Dienstag, 26. November 2024
Motorsport XLDas Motorsport MagazinVorschau Abonnement
DTM
20.05.2022

ABT DTM-Ingenieur Marc Roca im Interview

Marc Roca (38) ist bei ABT Sportsline Projektleiter DTM und Renningenieur am ABT Audi R8 LMS GT3 evo II von Kelvin van der Linde. Vor dem ersten DTM-Rennwochenende des Jahres in Deutschland auf dem Lausitzring (Samstag und Sonntag jeweils ab 13 Uhr live auf ProSieben) verrät der Katalane, wie er im Allgäu gelandet ist, die Stärken und Schwächen seines Fahrers und die enge Verbindung von Rennsport und Fahrzeugveredelung bei ABT Sportsline. 

Die DTM hat in dieser Saison ein Rekord-Startfeld. Wie beeindruckend war es, in Portimão 29 Autos in Turn 1 einbiegen zu sehen?
Marc Roca: „Es war sehr beeindruckend, vor allem mit dem Sound all dieser Autos! Man hofft nur, dass das eigene Auto nach der ersten Kurve noch in einem Stück ist.“

Wie sieht ein Renningenieur den Start eines DTM-Rennens? Haben Sie nur Augen für Ihren Fahrer?
„Ganz genau. Wir haben etwa fünf Bildschirme in dem Bereich der Box, in dem wir arbeiten. Die Augen wechseln ständig zwischen den verschiedenen Bildern hin und her. Wo ist dein Auto? Wie groß sind die Lücken? Machen wir einige Positionen gut? Das ist in der ersten Runde sehr wichtig.“

Was ist Ihre Hauptaufgabe während des Rennens?
„Der Fahrer ist allein im Auto. Wir unterstützen ihn. Versucht er, eine Position zu gewinnen, oder versucht er nur, seinen Vorsprung zu halten? Wie ist das Tempo unseres Fahrers im Vergleich zu anderen. Was können wir in Sachen Strategie machen? Zudem informieren wir ihn über Dinge wie Track Limits, ob jemand eine Strafe bekommen hat oder bereits an der Box war. Dieses Wissen gibt dem Fahrer Vertrauen und ist sehr wichtig.“

Die DTM-Regeln haben sich im Vergleich zur letzten Saison ein wenig geändert. Wie beurteilen Sie die Änderungen nach dem ersten Rennwochenende?
„Ich denke, die Regeln sind klarer, sodass es weniger Spielraum für Interpretationen gibt. Das ist für beide Seiten hilfreich: für die Organisation, aber auch für die Teams. Sie haben einen guten Job gemacht, man spürt, dass sie faire Rennen wollen. Das schnellste Auto soll gewinnen.“

Sie haben gerade gesagt, das schnellste Auto soll gewinnen. ABT Sportsline hat drei extrem starke Fahrer. Wie arbeiten Sie mit den anderen Ingenieuren und den beiden anderen Fahrern zusammen? Am Ende will ja jeder der drei gewinnen ...
„Es mag wie ein Klischee klingen, aber alle drei sind extrem professionell. Wir tauschen alle unsere Ideen aus, um das Maximum an Performance herauszuholen. Wenn der Fahrer in seinem eigenen Team echte Konkurrenz hat, kann er das Potenzial des Autos erkennen und sich selbst verbessern und weiterentwickeln. Im Moment läuft es sehr gut. Und man kann sehen, dass wir Fahrer haben, die sich wirklich engagieren und nicht zum Spaß da sind.“

Sie arbeiten seit der letzten Saison mit Kelvin van der Linde zusammen. Wie würden Sie ihn beschreiben? Was sind seine größten Stärken? 
„Er ist von Haus aus extrem schnell und hat die Fähigkeit, das Maximum aus dem Auto herauszuholen. Er hat ein gutes Gefühl und gibt gutes Feedback. Und man sieht eindeutig, dass er ein absoluter Spezialist für den Audi R8 LMS ist, den er schon viele Jahre fährt.“

Gibt es irgendwelche Schwachstellen?
„Kelvin ist sehr emotional, aber ich würde nicht sagen, dass das ein Schwachpunkt ist. Ich komme aus Barcelona und bin ähnlich. Wir versuchen, das auszunutzen und mit diesem Engagement das gewisse Extra an Leistung herauszuholen. Aber natürlich macht es die Sache ein bisschen schwieriger, wenn es eine Niederlage gibt.“

Sie sind letztes Jahr bei ABT Sportsline vom Dateningenieur zum Renningenieur befördert worden. Wie groß war dieser Schritt? Was ist anders in Ihrer neuen Rolle?
„Es war ein großer Schritt und es waren sogar zwei Schritte auf einmal. In der Class 1 habe ich mich um die Performance eines Autos gekümmert. Seit die DTM zu GT3-Autos gewechselt ist, haben wir weniger Unterstützung von Audi. Wir können mehr selbst entwickeln, aber wir haben natürlich auch mehr Aufgaben und Dinge zu erledigen. Es geht nicht nur um das Auto, sondern auch um die Elektronik und die Tools, um die Rennen bestmöglich vorzubereiten. Es war eine große Herausforderung, aber ich habe das in der Vergangenheit auch schon bei anderen Teams gemacht. Das hat mir geholfen, den Wechsel zu vollziehen, und es macht mir sehr viel Spaß.“

Sie haben den Wechsel von der Class 1 zu den GT-Autos erwähnt. Was können Sie tun, um diese GT3-Autos schneller zu machen?
„Das ist eine gute Frage. Wenn Sie eine klare Antwort haben, können Sie für uns arbeiten und Chefingenieur werden ... Im Ernst: Es geht um Detailarbeit. Man muss versuchen, in jedem Bereich stark zu sein, dem Fahrer ein gutes Gefühl zu geben und das Maximum herauszuholen, dafür zu sorgen, dass die Reifen optimal funktionieren, und zu verstehen, welches Setup man für die jeweilige Strecke braucht. Man muss wirklich alles maximieren.“

Kelvin war letztes Jahr überrascht über die vielen Meetings in der DTM. Was passiert bei diesen Meetings? Wie wichtig sind sie?
„Wie ich schon sagte: Man muss aus allem das Maximum herausholen. Wir wollen keinen Kommentar, kein Feedback verpassen. Jede Session ist für uns wie ein Test. Wir fragen die Fahrer alles, was die reine Performance betrifft, aber auch Dinge zur Ergonomie. Sitzen sie bequem im Auto? Können sie alles sehen? Gibt es etwas, das sie stören könnte? Man muss alle Teile zusammenfügen, um schnell zu sein. Das ist der Grund, warum wir so viel analysieren und so viele Meetings haben.“

Sie sind ein Katalane. Wie sind Sie in der DTM bei einem bayerischen Team gelandet? 
„Motorsport kennt keine Grenzen. Ich habe bei Teams in Barcelona angefangen. Als wir einen Ferrari eingesetzt haben, habe ich viele Leute aus Italien getroffen. Damals war ich noch jung und sah für mich gute Möglichkeiten in Italien. Ich habe für Maserati und Ferrari gearbeitet. Als ich dann das Jobangebot von ABT für die DTM sah, habe ich keine Zeit verloren und die Chance ergriffen, in der Class 1 bei einem so großartigen Team zu arbeiten.“

ABT Sportsline ist in einer der schönsten Regionen Deutschlands zu Hause. Was machen Sie in Ihrer Freizeit, sofern überhaupt vorhanden?
„Doch, ich habe Freizeit. Im Motorsport ist es zyklisch. Während der Rennwochen ist man voll konzentriert. Aber in der freien Zeit ist das Allgäu eine wirklich schöne Region, in der man gerne lebt. Wir genießen die Nähe von Seen und Bergen. Ich habe ein Mountainbike, und zusammen mit meiner Frau gehen wir auch wandern. Kempten ist eine kleine Stadt, die aber nette Restaurants und Plätze zum Spazierengehen bietet. Wenn wir etwas mehr wollen, fahren wir nach München, auch das ist eine schöne Stadt.“

Das DTM-Team ist nur ein Teil von ABT Sportsline. Wie beurteilen Sie das Unternehmen im Allgemeinen? 
„Man kann die Historie sehen. Es ist ein großes Unternehmen, in dem Tuning und Motorsport sehr gut zusammenarbeiten. Auch wenn wir in zwei getrennten Gebäuden untergebracht sind, liegen sie doch nah beieinander. Wir gehen zu den Leuten aus dem Tuningbereich, und sie kommen zu uns, um neue Technologien zu entwickeln oder sogar ihre Autos in unserer Werkstatt zu testen. ‚Von der Rennstrecke auf die Straße' ist mehr als ein Slogan. ABT Sportsline ist ein komplettes Automobilunternehmen.“

Am kommenden Wochenende fährt die DTM auf dem Lausitzring, ein Rennen, das Kelvin letztes Jahr fast gewonnen hätte. Was ist der Schlüssel, um in der Lausitz erfolgreich zu sein?
„Es ist eine ziemlich komplizierte Strecke, weil der Grad der Bodenwellen höher ist als auf anderen Strecken. In Sektor 1 geht es vor allem um Highspeed und Aerodynamik pur. Im zweiten und dritten Sektor gibt es mittelschnelle und langsame Kurven. Es ist eine Herausforderung, einen guten Kompromiss zu finden, aber ABT hat eine Menge Erfahrung auf dem Lausitzring und hat dort viele Rennen gewonnen.“


Stimmen vor den DTM-Rennen auf dem Lausitzring

Thomas Biermaier (Teamchef): „Nach einem durchwachsenen Start in Portimão gehen wir zuversichtlich an den Lausitzring. Wir waren dort im letzten Jahr sehr schnell. Wir haben nach dem Saisonstart hart gearbeitet, um zu verstehen, warum wir in Portimão nicht ganz vorne dabei waren. Wir glauben es zu wissen und wollen in der Lausitz um die Siege kämpfen und erneut gute Punkte für die Meisterschaft holen. Als erstes Rennen in Deutschland ist es wie ein zweiter Saisonstart vor einer hoffentlich tollen Zuschauerkulisse. Schon im vergangenen Jahr war Turn 1 im Oval ein sehenswertes Schauspiel.“

Kelvin van der Linde (ABT Audi R8 LMS GT3 evo II #3): „Ich freue mich auf den Lausitzring, auch wenn das nicht meine Lieblingsstrecke ist. Aber ich hatte dort in der Vergangenheit immer gute Rennen. Im vergangenen Jahr habe ich nur knapp den Sieg verpasst, als der Motor in Führung liegend kurz ausgegangen ist. Deshalb haben wir noch eine Rechnung offen und würden das mit dem Sieg gerne nachholen. Wir haben nach Portimão unsere Hausaufgaben gemacht und werden alles daransetzen, wieder bester Audi zu sein.“

Anzeige
Ricardo Feller (ABT Audi R8 LMS GT3 evo II #7): „Nach dem positiven Einstand in der DTM freue ich mich noch mehr auf das nächste DTM-Wochenende. Wir haben in Portimão einen guten Grundstein gelegt, auf dem wir aufbauen und uns Rennwochenende für Rennwochenende weiter nach vorn kämpfen können. Aus dem letzten Jahr im GT Masters habe ich gute Erinnerungen an den Lausitzring. Die Streckenvariante mit der Steilkurve in Turn 1 ist neu für mich, aber Highspeed-Kurven finde ich mega. Von daher kann ich es kaum abwarten, am Freitag das erste Mal aus der Box zu fahren.“

René Rast (ABT Audi R8 LMS GT3 evo II #33): „Ich habe am Lausitzring in der DTM schon Rennen gewonnen, aber es ist das erste Mal für mich, dass ich die schnelle Variante von Turn 1 fahre. Ich habe mir das natürlich schon angeguckt und mir das auch von den anderen Fahrern angehört. Aber ich bin jetzt echt gespannt, wie es sich im Auto anfühlt, dort fast mit Vollgas durchzufahren. Ich hoffe, dass wir am Lausitzring zumindest die ersten Punkte einfahren können. Es wäre mir wichtig, nicht wieder ohne Punkte nach Hause zu fahren.“