Starke Wetterkapriolen prägten die 92. Auflage der 24 Stunden von Le Mans. Der Langstreckenklassiker fand vor einer neuen Rekordkulisse von 329.000 Zuschauern statt. Aufgrund intensiver Regenfälle neutralisierte die Rennleitung den Wettbewerb phasenweise per Safety-Car-Einsatz. Weitere Schauer rund zwei Stunden vor dem Ende sowie in den finalen Minuten trieben die Spannung im Kampf um den Sieg auf die Spitze. Ohne nennenswerte Zwischenfälle, mit perfekter Strategie und dank fahrerisch starker Vorstellungen erreichten Richard Lietz aus Österreich, der Niederländer Morris Schuring und Yasser Shahin aus Australien den Zielstrich als Erste in der LMGT3-Klasse. Der 911 GT3 R von Manthey EMA hatte nach 24 Stunden einen Vorsprung von einer Runde auf die nächsten Verfolger. Das Schwesterfahrzeug von Manthey PureRxcing kam nach einem technischen Defekt auf Platz 14 in die Wertung. Es hatte in der ersten Hälfte des Rennens an der Spitze der neuen GT3-Klasse gelegen.
„Als erster Hersteller mit einem GT3-Rennwagen in Le Mans zu gewinnen, das ist eine einmalige Geschichte, die uns niemand mehr nehmen kann“, freut sich Sebastian Golz, Projektleiter Porsche 911 GT3 R. „Wir haben sie in Zusammenarbeit mit allen Kollegen in Weissach geschrieben. Das war eine neue Herausforderung für uns. Gratulation auch an das Team Manthey EMA, das Zusammenspiel hat großartig funktioniert. Auch in den Wertungen der Weltmeisterschaft sieht es für uns jetzt sehr gut aus, wir konnten viele Punkte sammeln. Schade für den 911 GT3 R mit der Startnummer 92, der technische Probleme hatte. Das werden wir uns im Nachgang natürlich genau anschauen. Jetzt nehmen wir die WM-Titel in Angriff.“
„Ich freue mich sehr über den Klassensieg von Manthey EMA in der LMGT3-Klasse“, fasst Thomas Laudenbach zusammen. Der Leiter Porsche Motorsport ergänzt: „Mit diesem Triumph liegt Porsche nun noch deutlicher an der Spitze der GT3-Wertungen der WEC. Großes Kompliment an die Mannschaft aus der Eifel. Das ist ein Sieg für Porsche! Beim Blick auf das Gesamtklassement möchte ich zunächst Ferrari zum zweiten Le-Mans-Sieg in Folge gratulieren. Es ging in der Topklasse extrem eng zu. Wir haben zahlreiche Rad-an-Rad-Duelle erlebt, hinzu kam das wechselhafte Wetter. Für die Fans war es sicherlich ein Genuss, für uns als Werksmannschaft nicht ganz so. Wir hatten uns mehr als Platz vier erhofft. Die Erlebnisse müssen wir erst einmal etwas sacken lassen und dann in die Analyse gehen. Denn eines ist klar: Porsche tritt in Le Mans an, um zu gewinnen.“
Die Startnummer 6 von Polesetter Kévin Estre aus Frankreich, André Lotterer aus Deutschland und Laurens Vanthoor aus Belgien kämpfte bis zum Schluss um einen Platz auf dem Podest. Am Ende fehlten dem bestplatzierten Werks-Porsche 963 nur 1,167 Sekunden auf den dritten Rang. Das Schwesterauto des Australiers Matt Campbell, des Dänen Michael Christensen und Frédéric Makowiecki aus Frankreich verlor den direkten Anschluss zur Spitze in der Nacht. Der Hybridprototyp mit der Nummer 5 überquerte den Zielstrich auf Position sechs. Für die Startnummer 4 war der Traum vom Le-Mans-Sieg spätestens am Sonntagmorgen um 9:15 Uhr beendet. Der Brasilianer Felipe Nasr rutschte im Bereich der Indianapolis-Kurven seitlich in die Barrieren. Das Fahrzeug musste das Rennen anschließend beenden. Zuvor waren Nasr und seine Teamkollegen Mathieu Jaminet aus Frankreich und Nick Tandy aus Großbritannien nach mehreren Strafen und einem Reparaturstopp aufgrund eines Fremdkontakts in Rundenrückstand geraten.
„Gratulation an Ferrari, aber auch an unser Team: Der große Erfolg hätte in Reichweite gelegen“, betont Urs Kuratle, Leiter Werksmotorsport LMDh. „Wir müssen jedoch eingestehen, dass wir heute nicht ganz fehlerfrei waren. Wir haben das Podium nur um wenige Meter verpasst. Unser Porsche 963 besaß das Potenzial und unsere Fahrer haben ebenso wie die ganze Mannschaft auf außergewöhnlich hohem Niveau agiert. Dafür möchte ich mich bedanken. Im nächsten Jahr kommen wir wieder.“
„Eine sehr verregnete Auflage der 24 Stunden von Le Mans ist zu Ende gegangen“, blickt Jonathan Diuguid zurück, der Leitende Direktor Porsche Penske Motorsport. „Unsere Startnummern 6 und 5 haben in den letzten vier Stunden wirklich alles versucht. Unsere Crew agierte auch im Hinblick auf die Reifenwahl am strategischen Limit. Wir wollten unbedingt mit den Ferrari und den Toyota um den Sieg kämpfen. Als beste Position steht nun Platz vier für unsere Nummer 6. Wir hatten uns mehr vorgenommen. Immerhin lief es deutlich besser als im vergangenen Jahr. Und noch etwas Positives: Unsere Mannschaft konnte recht viele Punkte in der Langstrecken-Weltmeisterschaft sammeln und unsere Spitzenposition festigen.“
In der Herstellerwertung der FIA WEC hat Porsche den ersten Platz verteidigt. Die Fahrercrews der Startnummern 6 und 5 belegen vor dem fünften Saisonrennen am 14. Juli in São Paulo (Brasilien) die Positionen eins und fünf. In der LMGT3-Meisterschaft haben die Le-Mans-Klassensieger Lietz, Schuring und Shahin den ersten Platz übernommen. Ihre Marken- und Teamkollegen Klaus Bachler aus Österreich, Joel Sturm aus Deutschland und Alex Malykhin aus Großbritannien belegen mit nur drei Punkten Rückstand die dritte Position.
Die beiden Kundenmannschaften Hertz Team Jota und Proton Competition hatten bei ihren Einsätzen mit dem Porsche 963 wenig Glück. Die Startnummer 12 des britischen Teams erreichte nach einem beeindruckenden Kampf den achten Gesamtrang. Das Fahrzeug war nach einem Unfall in der letzten Trainingssession am Mittwoch komplett neu aufgebaut worden. Das Schwesterauto (Nummer 38) mit dem ehemaligen Formel-1-Weltmeister Jenson Button fuhr nach zahlreichen Strafen auf Platz neun. Die Nummer 99 von Proton Competition beendete das Rennen nach mehreren Defekten auf Position 16.
Nicolas Raeder (Geschäftsführer Manthey): „Das ist der fünfte Le-Mans-Klassensieg für Manthey nach 1999, 2013, 2018 und 2022. Es war sehr anstrengend, wie immer aber auch etwas sehr Besonderes und eine große Ehre: Wenn Wolfgang Porsche zum Gratulieren vorbeikommt, dann ist das der Moment, an dem auch mir die Tränen kommen. Der entscheidende Faktor war die Kombination aus Fahrern, Ingenieuren und Mechanikern – das ganze Team. Viele glauben immer, der Erfolg würde an einem bestimmten Punkt hängen. Es ist aber das Ganze, das den Unterschied macht.“
Morris Schuring (Porsche 911 GT3 R #91): „Ein Traum geht für mich in Erfüllung! Ich habe es mit meinen 19 Jahren gar nicht gewagt, bei meinem ersten Le-Mans-Start an einen Klassensieg zu denken! Ich glaube, mit meinen Teamkollegen und der ganzen Mannschaft von Manthey ist uns ein nahezu perfektes Rennen gelungen. Keine Fehler, keine Strafen und praktisch immer die richtige Reifenwahl – das fühlt sich wie das Musterbeispiel eines gelungenen 24-Stunden-Rennens an. Darauf dürfen wir stolz sein.“
Kévin Estre (Porsche 963 #6): „Der vierte Platz, das Podium um eine Sekunde verpasst – das ist nicht das Ergebnis, für das wir angetreten sind. Wir wollten gewinnen und sind auch ein gutes Rennen gefahren mit nur einem Fehler bei der Reifenwahl in der Anfangsphase. Danach haben wir uns zurückgekämpft, verfügten aber insgesamt nicht über das notwendige Tempo, um in den Kampf um den Gesamtsieg eingreifen zu können. Wir müssen weiter lernen und im kommenden Jahr stärker hierher zurückkommen.“
Michael Christensen (Porsche 963 #5): „Das war ein hartes Rennen. Wir haben viele gute strategische Entscheidungen getroffen, aber zur Rennmitte einmal richtig falsch gelegen. Wie sind bei zu viel Wasser auf der Strecke zu lange mit Slicks draußen geblieben. Gleichzeitig müssen wir auch anerkennen, wie stark unsere Konkurrenz war. Wir haben eine bessere Vorstellung abgeliefert als im vergangenen Jahr. Aber es gibt noch einige Bereiche, in denen wir uns verbessern müssen.“
Nick Tandy (Porsche 963 #4): „Der Unfall am Vormittag war das jähe Ende eines harten Rennens für uns. Unsere Nummer 4 war ab dem Start gebeutelt von Strafen, Fehlern und Kontakten – total untypisch für uns. Kein Vorwurf an meinen Kollegen Felipe Nasr. Wer auf kalten Slicks auf einer noch feuchten Strecke fährt, fliegt extrem schnell ab. Solch ein Unfall ist nicht ungewöhnlich. Für uns ging Le Mans 2024 somit vorzeitig zu Ende. Wir sind sehr enttäuscht. Jetzt geht der Blick nach vorn: Zum Glück sitzen wir schon am kommenden Wochenende wieder beim IMSA-Rennen in Watkins Glen im Porsche 963.“
Will Stevens (Porsche 963 #12): „Dieses Ergebnis lässt sich von zwei Seiten betrachten. Das Rennen in der Führungsrunde und völlig ohne technische Probleme zu Ende zu fahren – hätte uns jemand das am Samstag angeboten, hätten wir ohne zu zögern angenommen. Auf der anderen Seite kamen wir aber nicht hierher, um den achten Platz zu belegen. Wir hatten Probleme mit unserer Renn-Pace. Der Unfall am Mittwoch war ein herber Rückschlag. Ein großes Lob an das gesamte Team.“
Jenson Button (Porsche 963 #38): „Eines der härtesten Rennen, das ich unter solchen Bedingungen jemals gefahren bin! Es war richtig brutal da draußen, ich bewegte mich mit dem Auto permanent an der absoluten Grenze und konnte keinen einzigen Moment ein wenig entspannen. Über eine so lange Zeit die Konzentration aufrecht zu halten, strengt ziemlich an. Das Ergebnis ist nicht das, was wir angepeilt hatten. Aber wir haben beide Autos in der Führungsrunde ins Ziel gebracht, das kann sich sehen lassen.“
Ergebnisse 24 Stunden von Le Mans 2024
Hypercar-Klasse:1. Fuoco/Molina/Nielsen (I/E/DK), Ferrari #50, 311 Runden
2. De Vries/Kobayashi/Lopez (NL/J/ARG), Toyota #7, -14,221 Sekunden
3. Calado/Giovinazzi/Pier Guidi (UK/I/I), Ferrari #51, -36,730 Sekunden
LMGT3-Klasse:
1. Lietz/Schuring/Shahin (A/NL/AUS), Porsche 911 GT3 R #91, 281 Runden
2. Farfus/Galael/Leung (BR/IDN/UK), BMW #31, -1 Runde
3. Olsen/Pedersen/Roda (N/DK/I), Ford #88, -1 Runde