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Formel 1
11.08.2019

Elektrische Energie in der Formel 1: Ein Jahrzehnt der Hybrid-Erfolge

Vor zehn Jahren wurde Lewis Hamilton beim Großen Preis von Ungarn 2009 der erste Fahrer, der ein Formel-1-Rennen mit einem Hybrid-Motor gewinnen konnte. Das kinetische Energierückgewinnungssystem (KERS) war der erste Schritt auf dem Weg zur Elektrifizierung der Formel 1 Power Units. Aus diesem Anlass werfen wir einen Blick auf die F1-Hybrid Power Unit und deren Entwicklung zum effizientesten Verbrennungsmotor, der jemals gebaut wurde. 


Warum war der Große Preis von Ungarn 2009 der erste Hybrid-Sieg in der Formel 1? 

Das Formel-1-Reglement ließ den Teams in der Saison 2009 die Möglichkeit, eine Hybrid-Komponente in ihren Antriebsstrang einzubauen - ein kinetisches Energierückgewinnungssystem, besser bekannt unter der Abkürzung KERS. Heutzutage schreibt das Regelwerk verpflichtend den Einsatz einer Hybrid Power Unit vor. Damals durften die Teams jedoch entscheiden, ob sie KERS einsetzen wollten oder nicht. Sowohl Brawn als auch Red Bull, also die beiden Teams, die die ersten Saisonrennen 2009 für sich entscheiden konnten, votierten für den Einsatz eines konventionellen Motors. Mercedes-Benz hatte hingegen ein Hybrid-System entwickelt, das in der Saison 2009 von McLaren-Mercedes eingesetzt wurde. Somit war der Sieg von Lewis am 26. Juli beim Großen Preis von Ungarn 2009 der erste Erfolg für ein Hybrid-Auto in der Formel 1. Tatsächlich spielte KERS dabei eine wichtige Rolle: Lewis gelang das entscheidende Überholmanöver im Kampf um Platz zwei gegen Mark Webber mit der Hilfe von KERS. Kurz darauf schied der bis dahin führende Fahrer, Fernando Alonso, aus, sodass Lewis die Führung übernehmen und seinen zehnten Grand-Prix-Sieg einfahren konnte. Es war der erste Hybrid-Triumph in der Geschichte der Formel 1. 


Wie funktioniert das heutige Hybridsystem? 

Die FIA unterscheidet bei einer Formel-1-Power-Unit zwischen sechs verschiedenen Bestandteilen, vier davon bilden das Hybridsystem, das auch Energierückgewinnungssystem (ERS) genannt wird. Zwei dieser vier ERS-Elemente sind Elektromotoren, die Energie zurückgewinnen und in Form von zusätzlicher Leistung wieder freigeben. Zum einen ist dies die Motor-Generator-Einheit Kinetisch (MGU-K), die beim Bremsen kinetische Energie zurückgewinnt. Das System ist fortschrittlicher und leistungsstärker als sein Vorgänger aus dem Jahr 2009, aber das Grundprinzip ist ähnlich dem des KERS. Die durch die MGU-K gewonnene Energie wird dazu genutzt, um das Auto anzutreiben. Der zweite Elektromotor ist die Motor-Generator-Einheit Hitze (MGU-H), die zwischen dem Kompressor und der Turbine des Turboladers angesiedelt ist. Bei Mercedes schmiegt sie sich zwischen die beiden Zylinderbänke des Motors. Der Turbolader selbst wird von den Auspuffgasen des Motors angetrieben. Sobald der Kompressor läuft, entsteht überschüssige Energie im Abgasstrom, die durch die MGU-H zurückgewonnen werden kann. Diese elektrische Energie kann in der Folge dazu genutzt werden, um den Kompressor auch beim Bremsen anzutreiben, was dazu führt, dass es kein Turboloch gibt, wenn der Fahrer wieder auf das Gaspedal steigt. Beide Elektromotoren werden durch ein Dreiphasenkabel mit Wechselrichtern verbunden, die die elektrische Energie für die Batterie in Gleichspannung umwandeln. Die Batterie wird in diesem Zusammenhang auch als Energiespeicher (ES) bezeichnet. Darin wird die zurückgewonnene Energie chemisch in Lithiumionenzellen gespeichert. Die Elektromotoren verwandeln in diesem Zuge Rotationsenergie in elektrische Energie, die dann wiederum als chemische Energie gespeichert wird. Das gesamte Hybridsystem, genau genommen sogar die gesamte Power Unit, wird von der Kontrollelektronik (CE für Control Electronics) gesteuert. Diese ist gemeinsam mit dem Energiespeicher in einem Gehäuse untergebracht. Im Verlauf eines Rennens stellt die Kontrollelektronik durchschnittlich mehr als 43 Trillionen Berechnungen an. Dazu zählt unter anderem, mit welcher Geschwindigkeit die Elektromotoren laufen müssen und wie viel Leistung abgegeben werden sollte. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass der Energiespeicher auf Spitzenleistung optimiert ist. 


Wie wurde das Hybridsystem über die letzten zehn Jahre hinweg weiterentwickelt? 

Die Anfänge der Formel 1-Hybrid-Ära gehen bis ins Jahr 2007 zurück. Damals wurde ein Energierückgewinnungssystem für Entwicklungstests genutzt. Die Batterie wog 107 Kilogramm und hatte eine Effizienz von 39 Prozent. Die Leistungselektronik war wassergekühlt und steckte in einer klobigen Box, die einen erheblichen Platzbedarf im Fahrzeug hatte. Zwei Jahre später wurde KERS zum ersten Mal in einem Rennen eingesetzt. Bis dahin wog das System deutlich weniger. Der Energiespeicher des 2009er Systems wog 25,3 Kilogramm - mehr als 75 % weniger als zwei Jahre zuvor. Gleichzeitig wurde die Effizienz auf 70 % gesteigert. Die Leistungselektronik nutzte nun eine Luft- statt einer Wasserkühlung und steckte in einem viel kleineren Kohlefasergehäuse. Der nächste große Entwicklungsschritt ging mit dem Power-Unit-Reglement für die Saison 2014 einher. Damit wurden 1,6-Liter-V6-Turbomotoren eingeführt, die ein Hochleistungshybridsystem besitzen. Neben der Rückgewinnung von kinetischer Energie durch die MGU-K beim Bremsen durften die Teams nun auch Energie mit der MGU-H sammeln. Seit den ersten Hybrid-Schritten im Jahr 2007 wurde das Gewicht der Batterien um 81 Prozent verringert. Derzeit ist es vom Reglement auf mindestens 20 kg festgeschrieben. Die Leistungsdichte der Batteriezellen wurde verzwölffacht und der Energiespeicher erreicht nun einen Effizienzgrad von 96 Prozent. 


Warum ist die Effizienz in der Formel 1 so wichtig? 

Die Effizienz der Power Unit hat einen Einfluss auf die Performance des Fahrzeugs auf der Rennstrecke, sowohl mit Blick auf die Leistungsabgabe als auch bei der Gewichtsersparnis. Die Leistungsabgabe eines Motors wird durch zwei Faktoren bestimmt: den Kraftstoffdurchfluss und die Effizienz des Motors. In der Formel 1 ist der Benzindurchfluss auf maximal 100 kg pro Stunde beschränkt. Entsprechend können die Teams einzig und allein Einfluss auf die Effizienz des Motors nehmen. Ein effizienterer Motor bedeutet somit eine höhere Leistungsabgabe und dadurch eine bessere Performance auf der Strecke. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Gewichtsersparnis: Gemäß dem Reglement dürfen die Teams pro Rennen maximal 110 kg an Benzin nutzen. Das Gewicht des Kraftstoffs zählt jedoch nicht zum Mindestgewicht des Fahrzeugs. Das bedeutet: wenn man weniger Benzin benötigt als maximal erlaubt ist, kann man mit einem leichteren Auto ins Rennen starten, was sich wiederum direkt in schnelleren Rundenzeiten niederschlägt. Denn pro fünf gesparten Kilogramm fährt das Auto ungefähr zwei Zehntel pro Runde schneller. 


Wie stellen die Teams sicher, dass sie das Maximum aus dem Hybridsystem herausholen? 

Die Verbindung zwischen ERS und dem Motor ist der Schlüssel, um das Beste aus einer Power Unit herauszuholen. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Teams an jedem Rennwochenende auf diese Aufgabe. Dabei geht es allen voran darum, herauszufinden, wie sie die Energie bestmöglich zurückgewinnen und wieder abgeben können. Vor jedem Rennwochenende werden in Computersimulationen die idealen Setups und Szenarien errechnet. Diese werden dann im Fahrsimulator (Driver in Lopp, DiL) erstmals ausgetestet, um ein Profil für diese spezielle Strecke zu erstellen. Jede Strecke stellt bei der Energie-Rückgewinnung und -Abgabe andere Anforderungen an das ERS-System. Dementsprechend ist der DiL-Simulator ein guter erster Schritt, um ein besseres Verständnis für die Ergebnisse der Computerberechnungen zu erlangen. Danach wird das im DiL-Simulator erarbeitete Profil auf den Prüfstand geladen und bis aufs Härteste getestet. In diesem Schritt geht es darum, was die Technik leisten kann. Sobald die Arbeiten auf dem Prüfstand abgeschlossen sind, geht es auf die Rennstrecke, um zu sehen, wie es in der Realität aussieht. Bei der Vorbereitung des ERS auf eine Strecke hängt alles von der Menge der Bremsleistung und der Kurven-Performance des Autos ab. Es geht darum, herauszufinden, wie viel Vollgasanteil es pro Runde geben wird. Denn dieser bestimmt, wie lange die MGU-K laufen muss, wie viel Energie sie aus den Batterien benötigt sowie wie lange die MGU-H Energie aufnehmen wird und wie viel Energie sie in den Batterien speichern kann. 

Die Erkenntnisse aus dem Freitagstraining werden über Nacht analysiert, bevor sie am Samstag im Qualifying zum Einsatz kommen. Hier kann die Batterie komplett geleert werden. Während des Rennens bleibt die Batterie im gleichen Ladezustand. Zum Vergleich: In einem Elektroauto wird die Batterie ständig aufgefüllt und wieder geleert. Hier ist es anders: das ERS gewinnt so viel Energie wie möglich zurück, speichert sie kurzfristig während der Runde und setzt sie dann zum bestmöglichen Zeitpunkt ein. 


Wie relevant sind KERS- und ERS-Technologien für Straßenfahrzeuge? 

KERS, ERS, MGU-H und MGU-K - die Formel-1-Ingenieure lieben einfach ihre Abkürzungen. Es ist wenig überraschend, dass diese Buchstaben außerhalb der F1-Welt keine große Bedeutung besitzen. Die Technologien, die sich dahinter verstecken, sind jedoch auch dort äußerst relevant. In der Welt der Straßenautos sind Systeme wie KERS oder die MGU-K als regenerative Bremssysteme bekannt. Das Auto gewinnt beim Bremsen etwas von der kinetischen Energie zurück und setzt sie ein, um die Batterie aufzuladen, was dann wiederum dazu genutzt wird, um das Auto anzutreiben. Die Technologie hinter der MGU-H ist besser bekannt als elektrischer Booster-Kompressor oder e-Booster. Auch auf dem Gebiet der Hochspannungssysteme gibt es ähnliche Entwicklungen in der Serienproduktion wie in der Formel 1. Warum? In einem elektrischen System manifestiert sich der Energieverlust als Hitze, was in einem Auto nicht gerne gesehen wird. Der Verlust lässt sich durch eine Senkung der Stromstärke verringern. Um die Stromstärke bei gleicher Leistung verringern zu können, muss die Spannung erhöht werden. In der Formel 1 sind die ERS-Batterien nun schon bei fast 1.000 Volt angekommen. Moderne Straßenfahrzeuge laufen normalerweise mit bis zu 400 Volt. In Zukunft wird die Voltzahl jedoch auch hier ansteigen und sich jener in der heutigen Formel 1 annähern. Während die Weiterentwicklung in der Formel 1 und der Automobilindustrie sehr ähnlich verläuft, gibt es einen Unterschied: in der F1 werden diese Technologien eingesetzt, um die Autos schneller zu machen. Auf der Straße sorgen sie dafür, um mit der gleichen Menge an Energie eine höhere Reichweite zu erzielen.