Mit dem Sieg in der Cup 2 sowie dem zweiten Platz in der Cup 3 beim Saisonauftakt der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) und der ‚Mission Titelverteidigung‘ in der Porsche Endurance Trophy Nürburgring (PETN) begann im März das motorsportliche Jahr für das Team nach Maß. Der zweite Lauf der NLS verlief dann nicht ganz wie erhofft, was war passiert?
Daniel Schellhaas: „Unser AVIA racing Porsche 992 GT3 Cup #120 verunfallte leider und wir reisten ohne Punkte in der Cup 2 ab. Umso mehr freute uns der Sieg in der Cup 3 mit dem AVIA racing Porsche Cayman GT4 #960 und der dritte Platz für den CMS Cayman GT4 #962 beim zweiten Lauf. Beide Autos sammelten ebenfalls beim Saisonauftakt bereits reichlich Punkte in der PETN.“Neben dem Porsche-Quartett in der Porsche Endurance Trophy Nürburgring (PETN) hatte ein weiterer Porsche des Teams bei NLS 3 einen Gastauftritt. Was war der Hintergrund?
Patrick Wagner: „Neben dem Porsche 992 GT3 Cup und den drei Porsche 718 Cayman GT4 CS absolvierte der RODOPI Porsche 718 Cayman GT4 RS Clubsport in der SP10 einen Gaststart in der Langstrecke, der mit dem vierten Platz in der Klasse sehr erfolgreich war. Der große Unterschied lag darin, dass die vier Stamm-Porsche in den Cups gegen identische Autos starten und in der SP10 GT4-Autos verschiedener Hersteller.“Daniel Schellhaas: „Unser Stammfahrer Max Kronberg, der in diesem Jahr in der GT4 European Series und in der ADAC GT4 Germany das Auto steuert, wollte sich neben den Testfahrten auch mit der Teilnahme unter Rennbedingungen auf die bevorstehende Saison in beiden Serien vorbereiten. Dabei konnten wir mit dem Auto erste Daten sammeln. Auch mit dem Gedanken, 2024 eventuell mit dem Porsche 718 Cayman GT4 RS Clubsport in der SP10 in der Langstrecken-Serie auf der Nordschleife anzutreten.“
Bei diesem Lauf in der Grünen Hölle gab es auch den ersten Rückschlag nach einem schweren Unfall, der eine schwarze Woche für W&S Motorsport einläutete. Was passierte noch vor Saisonstart der GT4 European Series in Monza und was folgte dann?
Daniel Schellhaas: „Charles Dawson stieß donnerstags in der Testsession unglücklich in das Auto von Max Kronberg und die Chassis beider Porsche Cayman GT4 waren irreparabel beschädigt. Dadurch hatten wir bereits nach zwanzig Minuten auf der Strecke und noch vor der ersten offiziellen Session der Serie am Freitag kein einsatzfähiges Auto mehr vor Ort in Monza. Aber wir wollten natürlich nicht schon vor Saisonbeginn einpacken und ohne Punkte abreisen. Also haben wir kurzerhand noch an diesem Donnerstag einen Ersatzwagen Richtung Monza geschickt. Dieser wurde dann über Nacht einsatzbereit gemacht und konnte am Freitag an den freien Trainings teilnehmen. Im Qualifying am Samstag verunfallte das Auto dann leider auf einer Ölspur und das Wochenende war endgültig vorbei.“Es folgten arbeitsreiche Tage nach den Tagen voller Pech. Wie hatte das Team es geschafft, innerhalb von drei Tagen das erste Auto wieder aufzubauen, um bereits am folgenden Wochenende beim Saisonauftakt des GTC Race mit einem Porsche 718 Cayman GT4 RS Clubsport am Start zu sein?
Daniel Schellhaas: „Noch am Tag des Unfalls begannen wir vor Ort die drei zerstörten Autos zu zerlegen und mit den verbliebenen Teilen ein frisches Auto aufzubauen. Die größte Herausforderung an den Unfällen war sicherlich der Zeitpunkt zu Saisonbeginn. Im Laufe einer Saison kannst du mit den Fahrern besprechen, ob es Sinn macht, ein Rennen auszusetzen. Dazu kommt, dass die Fahrer im GTC Race in dem Fall ebenfalls ohne Punkte geblieben wären, ohne dass diese etwas mit den Unfällen zu tun hatten. Wäre hier Richtung Meisterschaftsende eh nichts mehr zu holen gewesen, hätten wir wohl nicht so einen Kraftakt gewagt.“Patrick Wagner: „Am Monza-Wochenende war ich bei einem Einsatz am Nürburgring. Wir haben sofort eine neue Rohkarosserie bei Manthey abholen und nach Ofterdingen bringen können. Sobald die Teile am Montagnachmittag aus Monza eintrafen, machten wir uns mit fünf Mann an die Arbeit, um den ersten Porsche 718 Cayman GT4 wieder aufzubauen. Wir schraubten quasi ohne Pause und nach drei Tagen war dieser einsatzbereit. Die weiteren Tage und Wochenenden waren wir dann mit der Hilfe von vielen fleißigen Händen beschäftigt, die zwei anderen Rohkarossen fertig zu machen.“
Eben dieser Porsche 718 Cayman GT4 RS Clubsport im GTC Race ist ein besonderes Auto.
Patrick Wagner: „Unser Fahrer Tim Horrell aus den USA ist querschnittsgelähmt. Um ihm das Rennfahren zu ermöglichen, wurde in Zusammenarbeit mit der PARAVAN GmbH ein spezieller Gasring am Lenkrad eingebaut. Die Bremse betätigt er über einen Hebel mit der rechten Hand mechanisch. Dadurch kann sein Cockpitkollege das Auto jederzeit wie gewohnt steuern. Das ganze Projekt ist für uns auch neu. Wir lernen noch und optimieren das System mit jedem Rennen weiter. Wir kooperierten in der Vergangenheit bereits mit der PARAVAN GmbH bei der Entwicklung der Steer-by-Wire Technik, aber mit dem Einsatz für Tim Horrell beschritten wir Neuland.“Die vermutlich größte Herausforderung für Mensch und Material ist jedes Jahr das 24h-Rennen auf dem Nürburgring, bei dem W&S Motorsport mit drei Porsche 718 Cayman GT4 CS antrat. Wie gnadenlos die Grüne Hölle ist, erlebte das Team in diesem Jahr.
Patrick Wagner: „Das erste Auto, der AVIA racing Porsche Cayman GT4, wurde in der Nacht durch ein völlig unnötiges Manöver von einem anderen Auto abgeräumt und zerstört. Dem Fahrer ging es zum Glück gut. Wir lagen bis dahin sehr gut im Rennen, da ist es natürlich ärgerlich, wenn du abgeschossen wirst. Drei Stunden vor Ablauf der Zeit verunfallte der zweite Porsche Cayman GT4 nach einem Fehler des Fahrers schwer. Das zeigt, wie gnadenlos das 24h-Rennen in der Grünen Hölle ist. Eine Unachtsamkeit und du bist nach 21 Stunden raus. Auch hier stellte sich glücklicherweise heraus, dass der Fahrer unverletzt blieb. Als Trost sah das dritte Auto auf Platz vier in der Cup 3 die Zielflagge.“Ende Mai begann auch endlich die Saison der ADAC GT4 Germany im Rahmen der legendären DTM. Mit der GT4 European Series ist die ADAC GT4 Germany wohl eine der am härtesten umkämpften Serie mit GT4-Autos verschiedener Hersteller. Nach dem Auftakt in Oschersleben, mit Punkten für die drei Besatzungen, gab es beim zweiten Rennwochenende in Zandvoort Anlass für AVIA W&S Motorsport zum Feiern.
Daniel Schellhaas: „In Zandvoort konnten wir die vorhandene Leistung umsetzen, erkämpften den Gesamtsieg und waren insgesamt sechs Mal auf dem Podium. Die Performance war in Oschersleben identisch, jedoch konnten wir dort aufgrund der Balance of Performance des Porsche Cayman GT4 nichts gegen die Konkurrenz von BMW ausrichten. An die Resultate von Zandvoort knüpften wir am Nürburgring zum Teil an und Finn Zulauf und Daniel Gregor stiegen auf das Podium. Max Kronberg punktete in der Trophy ebenfalls erneut stark und gewann die Trophy-Wertung am Sonntag. Leider ist das Fahrerduo des GEDORE Porsche Cayman GT4 nach einem Fehler in der Meisterschaft nach hinten gerutscht. Das darf nicht mehr vorkommen und wir werden in der zweiten Saisonhälfte Vollgas geben, damit David Jahn und Jannes Fittje zurück an die Tabellenspitze klettern.“Vier Rennserien mit Terminen in ganz Europa über eine Saison zu bestreiten ist ein großes Programm. Wie bewältigt das Team diesen vollen Kalender?
Daniel Schellhaas: „Du benötigst zuerst genügend Fachpersonal. Wir haben dieses in Kernteams den Serien zugewiesen, die sich nahezu ausschließlich darauf konzentrieren können. Wenn nötig wird unter den Crews auch ausgeholfen. Jedoch gehen so viele Einsätze selbstverständlich nur mit ausreichend Personal. Weiterhin bedarf es auch an Equipment in ausreichender Anzahl. Besonders wenn mehrere Veranstaltungen an einem Wochenende stattfinden, um keine Kompromisse einzugehen, sondern professionell zu arbeiten.“Am Hauptsitz in Ofterdingen entstand ein weiteres Projekt, um das Angebot für die Fahrer nochmals aufzuwerten.
Daniel Schellhaas: „In Zusammenarbeit mit KW bieten wir als Mehrwehrt für unsere Fahrer einen Rennsimulator mit integriertem Arbeitsplatz für Ingenieure. Schwerpunkt des Projekts ist es, junge Nachwuchsfahrer, aber auch Quereinsteiger und Amateurfahrer, umfangreich auszubilden und auf die Arbeit im realen Cockpit vorzubereiten. Mit diesem Rundumpaket kannst du dich mit dem Auto vertraut machen, neue Strecken kennenlernen und dich auf die Arbeitsabläufe an der Rennstrecke vorbereiten. Der Simulator ist ein Teil unserer Ausbildungs- und Unterstützungsphilosophie, die sich inzwischen sicher auch Akademie nennen kann.“Die Zusammenarbeit mit KW ist nicht die einzige Zusammenarbeit mit den Teamsponsoren über die Werbung auf den Autos hinaus. Welche weiteren engeren Kooperationen sind entstanden?
Daniel Schellhaas: „Unsere Partner kommen aus allen Sparten und sind zum Teil Marktführer. Bei Kraftstoffen und Schmiermittel arbeiten wir mit AVIA zusammen. Unterstützung beim Catering bekommen wir durch das Hotel Schöne Aussicht und dem Inhaber Axel Duffner, der ebenfalls schon als Fahrer zahlreiche Rennen mit W&S Motorsport bestritten hat. Bei Transportfragen steht uns Samedaylogistics jederzeit ultraschnell zur Seite und beim Werkzeug vertrauen wir auf das Sortiment von GEDORE. Hier bekamen wir schnelle und unkomplizierte Unterstützung nach einem Unfall beim ADAC GT4 Germany Wochenende auf dem Nürburgring. Bei Fragen zu Felgen ist CMS Wheels für uns jederzeit mit Kompetenz für uns da. Damit haben wir für die unterschiedlichsten Bereiche starke und verlässliche Partner als Unterstützer.“Welche Ziele gibt es für die restliche Saison 2023?
Daniel Schellhaas: „Der Fokus liegt deutlich darauf, dass wir in der ADAC GT4 Germany mit zwei Autos weiterhin Chancen auf die Meisterschaft haben, dafür werden wir kämpfen. Daniel Gregor und Finn Zulauf können in der Junior-Wertung Champions werden und in der Teamwertung liegen wir aktuell auf Platz eins. Es gibt also genügend Ziele, um weiter voll anzugreifen. Die Leistungsdichte im gesamten Fahrerfeld der ADAC GT4 Germany ist unglaublich eng und auf höchstem Niveau. Es ist die herausforderndste Serie in diesem Jahr. Da möchten wir im besten Fall in allen Klassen ganz vorne abschließen.“Mit Saisonhalbzeit der GT4-Serien, dem letzten Drittel der NLS und noch einem verbleibenden Wochenende im GTC Race richtet sich der Blick sicherlich bereits auf 2024. Gibt es schon erste Pläne für das kommende Jahr?
Daniel Schellhaas: „Durch unsere Spezialisierung auf die GT4-Serien und die NLS gehen die Pläne natürlich weiterhin für diese Serien voran. Wir werden auf dem gleichen professionellen Niveau weitermachen und siegfähige Fahrerbesatzungen zusammenstellen. Hier stehen wir schon jetzt mit Fahrern und Sponsoren im Gespräch. Wichtig ist, dass wir ein gutes Paket schnüren können, mindestens eine starke Silber-Paarung in der GT4 European Series ist unser Ziel. In der Pro-Am-Wertung sind wir mit Hendrik Still und Max Kronberg stark aufgestellt, das Engagement möchten wir weiterführen.“Patrick Wagner: „Selbiges gilt natürlich auch für die Nürburgring Langstrecken-Serie. Da sind wir ebenfalls bereits aktiv auf der Suche und im Dialog.“