DTC
03.02.2015
Heiko Hammel: „Bis der Spiegel fehlt ...“
In der bevorstehenden Motorsport-Saison 2015 wird der amtierende Division 1-Meister Heiko Hammel den Ford Fiesta S1600T von Wolf Racing in der ADAC Procar pilotieren sowie einen Porsche 911 RSR in der Youngtimer Trophy.
Du warst von Anfang an in die Umstrukturierung der Division 1 integriert. Was bedeuten die Änderungen aus deiner Sicht für den Tourenwagensport in Deutschland?
Heiko Hammel: „Ich denke, es war der richtige Schritt, dem S2000-Reglement den Rücken zu kehren. Die Autos waren im Unterhalt über die Saison einfach zu teuer. Teilweise wurden Preise für eine Saison verlangt, für die locker auch eine Saison Porsche Carrera Cup drin gewesen wäre. Damit sind wir aber beim Grundlagenproblem in Deutschland: Es gab keine Tourenwagenklasse mehr, in der für ein vernünftiges Buget, aber bei klarem Reglement richtige Rennen gefahren werden konnte. Früher gab es den Fiesta Cup, den Yaris Cup usw. – heute gibt es viele Amateurserien ohne echtes Reglement wie die STT, die Cup- und Tourenwagen Trophy usw., was immer zu Lasten des echten und fairen Wettbewerbs geht.
Und es gibt natürlich noch den Porsche Cup und das GT Masters, bei denen gleich ein Budget von 250.000,- Euro oder mehr veranschlagt werden muss. Mit dem neuen 1600er Turbo-Reglement ist die klaffende Lücke geschlossen worden. Für 70-80.000,- Euro Budget ist es möglich, ein ganzes Jahr Rennen in einem 300 PS-Rennboliden zu fahren. Durch das feste Reglement sind die Fahrzeuge so gut wie auf einem Level, denn die große Bastelfreiheit wird stark eingeschränkt. Das fördert die Leistungsdichte und die war schon im ersten Jahr hoch. Um einzusteigen gibt es zwei Möglichkeiten: Das Auto wird entsprechend dem Reglement selbst aufgebaut oder es wird ein fertiges Rennauto – wie meins zum Beispiel – gekauft oder gemietet und eingesetzt.“
Wolf Racing möchte mit einem weiteren Fahrzeug starten, das mit einem jungen Fahrer besetzt werden soll. Welche neuen Chancen entstehen aus deiner Sicht für den Motorsport-Nachwuchs durch das „Turbo-Reglement“?
Heiko Hammel: „Ich denke, der Vorteil an dem Turbo-Reglement ist, dass einem der Einstieg vom Kartsport in den Automobilsport erleichtert wird. Es gibt sicherlich viele Kart-Talente in Deutschland, die aber nicht genug Geld haben, um z. B. Formel 4 oder GT Masters zu fahren. In der ADAC Procar können sie sich in der Division 1 mit erfahrenen Piloten messen und sich im Rahmenprogramm größerer Serien einem breiten Publikum präsentieren. Im Moment läuft noch das Auswahlverfahren für meine Teamkollegen und mein Teamchef ist sehr engagiert und versucht, einem jungen Talent eine Chance zu geben. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wer den Fiesta S1600T mit der #2 bei Wolf Racing fahren wird.“
Wo würdest du die ADAC Procar mit der neuen Turboklasse im deutschen Motorsport einordnen?
Heiko Hammel: „Ich sehe in Deutschland im Bereich der Sprintrennen die DTM an der Spitze: Dort sind die meisten Zuschauer, es wird Werkssport betrieben und es gibt live TV in der ARD. Leider ist ‚Tourenwagen‘ in diesem Zusammenhang ziemlich weit hergeholt. Es sind für mich eher Formel 3 Autos mit Dach, aber das schmälert nicht den Erfolg. Dahinter folgen für mich gleichauf das ADAC GT Masters mit live TV und der Porsche Carrera Cup mit dem Live-Stream. Beide Serien bieten tollen Rennsport, der aber natürlich schon einen relativ dicken Geldbeutel erfordert. Dahinter würde ich motorsportlich die ADAC Procar und den Audi TT Cup einordnen. 2014 war in der Division 1 der ADAC Procar ein Übergangsjahr mit den letzten S2000 Autos, die im Debütjahr der Turbos gegen sechs neu aufgebaute Turbofahrzeuge angetreten sind.
In diesem Jahr erwarte ich zwölf Autos von fünf verschiedenen Marken. Mit dem GT Masters-Wochenende und dem neuen Rahmenprogramm wie der Blancpain-Europameisterschaft hat die Serie eine feste Bühne – und das seit Jahren. Das zusammen mit den Berichten des eigenen Kamerateams und den kompletten Rennen, die auf der Website anzusehen sind und dem eigenen Printmagazin bringt die ADAC Procar auf ein Niveau, das alle nicht genannten Serien nicht erreichen. Ich denke, dass wir dieses Jahr echten Tourenwagensport bieten, der der traditionsreichen Geschichte der ADAC Procar gerecht wird.
Die ADAC Procar ist das, was alle eingefleischten Tourenwagenfans seit Jahren vermissen: Rad-an-Rad-Duelle bis der Spiegel fehlt, manuell geschaltete Getriebe, keine Aerodynamik-Plastikautos, die sich nicht überholen können. Auf Kontakt überholen, ohne dass ein abfallender Flap die komplette Balance des Setups zerstört? Das ist bei uns kein Problem. Als großes Vorbild sehe ich die BTCC in England, so etwas brauchen wir in Deutschland auch.“
Wo siehst du die Vorteile gegenüber anderen, neuen Konzepten im Tourenwagensport, die zur Zeit diskutiert werden?
Heiko Hammel: „Ich denke, zur Zeit wird vor allem die geplante TCR-Serie kontrovers diskutiert. Ich denke, der entscheidende Unterschied ist, dass die Division 1 ein klares Reglement hat: max. 1.600 ccm, min. 1.100 kg, max. 2,5 bar Ladedruck, mechanisch betätigte Schaltung, klare Definition jedes Motorteils, klare Bemaßung der Karosserieteile usw. Nach diesem Reglement wird jedes Auto aufgebaut. Am Ende kann jeder entwickeln und die beste Auto-Fahrer-Kombination gewinnt. Es wird niemand bestraft, der über den Winter den besten Job gemacht hat – und das bei einem Budget von 70.000,- Euro.
In der TCR-Serie, wenn ich es richtig verstanden habe, wird ein Auto von einem Team oder einem Werk gebaut und homologiert – analog zur GT3-Klasse. Ein klares Reglement gibt es nicht – außer der Begrenzung auf 2 Liter Hubraum mit Turbo und einer angetriebenen Achse. Am Ende soll es – auch analog zur GT3 – eine BoP (Balance of Performance) richten, was aber zu endlosen Diskussionen führen kann, wieso wer schlechter oder besser eingestuft wurde; so wie wir es vor jedem großen 24h-Rennen in der GT3-Klasse erleben. Gerade habe ich gelesen, dass einige Seat Leon Cup Racer und ein Opel Astra fahren sollen. Da ich beide Autos kenne, wird jeder, der dies auch tut, feststellen, dass zwischen den beiden Fahrzeugen ca. fünf Sekunden auf einer Runde auf einer normalen Grand Prix-Strecke liegen.
Dies nur über BoP zu bereinigen, stelle ich mir schwierig vor. Zudem hört man von Budgets um die 500.000,- Euro pro Saison. Das ist viel, allerdings darf man nicht vergessen, dass wir hier von einer weltweit ausgetragenen Serie reden. Ich bin trotzdem gespannt auf die Entwicklung.“