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DTM
17.09.2017

Interview mit DTM-Pilot Robert Wickens (Teil 1/4)

Aus Kanada in die weite Motorsportwelt: Robert Wickens hat einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich. In dieser vierteiligen Interview-Reihe geht es um den Menschen hinter dem Rennfahrer. Im ersten Teil spricht Robert über seinen ersten Kontakt mit dem Rennsport, seinen Bruder und seine Lehren.

Rob, wann bist du zum ersten Mal mit dem Motorsport in Kontakt gekommen? 
Robert Wickens: „Ich kann mich nicht mehr selbst daran erinnern, weil ich erst zwei oder drei Jahre alt war. Aber von meinen Eltern weiß ich, dass ich ein schwieriges Kind war, das viel geweint hat. Sie konnten nichts finden, was mich glücklich machte. Ich gab einfach keine Ruhe. Sie gaben mir ein Spielzeug, aber ich wollte nicht damit spielen. Eines Tages lief ein Formel-1-Rennen im Fernsehen und ich stand wie erstarrt vor dem Fernseher. Also dachte sich mein Vater: ,Okay, vielleicht mag er Autos.‘ Er besorgte mir ein Spielzeugauto und ich spielte damit. Dazu schenkte er mir einen Spielteppich mit einer aufgemalten Strecke drauf. Sobald ich genug Autos hatte, sah ich mir die Rennen im Fernsehen an und stellte sie auf dem Teppich nach. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich Motorsport erlebt habe. Ich malte sogar die Reifenmarkierungen auf. Wenn eines der echten Autos im TV beschädigt war, ging ich in die Werkstatt meines Vaters, schlug mit einem Hammer auf mein Spielzeugauto und crashte es. Das würde dann in einem Rennen einfach in der Mauer hängen und draußen sein.“

Wie war es für dich, mit einem älteren Bruder aufzuwachsen? 
Robert Wickens: „Als wir ganz klein waren, ich fünf und er zehn, bauten wir immer Lego-Autos, um damit Demolition Derbys auszutragen. Etwas später, als er ein Teenager war, stritten wir uns öfter mal. Aber sobald wir beide junge Erwachsene waren, war unser Verhältnis unglaublich. Ich kann mich nicht einmal an das letzte Mal erinnern, dass wir einen heftigen Streit hatten. Das muss mindestens zehn Jahre her sein. Das ist wirklich cool, und er hat mich immer sehr unterstützt. Natürlich hat mich meine ganze Familie immer unterstützt, aber mein Bruder ganz besonders. Er gab seine Teenager-Jahre auf. Er ging nach der Schule geradewegs in die Kart-Werkstatt und arbeitete dort. Seine ganze High-School-Zeit, wichtige, charakterbildende Jahre, verschrieb er dem Kart-Sport. Zum Glück realisierte er für sich auch eine großartige Karriere im Kart-Sport, also verfolgte er auch etwas, das er liebt.“

Dein Bruder ist also ebenfalls ein im positiven Sinne Motorsportverrückter? 
Robert Wickens: „Ja, ich habe sehr viel Glück, dass mein Bruder genauso viel Leidenschaft für den Motorsport hat wie ich, aber anstatt zu fahren, ist er an der technischen Seite interessiert. Das machte mir die Technik auch viel bewusster. Ich denke, wenn wir einfach nur für einen Mechaniker bezahlt hätten, wäre ich vielleicht nicht so nah dran gewesen wie es mit ihm der Fall gewesen ist – es war eine Familienangelegenheit. Es gab immer Hilfsarbeiten wie Saubermachen, die ich erledigen konnte. Er kümmerte sich um alles andere und ich fühlte mich verpflichtet, ihm zu helfen. Das Auge fürs Detail, das ich in meinem Leben habe, habe ich zu 100 Prozent ihm und seiner Arbeitseinstellung im Motorsport zu verdanken.“

Dein Bruder hat deine Karriere also entscheidend mitgeprägt? 
Robert Wickens: „Definitiv. Selbst wenn ich jetzt im Winter nur ein Kart-Rennen in Florida fahre, stelle ich mir immer die Frage: Wird Trevor sich über das, was ich hier mache, aufregen, weil es nicht gut genug ist? Also verbringe ich Stunden damit, etwas so perfekt wie möglich zu machen und dann kommt er und sagt: „Das ist Mist, das kannst du besser.“ Ich verbringe so viel Zeit damit und er erklärt mir dann: „Nein, mach' es einfach so. Das ist viel einfacher.“ Und ich denke mir: Ach, verdammt! Ich glaube, es geht immer noch darum, ihn zu beeindrucken. Er ist immer noch mein großer Bruder und ich will ihm zeigen, was ich kann.“

Habt ihr euch auch mal gezankt, wie es Brüder eben manchmal so tun? 
Robert Wickens: „Wann immer wir gestritten haben, habe ich es wahrscheinlich selbst heraufbeschworen. Wir hatten sehr emotional aufgeladene Auseinandersetzungen. Zum Beispiel nach einem Rennen, wenn ich einen blöden Move gemacht hatte ... Weil er mein Bruder ist, hatte er das Recht, mich anzuschreien. Wir haben uns meistens nach dem Rennen gestritten. Nur einmal, als wir noch zur gleichen Schule gingen, ist es eskaliert. Wir spielten Mario Kart und er war etwas älter als ich, also ging er ein bisschen strategischer vor. Ich führte das ganze Rennen und in der letzten Runde warf er mich mit einer roten Muschel ab – eine Sekunde vor der Ziellinie. Ich flog durch die Luft und er gewann – jedes Mal. Ich war so sauer, dass ich irgendwann den Controller nach ihm warf und ihn im Gesicht traf, was ich natürlich nicht wollte. Mein Bruder war immer etwas kräftiger als ich. Er wurde so sauer – es war so als ob mich ein Bär angriff. Ich kam gerade so davon, aber er schlug gegen den Türrahmen und brach sich die Hand. Das wusste ich aber nicht, weil ich mich nicht umgedreht hatte und zur Tür rausgerannt war, als ob ich um mein Leben rennen müsste. Später am Tag rief mich der Schuldirektor zu sich ins Büro. Da dachte ich mir nur: Was habe ich jetzt schon wieder angestellt? Ich hatte nichts falsch gemacht. Aber mein Bruder war bei ihm und sagte: „Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich okay bin.“ Das war unsere einzige körperliche Auseinandersetzung.“