Während für M-Sport und die Ford Fiesta-Fahrer Adrien Fourmaux, Gus Greensmith, Teemu Suninen und Tom Kristensson der achte Saisonlauf weitgehend Neuland bedeutet, konnten zwei ihrer Beifahrer bereits Erfahrungen auf den schmalen Agrarwegen sammeln, die für diese Veranstaltung so charakteristisch sind: Chris Patterson, der seinem britischen Landsmann Greensmith vorliest, und Renaud Jamoul. Für den belgischen Copiloten von Fourmaux ist es ein Heimspiel, während sein Kutscher kaum 40 Kilometer von Ypern entfernt in Nordfrankreich aufgewachsen ist.
Die Rallye Ypern setzt bei ihrem lang ersehnten Aufstieg in den WM-Kalender auf ein neues Konzept. Die Freitags- und Samstagsetappen entsprechen dem bekannten Format dieser Traditionsveranstaltung und führen die Crews von M-Sport Ford über technisch anspruchsvolle, zumeist einspurige Asphaltwege, die gerne von heimtückischen Wassergräben flankiert werden. Ständig wechselnde Grip-Verhältnisse gehören dabei ebenso zur Tagesordnung wie rechtwinklige Abzweige. Das „Cutten“ in Kurven – also das Abkürzen auf der Innenseite – verwandelt die vormals griffige Straßenoberfläche ruckzuck in eine schwierig einzuschätzende Rutschbahn. Kommt noch Regen dazu, verwandelt sich die „Ypern“ schnell in eine Angelegenheit für Routiniers und Spezialisten. An den ersten beiden Rallye-Tagen stehen insgesamt 16 Wertungsprüfungen (WP) über insgesamt 255,26 Kilometer auf dem Programm.
Für das Finale am Sonntag verlässt der Rallye-Zirkus bereits am frühen Morgen den pittoresk in der Altstadt von Ypern angesiedelten Service-Park und tritt die Reise gen Osten zur gut 300 Kilometer entfernten Grand Prix-Rennstrecke von Spa-Francorchamps an. Auf dem auch als „Ardennen-Achterbahn“ bekannten Formel 1-Kurs sowie dem angefügten RallyCross-Parcours finden ab 8:30 Uhr vier weitere WP über insgesamt 40,52 Kilometer statt. Die sogenannte „Power Stage“, auf der sich die Fiesta-Fahrer von M-Sport Ford bis zu drei WM-Punkte zusätzlich sichern können, setzt ab 12:18 Uhr den Schlusspunkt.
Die Abordnung des britischen Rallye-Teams startet wieder zweigleisig. Während Adrien Fourmaux/Renaud Jamoul und Gus Greensmith/Chris Patterson jeweils einen der gut 400 PS starken Fiesta WRC steuern, greifen die Finnen Teemu Suninen/Mikko Markkula und ihre schwedischen Teamkollegen Tom Kristensson/David Arhusiander jeweils auf einen ebenfalls allradgetriebenen Fiesta Rally2 zurück. Sie kämpfen um Spitzenplatzierungen in der WRC2-Wertung. Alle vier Wettbewerbs-Fahrzeuge von M-Sport Ford basieren auf dem in Köln-Niehl produzierten Kleinwagen.
„Die ,Ypern' ist absolut tricky und normalerweise eine Sache für Spezialisten“, blickt M-Sport-Teamchef Richard Millener voraus. „Mit einer gewöhnlichen Asphalt-Rallye hat sie mit ihren engen Abzweigen und Kurven, die sich durch das allgegenwärtige ,Cutten' schnell in rutschige Pisten verwandeln, wenig gemeinsam. Das gilt erst recht, wenn auch noch Regen hinzukommt – so wie bei unseren Testfahrten in der vergangenen Woche. Unsere Fahrer kennen sich mit solchen Bedingungen aber aus. Asphalt-Rallyes haben uns und unseren Fiesta in der Vergangenheit immer gut gelegen. Adrien Fourmaux ist zwar noch nie bei der ,Ypern' gestartet, doch er wuchs in der Region auf und hat daher ein eigenes Gefühl für die Streckencharakteristik und die Wetterkapriolen in dieser Gegend. Ebenso wie Gus Greensmith konnte er sich an die wechselhaften Bedingungen noch einmal bei unseren Probefahrten gewöhnen. Teemu Suninen hat auf Asphalt schon zuvor geglänzt, während Tom Kristensson eine Saison in der deutschen Rallye-Meisterschaft absolviert hat. Dort ähneln die Bedingungen oftmals den Verhältnissen, die in Belgien auf uns warten.“
Adrien Fourmaux / Renaud Jamoul (Ford Fiesta WRC, Startnummer 16); WM-Rang: 9; Rallye-Belgien-Starts: 0.
Obwohl der 26-jährige Franzose unweit von Ypern aufgewachsen ist: Bei der flandrischen Kult-Rallye geht Adrien Fourmaux zum ersten Mal an den Start. Nachdem er zuletzt beim WM-Lauf in Estland noch am Steuer des Fiesta Rally2 saß, darf der Medizinstudent in Belgien wieder im Cockpit des Fiesta World Rally Cars von M-Sport Platz nehmen.„Auch wenn diese Veranstaltung für mich neu ist, so fühlt sie sich doch an wie ein Heimspiel“, erläutert Fourmaux. „Ich kenne die Charakteristik der Wertungsprüfungen mit ihren wirklich engen Kurven, bei denen es vor allem auf leistungsfähige Bremsen und viel Traktion für die langen Geraden ankommt. Die schmalen Straßen führen auch durch richtig schnelle Ecken, in denen viel abgekürzt wird – das befördert viel Dreck auf den Asphalt. Das ist bei trockenen Bedingungen schon eine große Herausforderung, so richtig los geht es aber, wenn es regnet. Da die Prüfungen zumeist durch Felder führen, kann es so schlammig werden, dass wir fast Schotterreifen aufziehen müssten. Dadurch spielt auch die Position in der Startreihenfolge eine große Rolle. Mit einem World Rally Car wie dem Fiesta WRC ist das alles noch einmal extremer, aber ich fühle mich gut und freue mich auf den Event. Bei den Testfahrten haben wir einen ersten Eindruck von dem bekommen, was uns erwarten kann. Wir wollen ein gutes Resultat einfahren und werden wie immer unser Bestes geben.“
Gus Greensmith / Elliott Edmondson (Ford Fiesta WRC, Startnummer 44); WM-Rang: 7; Rallye-Belgien-Starts: 0.
Gus Greensmith konnte bei fünf der vorherigen sieben WM-Saisonläufen Punkte für M-Sport Ford einfahren, darunter mit dem vierten Rang bei der Safari-Rallye Kenia auch das bisher beste Ergebnis seiner Karriere. In Belgien peilt der 24-Jährige erneut ein Top-5-Resultat an. Dafür hat der Brite, der seine Laufbahn als Kartfahrer begann, gut 1,5 Tage lang unweit von Ypern intensiv getestet.„Es hat mich etwas überrascht, wie glatt und rutschig die Straßen durch die belgischen Feldlandschaften sein können und wie stark sich die Grip-Verhältnisse ständig ändern – das könnte im Laufe der Rallye das entscheidende Kriterium werden“, erläutert Greensmith. „Beim Testen hatten wir trockene und nasse Bedingungen, daher fühle ich mich jetzt ganz gut vorbereitet. Die Prüfungen sind nochmals viel enger als zum Beispiel bei der Rallye Deutschland, da bleibt nicht viel Platz für Fehler. Es kommt auf eine besonders saubere Fahrweise an, jeder Rutscher kann verhängnisvoll sein. Das Auto muss beim ,Cutten' stabil liegen und klar vorhersehbar bleiben, deswegen gefällt mir das Handling des Fiesta WRC. Ich habe nochmal an meinen Bremspunkten gearbeitet, um an den Abzweigen keine Zeit zu verlieren.“
Teemu Suninen / Mikko Markkula (Ford Fiesta Rally2, Startnummer 20); WM-Rang: 13; Rallye-Belgien-Starts: 0.
Nach seinem sechsten Platz in der Gesamtwertung mit dem Ford Fiesta WRC kehrt Teemu Suninen am kommenden Wochenende wieder ans Steuer des Fiesta Rally2 zurück.„Uns steht bei der ,Ypern' eine interessante Aufgabe bevor. Die größte Herausforderung könnte das ,Cutten' in den Kurven sein sowie die Fragen, wie sich das Auto dabei verhält und wie viel Dreck von den vorherigen Fahrzeugen auf die Straße katapultiert worden ist – speziell dann, wenn Regen einsetzt“, betont der Finne. „Das Wechseln zwischen dem Fiesta WRC und dem Fiesta Rally2 ist schwierig, aber ich will das bestmögliche Ergebnis erzielen. Zu Beginn meiner Karriere lag mein Schwerpunkt mehr auf Schotterveranstaltungen, inzwischen kann ich aber auch auf Asphaltprüfungen wie zum Beispiel bei der Rallye Korsika mithalten. Die wichtigste Aufgabe am kommenden Wochenende wird es sein, die Grip-Verhältnisse stets richtig einzuschätzen.“
Tom Kristensson / David Arhusiander (Ford Fiesta Rally2, Startnummer 23); Rallye-Belgien-Starts: 0.
Der amtierende FIA Junioren-Weltmeister setzt in Belgien seine WRC2-Saison am Steuer des gut 300 PS starken Fiesta Rally2 nach einem fünften Platz in dieser Klasse bei der Rallye Estland mit gestärktem Selbstvertrauen fort. Der Schwede hofft, dass ihm in Flandern jene Erfahrungen helfen, die er 2017 und 2018 im Rahmen der deutschen Rallye-Meisterschaft gesammelt hat.„Wir absolvieren am Montag noch einen wichtigen Test vor Ort, denn ich profitiere von jedem Kilometer am Steuer des Fiesta Rally2 und muss mich mit den Bedingungen der Rallye Ypern vertraut machen“, so Kristensson. „Ich will möglichst schnell in einen guten Rhythmus finden und Vertrauen ins Auto aufbauen. In Kroatien lief es für uns schon ganz ordentlich, ich war auf Asphalt konkurrenzfähiger als erwartet. Ich hoffe, dass die Wertungsprüfungen in Belgien in etwa jenen gleichen, die ich in Deutschland kennengelernt habe. Das große Teilnehmerfeld in der WRC2 interessiert mich nicht. Wir konzentrieren uns völlig auf uns selbst und geben alles, was wir physisch und mental anzubieten haben.“