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Rallye Dakar
14.01.2013

Giniel de Villiers und Dirk von Zitzewitz im Interview

Sportlicher Kassensturz bei den krassen Außenseitern: Giniel de Villiers und Dirk von Zitzewitz blicken bei der Rallye Dakar 2013 auf eine erfolgreiche erste Woche zurück. Gesamtrang drei mit ihrem Toyota Hilux „made in South Africa“ beim einzigen Ruhetag der Rallye – und das vor weitaus höher eingeschätzten Konkurrenten.

Es scheint, als könne der Underdog erneut die große Überraschung werden. Doch „Ginny“ und „Schnietz“, wie sich die beiden gegenseitig freundschaftlich nennen, erklären im Kurzinterview, warum viel erreicht ist – aber noch nichts gewonnen.

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Drei Fragen an Giniel de Villiers

Giniel, kannst Du Dich noch daran erinnern, wann ihr das letzte Mal etwa 45 Minuten hinter der Spitze auf Rang drei lagt – vor den Schlüsseletappen rund um La Rioja und Fiambalá?
„Oh ja, das war 2009. Und ein paar Tage später lagen wir in Führung und haben die ‚Dakar‘ gewonnen. Das zeigt, dass bei der Rallye Dakar immer alles möglich ist. Alles kann passieren. Aber das gilt natürlich auch für uns. Man muss deshalb jede Sekunde achtsam und auf der Hut sein. Und versuchen, keine großen Fehler zu machen.“

Hast Du erwartet, dass ihr bereits am vierten Tag Rang drei erkämpfen und seither verteidigt? Anders gefragt: Was sind für Dich die großen Überraschungen der „Dakar“ bisher?
„Um ehrlich zu sein: Die ganz großen Überraschungen sind ausgeblieben, von unserer frühen Top-Platzierung einmal abgesehen. Stéphane Peterhansel führt mit dem X-raid-Mini und erfüllt seine Favoritenrolle perfekt – wie erwartet. Die Buggys, etwa der von Nasser Al-Attiyah, sind so stark wie wir vermutet hatten, denn das Reglement kommt ihnen sehr entgegen. Die Überraschung ist nur, dass sich alle Favoriten bereits Fehler geleistet und Zeit verloren haben. Manche mehr, manche weniger. Und das ist der Grund, dass wir da sind, wo wir sind.“

Du und Dirk, Ihr seid Mr. und Mr. Zuverlässig und habt diesen typischen Three-O-One-Style mit dem ihr „cool, calm and collected“ und wohlkalkuliert zu Werke geht. Was wird diese Herangehensweise am Ende der „Dakar“ 2013 wert sein?
„Für Vorhersagen ist es zu früh. Das ist es auch einen Kilometer vor dem ‚Dakar‘-Ziel noch. Erwarte das Unerwartete – der Rallye-Dakar-Grundsatz ist wahr, das haben wir selbst schon oft erlebt. Wir haben diesmal bereits viel erreicht und sind stolz auf den dritten Platz. Aber gewonnen haben wir noch nichts. Es liegen noch harte und lange Tage vor uns. Und ein unerbittliches Terrain, das erst einmal bewältigt werden muss. Ich denke aber, dass wir darauf vorbereitet sind.“

Drei Fragen an Dirk von Zitzewitz

Dirk, wenn Du Giniel, Version 2013, mit Giniel, Version 2009, vergleichst – welche Ähnlichkeiten gibt es, was ist ganz anders?
„Giniel zeichnet eine enorme innere Ruhe aus. Und er orientiert sich stets an realistischen Zielen. So war er schon immer und das schätze ich an ihm. Auch wegen dieser Charaktereigenschaften haben wir 2009 die ‚Dakar‘ gewonnen. Doch Ginny ist ehrgeizig und hat sich seither mächtig weiterentwickelt. Er hat beispielswiese Sprint-Rallyes in Südafrika bestritten, um auf Rallye-WM-ähnlichem Streckenverlauf besser zu werden. Das könnte sich auf den kommenden Etappen noch auszahlen.“

Auf Etappe zwei einer von zwei Top-Beifahrern zu sein, die den Weg schnell finden, auf Etappe drei 20 Minuten Zeitverlust, weil Du in Sekundenbruchteilen eine falsche Entscheidung getroffen hast. Wie ist das für einen Beifahrer, wenn man eigentlich nichts gewinnen, nur alles verlieren kann?
„Solche Patzer wurmen mich sehr. Ich ärgere mich sogar jetzt, Tage später, noch, dass wir dort so viel Zeit liegen gelassen haben. An unserer Position im Gesamtklassement hätte das zwar nichts geändert. Doch wir könnten die Führenden jetzt besser unter Druck setzen. Aber das ist das Schicksal der Beifahrer: Machst Du Deinen Job perfekt, gilt das als normal. Ein kleiner Fehler und man ist der Depp. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Und ich kann versichern: Diese Art von Druck macht mir wenig aus. Im Gegenteil. Für mich ist er pure Motivation.“

Viel Peru, ein bisschen Chile und ein bisschen Argentinien – wie schätzt Du nach einer Woche „Dakar“ den Schwierigkeitsgrad bisher ein? Und was erwartet Ihr von Woche zwei?
„Die ersten Etappen waren deutlich härter als erwartet. Doch ich gehe davon aus, dass die richtig dicken Brocken erst noch kommen. Diese ‚Dakar‘ ist hart, aber sicher nicht die härteste aller Zeiten. Es kommen noch legendäre Wertungsprüfungen wie jene rund um La Rioja und die Gegend von Fiambalá. Auf die freuen wir uns richtig. Aber genau wegen dieser enormen Herausforderungen stellen wir uns der Rallye Dakar ja.“

Zwischenstand: Rallye-Dakar-Gesamtwertung am Ruhetag

01. Stéphane Peterhansel/Jean-Paul Cottret (F/F), Mini, 18:31.04 Std.
02. Nasser Al-Attiyah/Lucas Cruz (Q/E), Buggy, 18:34.18 Std.
03. Giniel de Villiers/Dirk von Zitzewitz (ZA/D), Toyota, 19:15.07 Std.
04. Leonid Novitzkiy/Konstantin Zhiltsov (RUS/RUS), Mini, 19:19.58 Std.
05. Guerlain Chicherit/Jean-Pierre Garcin (F/F), Buggy, 19:35.54 Std.
06. Ronan Chabot/Gilles Pillot (F/F), Buggy, 20:05.55 Std.
07. Joan „Nani“ Roma/Michel Périn (E/F), Mini, 20:09.31 Std.
08. Orlando Terranova/Paulo Fiuza (RA/P), BMW, 20:29.29 Std.
09. Bernard Errandonea/Arnaud Debron (AND/F), Buggy, 20:33.32 Std.
10. Carlos Sousa/Miguel Ramlho (P/P), Great Wall, 20:38.33 Std.

Three-O-One in Fakten: Wussten Sie, dass ...

... Dirk von Zitzewitz auf den Verbindungsetappen die Musik, die über die Gegensprechanlage eingespeist werden kann, via MP3-Spieler wählen darf? Einzige Einschränkung seines Fahrers: Die Songs von Johnny Cash stehen auf dem Index.

... sich Giniel de Villiers und Dirk von Zitzewitz im Cockpit auf Englisch verständigen – für beide eine Fremdsprache –, sich aber notfalls auch auf Afrikaans oder Deutsch verstehen? Die Kommandos „links“ und „rechts“ sind in beiden Sprachen nahezu identisch.

... Giniel de Villiers und Dirk von Zitzewitz seit 2006 gemeinsam im Marathon-Rallye-Cockpit sitzen? Nach der Rallye Dakar 2006, die de Villiers mit Tina Thörner bestritt und im Volkswagen Race Touareg mit Rang zwei abschloss, bilden sie ein Duo und haben seither zehn Podiumsresultate, davon fünf Siege, gefeiert. Der wichtigste: Der Dakar-Sieg 2009.

... de Villiers/von Zitzewitz in den vergangenen Jahren bis zu 150 Tage im Jahr gemeinsam verbracht und sich 2011 vor der Dakar in Südafrika mit Mountainbike-Touren und Fitnessprogrammen fit gemacht haben?

... beide echte Genussmenschen sind? Einer von Giniel de Villiers Wahlsprüchen lautet: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“ Dirk von Zitzewitz weiß dagegen einen guten alten Whiskey zu schätzen.

... Dirk von Zitzewitz 15 Mal den Titel des Deutschen Enduro-Meisters auf dem Motorrad gefeiert hat?

... Dirk von Zitzewitz in Karlshof in Ostholstein aufgewachsen ist und dort noch heute gemeinsam mit seiner Frau Sabine und Hündin Peanut lebt?

Das kommt: Vorschau auf Etappe 09

Tucumán–Córdoba
(Verbindung: 176 km, Prüfung: 226 km, Verbindung: 127 km, Prüfung: 240 km, Verbindung: 83 km)

Der längste Tag führt in die Rallye-WM-Hochburg Córdoba: Die neunte Prüfung der Rallye Dakar ist jener der ursprünglich geplanten am achten sehr ähnlich: Gewundene Straße, schnelle kurvige Pisten. Auch hier wird das Wetter eine Hauptrolle spielen. Regnet es Unwetter-artig wie im Jahr 2011, verwandeln sich das Geschlängel in eine Rutschbahn, bleibt es trocken, können sich Fahrer und Fans gleichermaßen auf spannendes Racing freuen. Die Fahrer sind sehr gefordert, die Navigatoren haben diesmal den leichteren Job. Aber: Bei der „Dakar“ kann man sich dessen nie sicher sein.

Three-O-One, Fahrtrichtung links: Giniel de Villiers

Wenn es eine Vielseitigkeitsauszeichnung im Motorsport geben würde, Giniel de Villiers wäre ein heißer Kandidat auf den Sonderpreis für das Lebenswerk. Der sympathische und bodenständige Rennfahrer aus Stellenbosch/Südafrika feierte fünf nationale Meistertitel im Tourenwagen-Sport Südafrikas, besiegte dabei unter anderem seinen späteren Teamchef im Volkswagen-Werksteam Kris Nissen und weitere europäische Top-Stars, bevor er in den Marathon-Rallyesport wechselte. Giniel de Villiers bezeichnet sich selbst als „outdoorsy person“, den es stets an die frische Luft zieht. Egal, ob mit dem Jetski oder dem Mountainbike, Giniel de Villiers ist deshalb immer „in Action“.

Doch sportlich wie privat ist dabei kluge Besonnenheit ein absolutes Markenzeichen von „Ginny“. Seine Vita weist deshalb auch beim zweiten Karriere-Weg abseits befestigter Straßen und permanenter Rennstrecken Herausragendes aus: Gemeinsam mit seiner Beifahrerin Tina Thörner (S) belegte er mit Volkswagen anno 2006 Rang zwei bei der Rallye Dakar – ein Meilenstein, denn nie zuvor hatte ein Duo mit Diesel-angetriebenem Fahrzeug eine bessere Platzierung erreicht. Ausgerechnet bei der ersten Rallye Dakar außerhalb des Schwarzen Kontinents gelang 2009 der absolute Durchbruch, unterstützt von Co-Pilot Dirk von Zitzewitz: Gemeinsam feierte das Duo einen historischen Erfolg: Den ersten Sieg eines Afrikaners, den ersten eines Diesel-Automobils und den ersten in Südamerika überhaupt.

Three-O-One, Fahrtrichtung rechts: Dirk von Zitzewitz

Er ist nicht nur sprichwörtlich als Navigator geboren. Dirk von Zitzewitz erblickte das Licht der Welt an dem Ort, der ihm seit Jahren ein sportliches Zuhause ist: auf dem Beifahrersitz. Der aus Ostholstein stammende Co-Pilot gilt als einer der Besten seines Fachs. 2009 gewann er als Beifahrer gemeinsam mit Giniel de Villiers die erste jemals in Südamerika ausgetragene Dakar. Neuland? Für Dirk von Zitzewitz abseits befestigter Straßen der ideale Ort, sein instinktives Gespür zu zeigen, stets den richtigen Weg zu finden. Der Erfolg und sein Renommee in der Szene sind keineswegs Zufall: Schon als Teenager spielte Zitzewitz mit einem Kumpel und einem klapprigen alten Moped „Dakar“.

Damals war das Event jung und international unbedeutend, zog den Offroad-begeisterten Norddeutschen jedoch bereits magisch an. Dirk von Zitzewitz gewann 15 Mal den Titel des Deutschen Enduro-Meisters, ehe er dreimal die Dakar auf dem Motorrad bestritt. Seit 2002 ist er mit unterschiedlichen Fahrern als Co-Pilot bei der Mutter aller Wüstenrallyes angetreten. 2012 schloss sich für Zitzewitz der Kreis: Zehn Jahre zuvor war er erstmals im Automobil angetreten – ebenfalls mit einem privat eingesetzten Toyota. 2013 geht die Kombination De-Villiers-von-Zitzewitz-Toyota in die nächste Runde. Dazwischen liegt ein großer sportlicher Erfolg: Insgesamt schlagen zehn Podiumsresultate, davon fünf Siege bei 33 Etappensiegen und 31 Führungstagen im Automobil zu Buche. Damit gehört Dirk von Zitzewitz schon heute zu den erfolgreichsten Marathon-Rallye-Beifahrern aller Zeiten.
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