der Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG sowie Gründer und Geschäftsführer der Paravan GmbH. „Wenn man mit 250 Stundenkilometern die Ideallinie fahren und herunterbremsen kann, und da geht es um hundertstel Sekunden, dann zeigt das die Zuverlässigkeit des Systems.“

Der mit dem Steer-by-Wire-System Space Drive von Schaeffler Paravan ausgerüstete Audi R8 LMS GT3 mit Force-Feedback-Lenkeinheit war dann nur eine Woche später wieder im Einsatz. Diesmal bei einer Demofahrt vor den 24-Stunden-Nürburgring. Hier pilotierte Rahel Frey das Fahrzeug. „Der Motorsport fordert extrem. Es ist gelebte Praxis, dass man Technologien in diesem Bereich zum Einsatz bringt. Das erfordert Dauerhaltbarkeit und ermöglicht es uns, Anforderungen und System-Features zu überprüfen“, so Prof. Dr.-Ing. Peter Gutzmer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender sowie Technologievorstand der Schaeffler AG. „Der Rennsport ist ein ideales Testfeld für die Weiterentwicklung des gesamten Drive- bzw. Steer-by-Wire-Systems auf Basis von Space Drive. Wenn wir jetzt an die Zukunft des autonomen Fahrens denken, werden solche Technologien unverzichtbar sein. Der Test unter Rennsportbedingungen ist eine ganz entscheidende Voraussetzung, um solche Lösungen in Serie zu bringen“, ergänzt er.

Und Phoenix-Teamchef Ernst Moser fügt hinzu: „Roland Arnold und sein Team sind immer bemüht, ihr Know-how zu erweitern und die Technik im Grenzbereich zu erproben. Mit unseren Erfahrungen aus dem Motorsport können wir hierzu einen wichtigen Teil beitragen.“ Hintergrund der neuen Technologie ist die Weiterentwicklung zur automobilen Zukunft mit Forschung der digitalen Daten, neuen Innenraumkonzepten und verbesserten Sicherheitskonzepten, die der Allgemeinheit zu Gute kommt.

Auch bei der zweiten Rennteilnahme bei der Tourenwagenserie DMV GTC am Hockenheimring konnte sich der erste vom Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) zugelassene Steer-by-Wire-Rennwagen vom letzten Startplatz aus im vorderen mittleren Fahrerfeld platzieren. Der noch außer Konkurrenz startende R8, pilotiert vom 24h-Nürburgring-Sieger Pierre Kaffer, konnte beim fünften Lauf des DMV GTC auf dem Hockenheimring im DUNLOP 60 am Freitag auf Platz fünf vorfahren bei den DMV GTC-Läufen am Samstag auf Platz fünf beziehungsweise sechs. „Wir arbeiten daran, das Setup des Fahrzeuges optimal für diese Extrembedingungen hinzubekommen. Das ist eine Riesenaufgabe, aber auch eine sehr spannende“, sagt Pierre Kaffer nach den Rennen. „Ich bin stolz, da einen kleinen Beitrag leisten zu können. Wenn wir an das autonome Fahren denken, ist das sicher ein wichtiger Baustein.“ 

„Für uns ist der DMV GTC das ideale Umfeld, um Space Drive unter extremen Rennbedingungen zu testen. Daraus ergeben sich wichtige Erkenntnisse für Entwicklung zur Serienreife der Technologie“, weiß Roland Arnold, CEO der Schaeffler Paravan Technologie. „Auch aus dem zweiten Rennwochenende haben wir wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Systems gewonnen.“ Wie schon am Nürburgring befindet sich das Projekt in der Erprobungsphase. Aus diesem Grund fährt der R8 LMS GT3 als Demonstrationsfahrzeug außerhalb der Wertung und startet vom letzten Platz des Fahrerfeldes. „Es geht in erster Linie um die Sicherheit und um ein zukunftsfähiges Projekt“, erklärt DMV GTC-Organisator Monschauer. Auch bei den weiteren Saisonrennen des DMV GTC 2019 war der Schaeffler Paravan Steer-by-Wire-Audi im Starterfeld zu sehen sein.

Die Übertragung der Lenkbefehle am Force-Feedback-Lenkrad erfolgt nicht mehr mechanisch, sondern innerhalb von Millisekunden über Kabel – also Steer-by-Wire – durch elektrische Impulse. Die Space-Drive-Technologie, die ihre Ursprünge in der Behindertenmobilität hat, bewährte sich in den letzten 17 Jahren bereits auf gut einer Milliarde unfallfreien Kilometern . Sie wird nach den höchsten Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen gefertigt und verfügt über eine Straßenzulassung. Die Technologie ist dreifach redundant ausgelegt: Fällt eine Steuerung aus, gibt es zwei Backup-Steuerungen, die eine absolute Ausfallsicherheit gewährleisten. Damit ist Space Drive eine wichtige Schlüsseltechnologie für das autonome Fahren in Level 4 und 5 und eine Grundvoraussetzung für die Schaffung neuer Innenraumkonzepte. Schaeffler Paravan Technologie GmbH & Co. KG will das System bis 2021 zur Serienreife bringen.


Text: Behr, Schaeffler-Paravan