Die beiden Rennen werden am Samstag und Sonntag ab 16 Uhr live bei NITRO im Free-TV übertragen. Im Livestream sind sie kostenlos und ohne Registrierung bei TVNOW.de und auf adac.de/motorsport zu sehen.
Lange Sieges- und Titelliste
Nein, dem Klischee eines temperamentvollen italienischen Rennfahrers entspricht Raffaele Marciello nicht. Der knapp 1,90 Meter große, schlaksige Mittzwanziger, der auch mal mit grünen Haaren im Fahrerlager auftaucht, ist eher introvertiert. Starallüren sind ihm fremd. „Erfolge hängen von vielen Faktoren ab, ob man zum Beispiel mit dem Auto klarkommt oder ob die Fahrzeugeinstufung passt. Man selbst hat nur einen gewissen Anteil daran“, sagt der Rennradfan bescheiden. „Das Level im GT3-Sport ist sehr hoch, es gibt so viele starke Fahrer, die es verdient hätten, in die Formel 1 zu kommen. Da möchte ich mich nicht hervorheben.“Dabei kann Marciello im GT3-Sport bereits auf eine lange Erfolgsliste zurückblicken. Titel in der Blancpain-Serie, Sieger des FIA GT World Cup in Macau und im ADAC GT Masters – der Italiener hat sich als einer der gefragtesten Piloten der Szene etabliert. Bis zu 30 Rennwochenenden bestreitet er jährlich weltweit. Als Superstar sieht er sich dennoch nicht. „Viele Fahrer denken, dass sie Stars sind und verhalten sich auch so. Ich sehe mich dagegen nicht als etwas Besonderes, nur weil ich Rennfahrer bin, sondern als ganz normale Person, die einfach ihren Job macht.“ Zusammen mit den befreundeten Rennfahrern Matteo Cairoli und Marco Mapelli initiierte er deswegen auch den Hashtag #OperaioNoSuperstar („Arbeiter, kein Superstar“). „Wir haben mittlerweile sogar ein Logo, das wir uns haben tätowieren lassen.“ Für Marciello geht es vor allem darum, Rennen zu fahren. „Natürlich ist es mein Beruf und ich habe das Glück, dass ich mit dem Motorsport Geld verdienen kann. Aber ich betreibe ihn vor allem aus Leidenschaft. Wo auch immer in der Welt ich fahre, ich mache es, weil es mir Spaß macht. Egal ob es GT3 ist oder etwas anderes. Ich bin auch schon in Monza Rallye gefahren und möchte irgendwann mal bei der Rallye Dakar starten.“
Anfänge im Kart
Marciellos Eltern sind Italiener, er wird aber in Zürich geboren und wächst in Lugano auf. Über seinen Vater kommt er zum Motorsport: „Der ist großer Rennsportfan, ist aber selbst nie gefahren. Als ich dreieinhalb oder vier Jahre alt war, hat er mich in ein Kart gesetzt. Ich bin anfangs nur zum Spaß gefahren, da ich zu jung war und an keinen Wettbewerben teilnehmen durfte. 2003 war es dann so weit und ich bin in der Schweizer Meisterschaft gefahren.“ Marciello macht sich dank seiner Erfolge schnell einen Namen. Dann passiert etwas, wovon jeder Rennfahrer träumt: Ferrari wird auf ihn aufmerksam. „In der EM haben immer Nyck de Vries, Carlos Sainz jr., Danil Kvyat oder ich gewonnen. Ende 2009 – ich war damals 14 Jahre alt – kamen Luca Baldisserri und Ferrari auf mich zu und schlugen vor, mich in die neue Driver Academy aufzunehmen. Jules Bianchi und ich waren die ersten Mitglieder. Das war etwas ganz Besonderes. Ich habe in Maranello gewohnt und bin von Ferrari im Formelsport unterstützt worden.“
Fast in der Formel 1
Weitere Siege und Titel, darunter der des Formel-3-Europameisters 2013, folgen. Ende 2014 absolviert Marciello in Abu Dhabi einen Formel-1-Test mit Ferrari. Er beeindruckt dabei so sehr, dass ihn das Sauber-F1-Team für 2015 als Test- und Ersatzfahrer verpflichtet. Vier Mal tritt der Italiener in der Saison als Freitagsfahrer an Grand-Prix-Wochenenden im Freien Training an – doch am Jahresende folgt der Schock: Ferrari trennt sich von Marciello, das große Ziel Formel 1 ist vorbei. „Natürlich habe ich von der Formel 1 geträumt, aber zum Glück gibt es auch noch anderen Motorsport. Irgendwann muss man einsehen, dass die Plätze in der F1 sehr limitiert sind. Es gibt rund 20 Cockpits, wovon nur die Hälfte wirklich gut ist. Ich bin lieber dort, wo ich jetzt bin, als mit Alfa Romeo in der Formel 1 um Platz 14 oder 15 zu kämpfen.“
Wechsel in den GT3-Sport
Das „dort“ ist für den Italiener mittlerweile im fünften Jahr der GT3-Sport. „Nach dem Aus bei Ferrari war es eine Frage, ob ich ganz aufhöre oder mich neu orientiere.“ Er testet einen Lamborghini für das GRT Grasser Racing Team und steht kurz vor einem Werksvertrag mit dem italienischen Hersteller, doch dann verpflichtet ihn Mercedes-AMG. „Ich bin schon in der Formel 3 mit Mercedes-Motoren gefahren, daher gab es eine Verbindung. Sie suchten jemanden, der langfristig im Fahrerkader bleibt und wir haben uns schnell geeinigt.“ Eine Entscheidung, die er nicht bereut. „Ich bin sehr glücklich, wo ich jetzt bin. Ich muss mich nicht verstellen und kann sein, wer ich bin. Ich fahre auf den besten Rennstrecken der Welt wie Macau, Bathurst oder der Nordschleife und starte in sehr starken Meisterschaften.“
Titelkandidat in der Deutschen GT-Meisterschaft
Dazu gehört auch das ADAC GT Masters. In dieser Saison startet er mit dem Mann-Filter Team Landgraf – HTP/WWR für eine neue Mannschaft. Beim Auftakt in Oschersleben gelingt mit der Pole-Position und dem Sieg ein perfekter Einstand. Nach den ersten acht Rennen liegen „Lello“ und Partner Maximilian Buhk in der Deutschen GT-Meisterschaft nur drei Zähler hinter den Tabellenführern Ricardo Feller und Christopher Mies auf dem zweiten Gesamtrang. Dass es so gut läuft, überrascht ihn nicht: „Wir haben uns sehr gut vorbereitet und das Team ist super aufgestellt. Wir haben zum Beispiel mit Nicolas Duval einen Ingenieur, den ich schon aus der GT World Series kenne. Auch viele der Mechaniker kenne ich schon von anderen Teams. Und mit Maxi Buhk habe ich einen mega Teamkollegen. Auch wenn es ein neues Team ist, arbeiten dort viele Leute, die den Mercedes-AMG bereits kannten. Deshalb waren wir auch von Anfang an und auf eigentlich allen Strecken konkurrenzfähig.“
Wie sieht er seine Titelchancen? „Das ADAC GT Masters ist eine der härtesten Rennserien im GT-Sport. Es ist nicht einfach, dort an der Spitze mitzufahren. Wichtig ist es, immer ins Ziel zu kommen und Punkte mitzunehmen. Um am Ende ganz vorn zu sein, braucht man gute Qualifyings und sollte in den Rennen in die Top-Fünf fahren. Natürlich hat man keinen Einfluss darauf, was die anderen Team machen, aber es ist wichtig, keine Fehler zu machen und immer das Beste zu geben. Dann kann man am Ende auch mit sich zufrieden sein.“