Dienstag, 25. Februar 2025
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FIA WEC
25.02.2025

Reifenmanagement als Schlüssel zum Erfolg für Porsche

Porsche Penske Motorsport hat die vorbereitenden Testfahrten, den sogenannten Prolog, erfolgreich absolviert. Jetzt steht der Saisonauftakt in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC bevor. Am kommenden Freitag (28. Februar) startet in Doha das 10-Stunden-Rennen unter dem Titel „Qatar 1812km“. Porsche kehrt mit besten Erinnerungen zum Lusail International Circuit zurück: Beim Debüt des Rennens Anfang 2024 war drei Porsche 963 der Sprung auf das Siegerpodest gelungen. Der Schlüssel zum damaligen Erfolg lag in der optimalen Nutzung der einheitlichen Michelin-Reifen.

Die Grundlage für den Dreifachtriumph im vergangenen Jahr bildete ein schwierig verlaufener Test am 29. und 30. November 2023. In Vorbereitung auf den Saisonstart 2024 hatte Porsche Penske Motorsport umfangreiche Probefahrten auf dem 5,418 Kilometer langen Grand-Prix-Kurs nahe der katarischen Hauptstadt Doha absolviert. „Damals sind wir von dort abgereist und hatten mehr Sorgen als zuvor“, blickt Romain Gineste zurück, leitender Performance-Ingenieur LMDh im WEC-Programm von Porsche Motorsport: „Wir hatten an beiden Tagen nichts als Graining, die Reifen-Oberflächen waren teilweise stark beschädigt. Ich saß auf dem Rückweg im Flugzeug und dachte, dass es der wohl sinnloseste Test aller Zeiten war. Doch dann haben wir die Köpfe zusammengesteckt und nach einer Lösung gesucht.“

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Das sogenannte Graining entsteht, wenn Rennwagen ihre Reifen überfordern – Teile der Lauffläche verklumpen, in Abrollrichtung entstehen feine Wellen. Sie reduzieren die Auflagefläche und beeinflussen die Oberflächentemperatur. Bei den Testfahrten auf dem Lusail-Kurs, der für sein sehr hohes Haftungsniveau bekannt ist, führte dies immer wieder zu tiefen Riefen. „Hat das Graining einmal angefangen, kannst du es kaum noch stoppen und der betroffene Reifensatz ist hinüber. So gewinnst du natürlich nicht“, so Gineste. „Die Folge ist auch: Bei Testfahrten und in den Trainingssitzungen hast du keine Chance, dein gewünschtes Programm zu absolvieren. Und im Rennen wäre der Stint quasi gelaufen, schnelle und konstante Rundenzeiten unmöglich.“

In den folgenden zweieinhalb Monaten Anfang 2024 fanden die Fachleute an den Standorten Weissach und Mannheim jedoch die Schlüssel für das Problem: ein verändertes Setup der Fahrwerks-Kinematik und ein vorsichtiges Anfahren neuer Reifensätze verhinderte das Graining auf der GP-Strecke in Katar nachhaltig.

„Mit diesem Wissen waren wir allen anderen von Anfang an ein Stück voraus, denn die Konkurrenten haben ihre Erfahrungen mit dem Graining erst direkt vor dem Rennwochenende gemacht“, schildert der erfahrene Ingenieur aus Frankreich. Der Clou: Porsche Penske Motorsport und die Kundenteams hatten die Trainingssitzungen des Prologs genutzt, um alle Reifensätze für den bevorstehenden Auftakt behutsam anzufahren – im Fachjargon zu „scrubben“. „Unabhängig von der jeweiligen Streckentemperatur ließ dieser Kniff während des Rennens konstant schnelle Runden zu und erhöhte zudem die Haltbarkeit der Pneus in besonderem Ausmaß“, schmunzelt Gineste über den cleveren Umgang mit den Michelin-Reifen: „Theoretisch hätten wir auch drei Stints mit einem Satz fahren können. Jota hat das damals sogar umgesetzt.“

Dieser Vorteil der Vorsaison ist nun verflogen. „Zum Einen haben die Mitbewerber inzwischen viel mehr Erfahrungen aufgrund des letztjährigen Rennens. Zudem waren zahlreiche Teams im Dezember und Januar in Doha testen und sind somit viel besser vorbereitet. Auf der anderen Seite dürfen die Reifen während des Prologs nun nicht mehr für das Rennen angefahren werden“, berichtet der leitende Performance-Ingenieur. 2024 konnten die Teams bereits während der gemeinsamen Testfahrten vor dem Saisonstart über das Reifenkontingent für das Rennwochenende verfügen. In diesem Jahr können sie auf die Pneus, die für den bevorstehenden Saisonauftakt vorgesehen sind, erst ab dem Qualifying zugreifen.

Auch aufgrund der neuen Startzeit stellt sich der Saisonauftakt in Katar anders dar als im Vorjahr. 2024 begann das 10-Stunden-Rennen um 11:00 Uhr Ortszeit, nun geht der Wettbewerb um 14:00 Uhr los. Somit fahren die Teilnehmer bis Mitternacht. „Dies wirkt sich deutlich aus“, berichtet Gineste. „Im Vorjahr stiegen die Außen- und Asphalttemperaturen nach dem Start noch zwei Stunden lang an, bevor die Werte bis zum Rennende um rund 15 Grad Celsius abfielen. In diesem Jahr haben wir den Peak der Temperaturen beim Start bereits hinter uns und fahren viel länger in der Dunkelheit. Heißt: Wir erwarten konstantere Bedingungen.“

Die sinkenden Werte können speziell in den ersten fünf Rennstunden bis 19:00 Uhr jederzeit für Überraschungen sorgen, da die Vorder- und Hinterreifen unterschiedlich auf bestimmte Phasen des Temperaturabfalls reagieren. Dies wirkt sich auf die Fahrzeugbalance aus. Im selben Zeitraum kommt der für Katar typische Anstieg der Luftfeuchtigkeit hinzu. Er verändert die Dichte der Luft und reduziert damit den aerodynamischen Abtrieb der Fahrzeuge. „Da wir auf diese Dinge während des Rennens nicht mit Setup-Anpassungen reagieren können, ist der Fahrer gefragt: Er muss sich auf die veränderten Bedingungen einstellen und die maximale Performance herausholen, auch wenn sich möglicherweise ein stärkeres Untersteuern einstellt“, berichtet Gineste. Bei der Fahrzeugabstimmung haben die Ingenieure diese Entwicklungen bereits im Hinterkopf: Sie müssen den Streckenzustand in den finalen Rennstunden antizipieren und den Porsche 963 so einstellen, dass er speziell in den letzten Stints besonders konkurrenzfähig ist, wenn die Entscheidungen um den Sieg und die Platzierungen fallen – ohne in der ersten Rennphase zu große Kompromisse einzugehen.“
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