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06.05.2020

Homestory Dirk Werner: Zwischen Steinbrocken und Sandkasten-Liebe

Das Leben von Porsche-Werksfahrer Dirk Werner ist seit 2016 eine Baustelle. Die rennfreie Zeit während der Corona-Pandemie nutzt der 38-Jährige für die weitere Ausgestaltung seines Hauses am nördlichen Stadtrand von Würzburg. Insgesamt drei Tonnen Material aus einem nahegelegenen Steinbruch sollen der Verschönerung der Terrasse dienen. Mit großer Selbstverständlichkeit wuchtet der 1,80 Meter große Blonde die schweren Sandsteinbrocken an ihren Platz. Selbst ist der Mann – so lautet das Motto. „Ich bin für handwerkliche Tätigkeiten immer zu haben. Sägen, Bohren, Fräsen und alles weitere mache ich selbst. Seit der Grundsteinlegung unseres Hauses vor knapp vier Jahren gibt es an allen Ecken reichlich zu tun. Und gerade in der Coronavirus-Phase ist viel Zeit für solche Arbeiten“, schildert der Familienvater.

Gemeinsam mit Ehefrau Heidemarie und den drei Söhnen Henri (8), Theo (7) und Fritz (4) hat sich der erfahrene deutsche Rennfahrer in den fränkischen Hügeln einen traumhaften Rückzugsort geschaffen. Die Innenstadt von Würzburg nicht weit entfernt, zahlreiche Freizeitmöglichkeiten im direkten Umfeld. Felder, Wiesen und Wälder laden zu ausgiebigen Läufen oder Spaziergängen ein. Die Kinder haben viel Platz zum Toben. Es ist das perfekte Zuhause für den bodenständigen Vollgashelden, ein Ausdruck seiner bemerkenswerten Ausgeglichenheit.

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Dirk Werner ruht in sich. Und zwar jederzeit. In den Fahrerlagern dieser Welt gilt der gebürtige Niedersachse als einer der nettesten Racer. „Ich freue mich, wenn mich Menschen als nett empfinden. Höflichkeit ist für mich selbstverständlich“, sagt der Bathurst-Sieger von 2019. „Ich gebe mich nicht bewusst so, sondern das kommt ganz automatisch. Warum sollte ich auch nicht nett sein? Ich lebe meinen Traum als Werksfahrer von Porsche, meine Familie ist perfekt und das Leben schön“, sagt der ehemalige DTM-Pilot. Es wird schnell klar: Dirk Werner weiß sein persönliches und berufliches Glück zu schätzen. Kein Wunder, denn für seinen Traum hat er hart gearbeitet.

Im Elternhaus des Porsche-Werkspiloten spielt Motorsport zunächst keine Rolle. Im familiären Umfeld ist der Rennsport nie ein Thema, keine Vorprägung durch Vater, Onkel oder Großvater. Per Zufall kommt Dirk Werner im Alter von zehn Jahren zum Kartsport. Sofort entsteht eine intensive Leidenschaft – nicht nur bei ihm, sondern auch bei seinem Vater. Statt in die Fußstapfen des Vaters als Zahnarzt zu treten, geht der Nachwuchsracer trotz ausgeprägtem fußballerischen Talent konsequent den Weg im Motorsport. Auf dem Weg zum Abitur fährt er im Kart, holt zahlreiche Erfolge im Formelsport. „Zahnarzt zu werden war für mich keine Option. Ich wollte unbedingt mit Rennsport mein Geld verdienen. Um mich abzusichern, habe ich die Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht und gleichzeitig ein Studium im Maschinenbau absolviert“, blickt Werner zurück. Während der Ausbildung an der Fachhochschule Wolfenbüttel wird der Spagat zwischen Studium und Motorsport immer schwieriger.

„Die beiden letzten Jahre vor dem Abschluss waren hart. Ich bin damals viel in den USA gefahren, konnte einige Prüfungstermine nicht wahrnehmen. Das Studium ging daher etwas langsamer voran als üblich. Trotzdem habe ich es durchgezogen. Interessanterweise zählen diese intensiven Studienjahre zu meinen erfolgreichsten im Motorsport“, erklärt der Maschinenbau-Ingenieur, dessen Diplomarbeit die Simulation von Automobil-Fahrwerken zum Thema hatte. Die erworbenen Kenntnisse helfen dem Grand-Am-Champion von 2007 und 2009 enorm. Wenn es um Abstimmungsarbeiten geht, weiß der Wahl-Franke genau, wovon er spricht. „Das ist heutzutage ohnehin für jeden Fahrer ein Muss. Wer kein technisches Verständnis mitbringt, wird es im Motorsport sehr schwer haben“, meint er. Der Rennsport ist Leidenschaft, Beruf, Glück – aber dennoch längst nicht alles im Leben von Dirk Werner.

„Die Familie steht immer an allererster Stelle“, sagt er. Die feste Basis bildet die langjährige Beziehung zu Heidemarie. „Wir sind seit 18 Jahren zusammen, haben drei gemeinsame Kinder und führen eine harmonische Ehe. Ich kenne meine Frau seit Ewigkeiten, habe mit ihrem Bruder früher zusammen in einer Mannschaft Fußball gespielt. Es gibt sogar ein uraltes Foto, auf dem Heidemarie und ich im zarten Alter von vier und sieben Jahren gemeinsam zu sehen sind. Das war während einer kirchlichen Veranstaltung damals. Ein großer Zufall natürlich, aber aus heutiger Sicht einfach großartig“, meint Dirk Werner. Ebenfalls kurios: Die Eltern seiner heutigen Ehefrau Heidemarie waren es, die als Pastoren-Ehepaar in einem kleinen hessischen Ort den Nachwuchsfahrer Dirk Werner konfirmierten. Die spätere Trauung überließen Werners Schwiegereltern dann aber doch einem Kollegen.

Neben Familie, Beruf und weiterem Hausausbau bleibt für den Fußball-Liebhaber außerhalb der Corona-Zeit sogar noch Zeit für einen regelmäßigen Kick. „Ich trainiere normalerweise mit der Altherren-Mannschaft in meinem kleinen Stadtteil. Das ist einmal pro Woche ein riesiger Spaß. Auch wenn ich mich noch gar nicht wie ein alter Herr fühle“, scherzt er. Die unterhaltsamen Einheiten mit der Gruppe von zehn bis 20 Kickern lässt sich Werner nicht entgehen. „Und ich finde sogar noch öfter Zeit, mal ein hochklassiges Spiel zu besuchen. Mit Freunden war ich in den zurückliegenden Jahren bei einigen Heimspielen des HSV und jeweils einmal bei Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund. Ich hätte sogar eine Karte für ein EM-Spiel in München gehabt, aber das ist nun ja leider verschoben. Dann muss ich halt Fußball im Fernsehen schauen, wenn es wieder losgeht. Ich liebe es, guten Sport zu sehen. Im Moment machen mir Jungstars wie Kylian Mbappé viel Freude. Ich bin nicht Fan einer einzelnen Mannschaft, sondern mag Fußball insgesamt sehr gerne.“

Der drahtige Blonde aus Würzburg blickt jederzeit über den Tellerrand. Die zahlreichen Reisen als Porsche-Werkspilot verbindet der 38-Jährige wann immer möglich mit der Entdeckung von Ländern, Kulturen und Menschen. „Früher bin ich zwischen zwei Rennen in den USA oft drüben geblieben und habe Amerika genauer erkundet. So etwas ist nun als Vater von drei Kindern nicht mehr so einfach. Aber im vergangenen Jahr gab es eine Ausnahme. Mein Vater ist mit zum IGTC-Rennen in Kyalami gereist. Wir waren danach noch gemeinsam auf Safari in Südafrika. Meine Familie und ich hatten ihm das zum 70. Geburtstag geschenkt. Er ist passionierter Jäger. Da war eine Safari natürlich perfekt. Ich schwöre: Es ist kein Schuss gefallen. Aber die Reise war trotzdem ein Volltreffer.“