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Interview
23.07.2018

Arturo Merzario: „Ich würde sie alle anzünden“

Der „Rebell“ der Formel 1 zeigte sich auch bei der Ennstal-Classic gewohnt undiplomatisch in Sachen Sicherheit und Rennaction. Die Formel 1 war in den frühen Siebzigern extrem gefährlich. Es ist für einen jungen Motorsportfan heute schwer vorstellbar wie gefährlich dann die Targa Florio war? Sie haben 1972 auf Sizilien gewonnen. Wie schlimm stand es wirklich um die Sicherheit?

„Dazu muss man eines sagen: Grundsätzlich begann das Rennfahren auf der normalen Straße, was sehr gefährlich war. Die Dinge neben den Straßen, wie Bäume und ähnliches, waren das Gefährlichste. Aus dem resultierte auch die Targa Florio, die eben auch auf normalen Straßen gefahren wurde. Aber die Rennfahrer haben sich relativ gut darauf einstellen können. 

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Dann sind Strecken wie der Nürburgring, Clermont-Ferrand und Monza gekommen. An sich auch gefährlich, aber die Fahrer konnten mit dem Risiko leben. Doch womit sie nicht leben konnten, war das Risiko der Technik! Das Schlimmste war die Technik, denn wenn dir eine Radaufhängung gebrochen ist… so starb ja Jochen Rindt. Das größte Problem waren wirklich mechanische Defekte, weil dadurch die meisten Menschen tödlich verunglückt sind.

Ich denke nicht, dass die heutigen Techniker und Ingenieure unglaubliche Genies sind. Die haben ein Millionen-Budget und unglaubliche Mittel und Ressourcen zur Verfügung. Damals haben die Techniker und Ingenieure aus einfach Materialien und Rohren Rennautos gebaut. Daraus resultierte die Gefahr, weil das immer wieder kaputt gegangen ist.

Das ist ganz wichtig im Vergleich zu heute. Weil heutzutage gehst du in ein Laboratorium und fährst das tausende Male und testest die Teile. Wir hatten das nicht. Wir haben statt dem Windkanal Wollfäden an das Auto gehängt und testeten dies auf einem Flugplatz.“ 

Verfolgen Sie momentan noch die Rennen der Formel 1?

„Nur ein bisschen. Ich schlafe dabei ziemlich oft ein. Ich bin eher ein MotoGP-Fan. In der Formel 1 gibt es vorne eine Spitzengruppe die interessant ist, der Rest fährt hinterher. Der große Unterschied ist, dass früher bis zu 35 Fahrer am Start standen, die alle im Stande waren, den anderen zu schlagen. Jeder ist mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren. Heute ist es so, wenn du nicht aufpasst, wirst du überholt, fährst schlechte Resultate ein und hast bald keinen Vertrag mehr. Alles hinter der kleinen Spitze fährt nur hinten nach und das ist ein Problem.“

Sie wurden auch Berg-Europameister und haben das 1.000-Kilometer-Rennen am Nürburgring gewonnen – das sind sehr gefährliche Sachen. Hat Sie das auch gereizt? Stirling Moss hat einst gesagt, dass ihm ohne die Gefahr das Rennfahren keinen Spaß macht. Würden Sie sich ein sicheres modernes Formel-1-Auto setzen?

„Nein. Einen alten Formel-1-Wagen fahre ich schon noch, ich komme gerade aus Goodwood. Aber in ein neues Auto würde ich mich nicht hineinsetzen. Der Adrenalinschub und der Wille eine Rennstrecke und dieses Biest zu beherrschen ist der wesentliche Unterschied zur heutigen Formel 1. Wenn man heute einen Fehler macht, rutscht man über die Auslaufzone hinaus und reiht sich vorne ohne Probleme wieder ein und fährt weiter.“

Wenn Sie von heute auf morgen FIA-Präsident wären, was würden Sie ändern oder aus den modernen Autos herausnehmen, damit die Rennen wieder spannender werden?

„Die modernen Formel-1-Autos gehören alle angezündet! Man muss zum Ursprung zurückkehren und wieder ganz normale Autos konstruieren. Das wird es aber leider nicht mehr spielen, weil heutzutage der Computer die Oberhand gewonnen hat. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis wir ohne Fahrer unterwegs sind. Es ist wie früher bei den Flugzeugen, das musstest du mit Steuerknüppel noch fliegen, jetzt gibst du den Kurs in den Computer ein und bist nur mehr mit Autopilot unterwegs.“

Was war eigentlich das Besondere am Abarth-Rennwagen?

„Abarth hatte grundsätzlich zwei Philosophien und zwei Richtungen. Entweder kurze Bergrennstrecken, wofür ganz spezielle Autos gebaut wurden. Wir sind zum Beispiel ohne Lichtmaschinen gefahren, um jeden Kilo der nicht nötig war, einzusparen. Das ganze Gewicht war auch auf der Hinterachse, damit man möglichst viel Traktion hatte. Bei den Rundstrecken hat das natürlich nicht funktioniert, dafür braucht man dann wieder eine andere Philosophie. Viele Modelle für die Rundstrecke hatten dann zum Beispiel einen Mittelmotor verbaut. Die Modelle mit dem Motor hinten wurden von uns liebevoll Außenbordmotor genannt. Ganz unrecht hatte Carlo Abarth aber nicht, weil ein Porsche 911 fährt schließlich heute noch so.“
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