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DTM
23.08.2019

Vincent Vosse: „Wir sind sehr glücklich, ein Teil der DTM zu sein“

Das WRT Team Audi Sport ist das erste Kundenteam der neuen DTM-Ära und für viele eine der größten Überraschungen des Jahres. Die beiden DTM-Rookies Jonathan Aberdein (21) und Pietro Fittipaldi (23) fahren mit ihren Audi RS 5 DTM regelmäßig in die Punkteränge. Vor den beiden DTM-Rennen auf dem Lausitzring (Samstag und Sonntag jeweils ab 13 Uhr live auf SAT.1) spricht Teamchef Vincent Vosse über die Premierensaison des belgischen Teams.

Diesen Sonntag feiert die DTM auf dem Lausitzring ihr 500. Rennen. Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie begonnen haben, die DTM zu verfolgen?
Vincent Vosse: „Anfang der 90er-Jahre habe ich einige DTM-Rennen in Zolder gesehen. Vor allem erinnere ich mich aber an die DTM 1995. Das war die Zeit mit Alfa Romeo, Mercedes und dem Opel Calibra. Ich kam aus dem Formelsport. Jason Watt und Jan Magnussen waren gute Freunde von mir. Beide gingen gerade in die DTM. Der eine bei Alfa Romeo, der andere bei Mercedes. Es waren insgesamt großartige Jahre für die DTM.“

Welcher DTM-Fahrer hat Sie am meisten beeindruckt?
„Ganz klar Bernd Schneider – und er beeindruckt mich noch immer.“

Hatten Sie jemals die Chance, selbst ein DTM-Auto zu fahren?
„Leider nein.“

Würde es Sie reizen, den neuen Audi RS 5 DTM einmal auszuprobieren?
„Das wäre sicher interessant. Vielleicht frage ich mal Dieter (Gass). Wir bräuchten auch gar nicht viel Material für die Sitzeinlage ...“

Wie gefällt Ihnen die DTM?
„Die DTM ist sehr eindrucksvoll. Das Racing ist sehr gut und die Qualität der Teams und der Fahrer einfach großartig. Für mich hat diese Kategorie eine große Zukunft, weil die Bühne einfach fantastisch ist.“

Die erste DTM-Saison für WRT geht bald zu Ende. War es die richtige Entscheidung, sich als Kundenteam in die DTM zu wagen?
„Ja, ganz sicher. Das Umfeld stimmt. Und die Jungs von Audi haben uns ganz toll geholfen. Wir sind sehr glücklich, ein Teil der DTM zu sein.“

Würden Sie sich in Zukunft weitere Kundenteams in der DTM wünschen?
„Ja. Das ist das Ziel und das war das Ziel. Es war vereinbart, dass auch von BMW ein Kundenteam kommen würde, doch am Ende kam es nicht. Wenn es in der Saison 2019 etwas Enttäuschendes gab, dann war es das.“

Abgesehen vom Norisring hat Ihr Team bisher an jedem DTM-Wochenende Punkte geholt. Sind Sie mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden?
„Das ist immer schwer zu sagen. Intern würde ich wahrscheinlich sagen: Ja, wir sind zufrieden. Wir haben gutes Potenzial gezeigt und hier einen vierten und dort einen fünften Platz geholt. Aber wir haben auch gesehen, dass wir das Potenzial haben, ein Podium zu holen – und das hat noch nicht geklappt. Ein Podium wäre wirklich großartig und bleibt unser Ziel für die verbleibenden Rennen der Saison.“

Ist das gegen die Werksteams überhaupt realistisch?
„In der DTM ein Podium zu holen ist nicht einfach. Aber mit dem Potenzial, das Jonathan (Aberdein) und Pietro (Fittipaldi) haben, ist es definitiv möglich. Nehmen Sie zum Beispiel Brands Hatch: Drei Minuten vor Rennende lag Jonathan auf Platz sieben nur vier Sekunden hinter dem Führenden und Pietro ist die schnellste Runde gefahren. Das zeigt, wie stark wir dort waren. Ja: Ich bin mit unserer bisherigen Leistung zufrieden. Ich konnte das so nicht erwarten. Sich knapp hinter den sechs Werks-Audi zu qualifizieren, ja. Aber nicht, das eine oder andere Mal einige davon hinter uns zu lassen.“

Jonathan Aberdein ist schon zweimal aus der ersten Reihe gestartet. Überrascht Sie seine Rookie-Saison?
„Beide haben uns angenehm überrascht. Jonathan steht mehr im Rampenlicht, weil er im Qualifying schon zweimal Zweiter war und in Assen nur ganz knapp die Pole-Position verpasst hat. Aber auch Pietro zeigt starke Leistungen. Am Ende sind zwei Rookies für uns das perfekte Szenario. Es wäre schwieriger gewesen, zwei erfahrene Piloten zu haben, die erwartet hätten, dass wir vorne dabei sind. Wir lernen nach wie vor und entdecken die DTM noch immer. Wir sollten nicht glauben, dass wir schon am Ziel sind.“

Was macht die DTM so schwierig?
„Zum Beispiel die Boxenstopps. Bisher waren wir in jeder Kategorie, in der wir angetreten sind, der Maßstab. In der DTM haben wir mit den Boxenstopps ziemlich zu kämpfen. Man braucht vier Personen, die das dauerhaft machen. Die Menschen am Schlagschrauber und am Rad sind extrem wichtig. Training ist extrem wichtig. Für die Boxenstopps im GT-Sport braucht man vor allem Kraft. In der DTM ist das komplett anders. Da muss man hart trainieren. Jeder Millimeter zählt, jedes Detail. Es ist so schwierig. Daran zu arbeiten ist eines unserer Ziele für den Winter. In der DTM hat jeder dasselbe Material – es liegt also an uns.“

War das in diesem Jahr am schwierigsten?
„Das war nicht das Einzige. Die DTM zu verstehen ist am schwierigsten. Warum holt (BMW-Pilot Marco) Wittmann am Samstag in Brands Hatch die Pole-Position und warum steht er am Sonntag auf Startplatz zwölf? In der DTM geschehen seltsame Dinge und man muss versuchen, sie zu verstehen. Sonst bekommst du das Gefühl, dass du die Dinge nicht im Griff hast, sondern nur mitschwimmst.“

Kam das überraschend oder hatten Sie das erwartet?
„Ich habe damit gerechnet.“

Gibt es etwas, was sie an der DTM verändern würden?
„Ja. Unsere Positionen am Ende der Rennen ... Was ich hasse, ist das viele Geld, das wir für den Funk ausgeben müssen, ohne ihn richtig verwenden zu können, da wir nur in der Boxengasse mit den Fahrern sprechen dürfen. MotoGP hat großartige Rennen ohne Funk. Die Formel 1 hat großartige Rennen mit Funk.“

Wie ist das Verhältnis zu den Audi-Werksteams?
„Großartig, und das durfte ich nicht erwarten. Ich kannte Ernst Moser und Phoenix aus dem GT-Programm, aber ich hatte nie zuvor mit ABT oder Rosberg gearbeitet. Wir haben von allen drei Teams Hilfe bekommen. Bisher ist die Atmosphäre unter uns allen sehr gut. Sie sind sehr höflich und hilfsbereit zu uns. Das ist ein tolles Gefühl, ein typisches Audi-Gefühl.“

Wird WRT auch nächstes Jahr in der DTM starten?
„Das war immer unser Ziel. Als wir die Vereinbarung getroffen haben, sind wir von mindestens drei Jahren ausgegangen. Wir werden am Jahresende Analysen machen, sehen, wo wir stehen und ob das DTM-Engagement dem Team einen Zusatznutzen bringt. Aber mein Ziel ist ganz klar, dass wir in der DTM weitermachen.“

Welches Ziel haben Sie für die verbleibenden sechs Rennen der Saison?
„In Assen sind wir Vierter geworden. Aber für mich war Brands Hatch die bisher beste Teamleistung, als wir am Sonntag kurz vor Rennende auf dem siebten Platz lagen – nur vier Sekunden hinter dem Führenden. Das bedeutet mir mehr, als mit 20 Sekunden Rückstand Vierter zu werden. Es war eine großartige Leistung von allen, dass wir konstant schnell waren. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Rennen wieder in der Position sind. Wenn daraus ein Podium wird: großartig. Aber wir werden auch zufrieden sein, wenn wir das Podium verpassen, aber nur knapp hinter dem Sieger ins Ziel kommen.“

Sie haben Brands Hatch erwähnt, als Sie im Qualifying zeitgleich zwei Unfälle hatten ...
„Mit den beiden Unfällen im Qualifying am Samstag war Brands Hatch für uns ein dramatisches Wochenende. Wir haben Pietros Auto über Nacht wiederaufgebaut. Mit ihm hat er den siebten Startplatz geholt und die schnellste Runde. Das heißt, dass unsere Jungs beim eiligen Aufbau in der Nacht einen tollen Job gemacht haben. Überhaupt hatten wir bisher noch keine technischen Probleme mit unseren Autos. Es gab nichts, weshalb wir ein freies Training, ein Qualifying oder ein Rennen hätten auslassen müssen. Der Audi RS 5 DTM ist ein großartiges Auto, aber wir haben keine zehn Audi-Leute in der Box, die nach unseren Autos schauen. Das machen wir selbst. Und das macht einen sehr stolz.“