Sonstiges
17.05.2020
Simona de Silvestro: Welttournee des „Iron Maiden“ endet in der Heimat
„Das war der Tag, an dem mir die Amerikaner endlich einen schönen Spitznamen verpasst haben“, scherzt die Porsche-Werksfahrerin de Silvestro. „Trotz Verbrennungen an beiden Händen bin ich am Folgetag ins Auto gestiegen und habe es in die Qualifikation geschafft. Seither nennt man mich dort drüben ‚Iron Maiden' und nicht mehr ‚Swiss Miss’. Das gefällt mir.“
Simona de Silvestro ist eine Rennfahrerin mit starkem Profil. Seit über 15 Jahren behauptet sich die 31-jährige Schweizerin in der Männerdomäne Motorsport. In den Fahrerlagern dieser Welt ist sie aufgrund ihrer offenen und humorvollen Art äußerst beliebt. Ihre motorsportlichen Leistungen haben ihr Respekt verschafft. „Als ich zuerst in den USA immer ‚Swiss Miss’ genannt wurde, passte mir das gar nicht. Dieser Spitzname ist austauschbar, wird fast inflationär gebraucht. Fast alle Sportlerinnen aus der Schweiz bekommen diesen Namen verpasst – ob Tennisspielerin Martina Hingis oder andere. Da gefällt mir ‚Iron Maiden' deutlich besser“, erklärt das erste weibliche Mitglied des Porsche-Werksfahrerkaders. Was ihr zu Beginn gar nicht bewusst war: Iron Maiden ist nicht nur Ausdruck einer eisernen Haltung, sondern auch der Name einer renommierten Rockband.
„Ich wurde darauf aufmerksam gemacht und habe mir dann erst einmal ein paar Lieder der Band angehört. Da wurde mir schnell klar: Den Namen mag ich gern, aber der Sound der Band ist nicht ganz so nach meinem Geschmack“, lacht de Silvestro, die nach vielen Jahren in den USA und Australien nun wieder in ihrer Heimat Schweiz lebt. Im kleinen Reihenhaus nahe des Zürichsees läuft keine Rockmusik, sondern Mainstream aus dem Radio. Unter den Klängen der aktuellen Charts organisiert die Test- und Entwicklungsfahrerin des TAG Heuer Porsche Formel-E-Werksteams ihren Alltag in Zeiten der Corona-Pandemie. „Ich verbringe viele Stunden in meinem Simulator“, sagt sie. „Ich würde natürlich viel lieber im realen Fahrzeug auf die echten Strecken gehen, aber Online-Racing ist derzeit die einzige Möglichkeit, mal richtig Gas zu geben.“
Simona liebt Vollgas. Nach erfolgreichen Aufritten im Formelsport in Europa zieht es die 1,71 Meter große Rennfahrerin im Alter von 18 Jahren in die USA. Nur zwei Jahre später folgt mit Siegen in der hochklassigen Atlantic Championship, der Nachwuchsmeisterschaft der US-Serien IndyCar und ChampCar, der sportliche Durchbruch. „Ich habe die Tatsache, dass ich als Frau im Motorsport ein seltenes Exemplar bin, nie in den Vordergrund gestellt. Ich habe Rundenzeiten für mich sprechen lassen – nichts anderes“, erklärt die selbstbewusste, aber keineswegs verbissene Pilotin. In der schnellen und spektakulären IndyCar-Serie verschafft sie sich weiteren Respekt. Das Formel-1-Team Sauber holt de Silvestro 2014 in den Kader, später tritt sie in der Formel E und in der australischen Supercars Championship an. „Es liegen äußerst spannende und schöne Zeiten hinter mir. Vor allem in Australien war das Leben wirklich klasse. Aber jetzt ist es auch schön, wieder zu Hause zu sein.“
Das heimische Fitnessprogramm der schnellen Eidgenössin, die in der deutschsprachigen Stadt Thun geboren und im französischsprachigen Teil aufgewachsen ist, umfasst unter anderem Laufen, Radsport und Wandern. „Ich bin ein Kind der Berge“, erklärt sie. „Ich klettere im Sommer die Hänge hoch, im Winter liebe ich schnelle Abfahrten auf Ski. An meinem Wohnort direkt am Zürichsee gibt es zum Glück sehr viele Möglichkeiten für Bewegungsmenschen wie mich.“ Nach den täglichen sportlichen Einheiten steht im kleinen Singlehaushalt neuerdings ein besonderes Thema auf dem Plan. „Ich habe das Kochen mehr und mehr für mich entdeckt“, schildert die künftige Fahrerin eines Porsche 911 GT3 R im ADAC GT Masters. „Früher hatte ich vielleicht vier oder fünf Gerichte drauf, aber mittlerweile sind es deutlich mehr.“ Die entschleunigte Zeit während der Corona-Pandemie nutzt die Schweizerin zu experimentellen Küchenschlachten.
„Vor sieben Jahren habe ich meinem Vater eine Pasta-Maschine geschenkt. Jetzt endlich haben wir sie mal gemeinsam eingeweiht. Das Ergebnis sah erstaunlich gut aus und hat tatsächlich lecker geschmeckt“, erklärt de Silvestro, deren Vater die italienischen Wurzeln in die Familie bringt. Die Porsche-Werksfahrerin besitzt sowohl die schweizerische als auch die italienische Staatsbürgerschaft. „Da liegt Pasta natürlich nahe“, meint sie. Mit einem strahlenden Lächeln fügt die schnelle Pilotin an: „Wenn Corona uns noch ein paar Monate länger einschränkt, kann ich vielleicht schon bald mein eigenes Kochbuch herausgeben, weil ich ständig neue Menüs kreiere. Allerdings: Rennen fahren wäre mir lieber!“