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Formel 1
04.06.2014

Pirellis Vorschau auf den Kanada Grand Prix

Für das Rennen auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal in Kanada am bevorstehenden Wochenende vom 7. bis 8. Juni 2014 liefert Pirelli den Formel 1-Teams den weichen P Zero Yellow-Reifen und den supersoften P Zero Red-Reifen, genau wie schon am vorvergangenen Grand Prix-Wochenende für den Großen Preis von Monaco in Monte Carlo.

Der nur zeitweise für Rennen genutzte Kurs in Montreal kombiniert typische Passagen einer reinen Rennstrecke mit den gängigen Straßen einer Parkanlage für den normalen Straßenverkehr. Dennoch unterscheidet sich die Strecke erheblich von jener in Monaco: Das Durchschnittstempo ist viel höher, die Witterungsverhältnisse sind weitaus unbeständiger und das geringe Grip-Niveau überraschte in der Vergangenheit oft selbst die routiniertesten Piloten – viele von ihnen touchierten die sogenannte Wall of Champions, die berühmt-berüchtigte Mauer am Ausgang der letzten Schikane.

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Neben dem häufig wechselnden Grip-Level ist das Bremsen ein weiterer wichtiger Faktor für die Reifen-Performance, denn die extreme Hitze der Bremsen erwärmt und belastet die Reifen zusätzlich. Dazu kommen einige heftige Kerbs, bei deren Überfahrt die Reifen den harten Aufprall unterstützend zur Federung absorbieren müssen. „Die Reifen werden in Kanada weitaus stärker beansprucht als in Monaco, denn aufgrund der deutlich höheren Geschwindigkeiten wirken hier sehr viel mehr Energie und viel höhere Kräfte auf sie ein. Daraus sollte der höchstmögliche mechanische Grip resultieren, der in Montreal auch dringend nötig ist. Die Strecke wird sich im Verlauf des Wochenendes stark entwickeln und wir werden viele Autos rutschen sehen, insbesondere aufgrund des reduzierten Abtriebs der Autos in dieser Saison“, sagt Paul Hembery, Motorsport Direktor bei Pirelli.

Und weiter: „Das Rutschen und Wheelspin vergrößert die Belastung für die Reifen zusätzlich. Wir gehen aber davon aus, dass der Abrieb und der Leistungsabbau sich auch an diesem Wochenende in Grenzen halten werden, obwohl wir die beiden weichsten Mischungen aus der Range nominiert haben. Der Verlauf eines Rennens in Kanada lässt sich dabei nur schwer prognostizieren. Die richtige Strategie kann hier den Ausschlag geben, zumal die Wahrscheinlichkeit von Safety-Car-Phasen hoch ist. Wie wir in Monaco sahen, kommt es auf Strecken jenseits der Norm entscheidend darauf an, unter ungewöhnlichen Bedingungen die richtigen Strategie-Optionen zu wählen. Kanada lieferte dafür in der Vergangenheit die besten Beispiele. Zudem ist in Montreal die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es regnen wird. In diesem Fall wird es erfolgsentscheidend sein, den richtigen Zeitpunkt für die Übergänge von Slicks auf die Intermediates oder die Regenreifen zu wählen. Sollte es während der Trainings-Sessions und des Qualifyings trocken bleiben, fehlen dafür die entsprechenden Daten und das könnte dann recht schwierig werden.“

Jean Alesi, Pirelli Berater: „Montreal ist ein sehr spezieller und ungewöhnlicher Circuit. Er bietet Hochgeschwindigkeits-Passagen sowie einen interessanten Mix aus Rennstrecke und Straßenkurs. Aus Sicht des Fahrers kommt es darauf an, dass die Hinterreifen möglichst lange in bestmöglicher Verfassung bleiben. Es gibt keine langen Kurven. Daher belasten in erster Linie beim Beschleunigen und Bremsen auftretende Längskräfte die Reifen. Die Piloten müssen sehr vorsichtig mit dem Gaspedal umgehen, sonst verschleißen die Reifen zu schnell und auch das Bremsen wird problematisch. Die Strecke ist für die Fahrer weniger körperlich belastend, sondern fordert ein sehr hohes Maß an Konzentration beim Bremsen. Das gilt insbesondere in der Schikane vor der Boxengasse mit der berüchtigten ‚Wall of Champions‘. Ich werde mich immer an meinen Sieg in Kanada erinnern: Es war mein einziger Formel 1-Triumph, zudem noch an meinen Geburtstag. Ich fuhr mit der legendären Nummer 27 auf dem Auto wie Gilles Villeneuve. Das Gefühl war unbeschreiblich.“

Die Anforderungen der Strecke an die Reifen

Beschleunigen und Bremsen sind die beiden Schlüsselfaktoren für die Reifen in Montreal. Dabei lässt sich die Strecke infolge der enorm erhöhten Drehzahl der Turbomotoren und des verminderten Abtriebs der Autos in dieser Saison noch schwieriger meistern. Das größte Risiko ist das Rutschen der Reifen. Dabei können die Laufflächen durch das Scheuern auf dem Asphalt überhitzen. Zu spätes Bremsen kann einen Bremsplatten verursachen, wenn die Reifen blockieren. Allerdings sind die Reifen in diesem Jahr aufgrund ihrer Konstruktion deutlich widerstandsfähiger.

Die Autos fahren in Montreal mit einem niedrigen Abtrieb-Setup, um auf den Geraden eine Spitzengeschwindigkeit von über 300 km/h zu erreichen. Dafür ist ihr aerodynamischer Grip in den Kurven geringer, wodurch die Autos schneller ins Driften geraten. Optimal durch die Kurven zu kommen hängt daher in hohem Maße vom mechanischen Grip der Reifen-Mischungen ab. Der supersofte Slick hat ein relativ schmales Arbeitsfenster und erzielt selbst bei niedrigen Temperaturen eine hohe Performance. Die weichen Reifen haben ein deutlich breiteres Arbeitsfenster. Sie sind insbesondere für höhere Temperaturen und schwierige Streckenbedingungen ausgelegt. Das Wetter in Kanada kann sehr unbeständig sein und führte in der Vergangenheit oft zu Unterbrechungen der Rennen. Aufgrund zahlreicher Regenpausen war der Grand Prix von Kanada 2011 der bislang längste in der Formel 1-Geschichte.

Zu den größten Herausforderungen für die Reifen gehört der im hohen Grade uneinheitliche Asphalt, der aus einer Vielzahl verschiedener Fahrbahnbeläge besteht. Jeder von ihnen hat ein anderes Grip-Niveau. Die Reifen-Mischung muss diese Unterschiede bestmöglich ausgleichen und ein möglichst einheitliches Grip-Level bieten. Sebastian Vettel (Red Bull) gewann im vergangenen Jahr den Großen Preis von Kanada von der Pole-Position aus. Er siegte mit einer Zwei-Stopp-Strategie (supersoft-medium-medium). Während des regnerischen Qualifyings setzte er die Intermediates ein. In diesem Jahr nominierte Pirelli neben den supersoften Slicks nicht die Medium-Mischung, sondern die weichen Reifen. Insgesamt sind die Reifen der diesjährigen Range härter als ihre Vorgänger.