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Extreme E
25.11.2022

Klara Andersson im Interview: mit Superpower zum Erfolg in Uruguay

Das Saisonfinale der Extreme E in Uruguay am 26. und 27. November steht bevor. Neben Nasser Al-Attiyah fährt erneut die Schwedin Klara Andersson für das ABT CUPRA XE Team. Im Interview erzählt die erst 22 Jahre junge Rennfahrerin, wie sie zum Motorsport gekommen ist, warum ihr Eishockey geholfen hat, so erfolgreich zu werden, und was sie im CUPRA Tavascan XE in Uruguay erreichen will.

Andersson fuhr beim Minerals Copper X Prix in Antofagasta (Chile) Ende September zum ersten Mal für das Team ABT CUPRA XE. Nach der Verletzung von Jutta Kleinschmidt war sie kurzfristig eingesprungen und fuhr mit Rallye-Dakar-Legende Al-Attiyah einen starken Podiumsplatz heraus. Im Interview verrät die Rallycross-Fahrerin, was ihre Superpower ist.
Bevor wir über die Extreme E sprechen, wollen wir kurz über deine aktuellen Rallycross-Erfolge sprechen. Du bist die einzige Frau in der FIA Rallycross-Weltmeisterschaft und hast in deiner ersten Saison Historisches erreicht: die erste Frau, die einen Podiumsplatz geholt hat (in Portugal), und zuletzt am Nürburgring konntest du deinen ersten Sessionsieg einfahren. Was bedeuten dir diese Erfolge?
„Sie bedeuten mir sehr viel, um ehrlich zu sein. Ich habe davon geträumt, in der Rallycross-Weltmeisterschaft zu fahren, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich bin erst 22 Jahre alt und als ich dieses Jahr den großen Schritt in die Weltmeisterschaft gemacht habe, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Ich weiß, dass ich die nötige Leidenschaft dafür habe, aber meine Konkurrenten fahren dort schon seit so vielen Jahren Rennen. Es war also eine große Herausforderung für mich. In Portugal auf dem Podium zu stehen und jetzt in Deutschland meinen ersten Lauf zu gewinnen, das sind unvergessliche Erlebnisse.”
Fühlst du dich bereits akzeptiert in einer Welt, die immer noch von Männern dominiert wird?
”Ich denke, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Als Frau im Motorsport hat man es nicht immer leicht. Es gibt gute und weniger gute Erlebnisse. Ich muss mich leider immer wieder neu beweisen. Aber nach dieser Saison bin ich sehr stolz darauf, dass ich gezeigt habe, dass ich schon in meiner ersten Saison konkurrenzfähig bin und dass Frauen auf dieses Niveau gehören. Das ist ein wichtiger Schritt dafür, dass vielleicht bald mehr Frauen in der Rallycross-Weltmeisterschaft und im Motorsport unter gleichen Bedingungen wie die Männer fahren.”
Die Rennserie Extreme E hat die Gleichstellung der Geschlechter im Motorsport fest in der eigenen Philosophie verankert.
”Ja, die Extreme E hat ein cooles Konzept. Ich verfolge die Serie seit der ersten Saison. Sie zeigt, dass Frauen und Männer in diesem Sport gleichberechtigt antreten können. Es gibt nicht viele Sportarten, in denen das so ist. Ich finde es auch positiv, dass die Extreme E an Orten fährt, die mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben. So wird die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen des Klimawandels und auf lokale Lösungsansätze gelenkt. Es wird deutlich, was wir als Gesellschaft besser machen müssen. Das ist ein phänomenales Konzept, und ich liebe es, ein Teil davon zu sein.”
Noch mal zurück zur Rallycross-WM: Am Nürburgring hättest du dich eigentlich für das Finale qualifiziert, hast aber zugunsten deines Teamkollegen Niclas Grönholm auf den Platz verzichtet. Er erreichte dadurch den dritten Platz in der Meisterschaft. Wie schwer war das für dich?
„Ich bin ganz ehrlich: Es war herzzerreißend. Es hat einige Zeit gedauert, diese bittere Pille zu schlucken. Ich hatte mein bestes Wochenende in der gesamten Saison, durch den Sieg am Samstag und die guten Rennen am Sonntag hatte ich mich eigentlich fürs Finale qualifiziert. Klar, war ich traurig, nicht das Finale fahren zu dürfen, aber es hat meinem Teamkollegen Niclas Grönholm den dritten Platz in der Meisterschaft gebracht und ich bin stolz darauf, dass wir das als Team geschafft haben.”
Eine selbstlose Aktion. Fast schon heldenhaft. Würdest du dich selbst als Heldin bezeichnen?
”Nein, ich glaube, Niclas war sehr dankbar dafür, und es war eine Teamarbeit. Ich bin glücklich, weil ich das Team immer an die erste Stelle setze. Man muss das große Ganze sehen. Das Team hat die ganze Saison über hart gearbeitet, daher ist dies ein guter Abschluss für uns.”
Wie bist du eigentlich zum Motorsport gekommen? Deine Eltern waren daran nicht ganz unbeteiligt, richtig?
„Ja, das stimmt. Meine Mutter und mein Vater sind in den 1980er- und 1990er-Jahren Rallycross gefahren. Meine Schwester Magda und ich haben sehr früh mit dem Kartfahren begonnen. Ich habe mit sieben Jahren zum ersten Mal in einem Kart gesessen und mich sofort in die Geschwindigkeit verliebt sowie in das Gefühl, Rennen zu fahren. Dann habe ich einige Meisterschaften in Schweden gewonnen. Mit 13 Jahren bin ich dann zum Rallycross gewechselt, aber leider wurde die Klasse gestrichen, sodass ich fünf Jahre lang nicht fahren konnte, bis ich 18 war. Das war die schwierigste Zeit in meinem Leben. Ich habe damals meine Schwester verfolgt, als sie in der FIA Rallycross-Europameisterschaft fuhr, und dadurch viel gelernt. Als ich volljährig war, bekam ich endlich die Chance, in der schwedischen Junior-Rallycross-Meisterschaft anzutreten. Ich war so heiß darauf, wieder Rennen fahren zu dürfen und das zu machen, wovon ich immer geträumt hatte.”
Wie ist das Verhältnis zu deiner älteren Schwester Magda, die bereits vor dir im Motorsport erfolgreich war?
„Meine Schwester ist meine beste Freundin. Sie ist meine größte Supporterin, wir stehen uns sehr nahe. Unsere Karrieren haben sich überschnitten. Ich konnte fünf Jahre lang keine Rennen fahren und habe sie verfolgt. Meine Schwester hat in meinem zweiten Jahr im Rallycross aufgehört, selbst Rennen zu fahren. In diesem Jahr hat sie mich bei all meinen Rennen begleitet. Sie kennt das Geschäft und es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man über alles reden kann, denn es ist nicht immer einfach.”
Deine Schwester sagt, ihr hättet euch eure ganze Kindheit lang miteinander gemessen, stimmt das?
„Ja, das stimmt. Wir haben schon als kleine Kinder miteinander konkurriert. Wir lieben es beide zu gewinnen, und hassen es zu verlieren. Es ist interessant: Früher wollte ich immer wie meine große Schwester sein und wir haben miteinander konkurriert. Jetzt fahren wir nicht mehr zur gleichen Zeit Rennen und unsere Beziehung hat sich verändert. Wir unterstützen uns gegenseitig mehr, als dass wir uns gegenseitig schlagen wollen. Ich bin dankbar, dass ich meine Schwester habe.”
Deine Schwester meint auch, du seiest absolut furchtlos, wenn es darum geht, neue Herausforderungen anzunehmen. Ist das deine Superkraft, furchtlos zu sein?
„So kann man es gut beschreiben. Ich nutze gerne jede Chance, die sich mir bietet, und ich bin ein sehr leidenschaftlicher Mensch, wenn es um Wettkämpfe geht. Wenn ich in einem Auto sitze, fühle ich mich wie zu Hause. Ich habe das Gefühl, da gehöre ich hin.”
Darüber hinaus betonte Magda, du seiest jemand, der die Lösungen statt der Probleme sieht – das klingt nach einer sehr positiven Denkweise …
„Ich habe die Mentalität, immer eine Lösung finden zu wollen, um das Beste aus jeder Situation zu machen. Das Wichtigste ist, dass man Spaß haben kann, und am meisten Spaß macht es zu gewinnen. Letztlich tue ich das, was ich liebe. Manchmal vergisst man das, wenn man schwierige Phasen in seiner Karriere hat – aber man sollte dankbar sein, das tun zu können, was man liebt.”
Als Kind hast du Eishockey gespielt und dort Kampfgeist und Konzentration entwickelt. Ist das richtig?
„Ich habe meine ganze Kindheit, insgesamt zehn Jahre lang, mit Jungs Eishockey gespielt. Ich glaube, das hat mich tough gemacht, und ja, vielleicht stammt meine Entschlossenheit aus dieser Zeit.”
Spielst du immer noch Eishockey, wenn du nach Schweden kommst?
„Wegen des Verletzungsrisikos spiele ich jetzt nicht mehr. Aber ich liebe diesen Sport, ich sehe mir oft Spiele an. Das erinnert mich an meine Kindheit.”
Du hast bereits vor dem Einsatz für CUPRA in einem Extreme-E-Auto gesessen, richtig?
„Ich war in der letzten Saison Rookie-Tester für das Acciona-Team von Carlos Sainz und sollte eigentlich dieses Jahr für das Xite-Energy-Team in Saudi-Arabien fahren, aber ich konnte wegen einer Covid-19-Infektion nicht teilnehmen.”
Wie war der Empfang im CUPRA Team?
„Es war ein herzlicher Empfang. Alle im Team waren sehr hilfsbereit und ich habe gar keinen Druck gespürt. Ich wurde auf eine äußerst nette Art und Weise gecoacht. Es war eine sehr teamorientierte Herangehensweise. Dass ich wenig Erfahrung habe, war natürlich klar, aber alle haben mir das Gefühl gegeben, dass ich es schaffen kann. Ohne den Teamspirit und die Unterstützung von Nasser wäre das Ergebnis sicher anders ausgefallen.”
Hattest du auch Kontakt zu Jutta Kleinschmidt?
„Ja, ich habe während des Rennwochenendes in Chile Nachrichten von ihr bekommen. Sie hat sich gefreut, dass ich meine Chance bekommen habe und dass wir das Wochenende am Ende zu etwas Positivem für das Team drehen konnten. Ich habe sie letztes Jahr persönlich kennengelernt, als ich Rookie-Testerin im Carlos-Sainz-Team war, und viel mit ihr gesprochen. Ich schaue wirklich zu ihr auf. Sie ist ein großes Vorbild für Frauen im Motorsport.”
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