Ralf Schumacher über…
… Sebastian Vettels Dreher in der ersten Runde des Rennens in Silverstone: „Ich kann mir das nur so erklären, dass Sebastian das Gefühl hatte, dass der Red Bull ihm den Platz wegnimmt, weil er auch einlenkt, und deshalb ist er sehr spitz und sehr weit über den Curb gefahren und ist dann wahrscheinlich ungünstig aufgesetzt. Aber er wollte natürlich mit aller Gewalt einen Crash in der ersten Kurve vermeiden, um ins Rennen zu finden und dabei hat er sich einfach gedreht. Das war auf der einen Seite ein Fahrfehler und hätte nicht passieren sollen, und war natürlich wieder sehr schade, weil von da an das Rennen eigentlich schon vorbei war.“… Vettels Situation bei Ferrari: „Die Situation ist höchst ungünstig. Das hat damit angefangen, dass das Team schon am Anfang des Jahres verkündet hat, dass man auf seine Dienste keinen Wert mehr legt – und noch viel schlimmer, der Ferrari-Präsident quasi eine Teilschuld an Sebastian gegeben hat. Da finde ich, ist überhaupt kein Vertrauen mehr da und da verstehe ich natürlich schon den Frust. Trotzdem muss man auch unterscheiden, was da heute passiert ist. Das ganze letzte Wochenende war Leclerc schneller und auch dieses Wochenende war er schneller. Er ist letzte Woche aufs Podium gefahren, und dass Ferrari jetzt natürlich versucht, alles rauszuholen, was geht, und dementsprechend Sebastian aus dem Weg räumen muss, auch wenn es mir nicht gefällt aus deutscher Sicht, hätte ich als Teamchef vermutlich auch so entschieden. Das tut mir an der Stelle leid, aber es ist so.“
… Vettels Zukunft und ein mögliches Karriereende nach der Saison: „Ganz wichtig wird die Entscheidung sein, was wird passieren mit dieser ganzen Diskussion um das Quasi-Kopieren oder die Frage: Wie viel darf ein Hersteller rübergeben an einen anderen? Wenn das mal geklärt ist, und ich finde, das kann man auch machen, das wäre auch teilweise im Sinne der Formel 1, dass man anderen Teams ermöglicht, relativ günstig an Technologie zu kommen, dann würde das ja ganz neue Dinge eröffnen für Sebastian. Auch bei der Hersteller-Reaktion zurzeit: Wir sind in einer schweren Phase, jeder Automobilkonzern hinterfragt sich zurzeit. Ich würde auch nicht sagen, dass jeder Hersteller gleichermaßen in Stein gemeißelt ist für die nächsten Jahre. Dementsprechend jetzt die Flinte ins Korn zu werfen, wäre schade. Ich kann mir vorstellen, dass Sebastian so nicht unbedingt gehen will und das hätte er auch nicht verdient. Was jetzt das Wichtigste ist – und das habe ich auch hinter mir, ich habe ja auch mal Teams gewechselt: Man kommt rein und fühlt sich auf einmal fremd, das ist einfach so. Man hinterfragt auf einmal Dinge, die findet man komisch, man fühlt sich nicht mehr wohl. Dieser Wohlfühlfaktor zu der Problematik mit dem Auto kommt jetzt auch noch dazu – und natürlich hat Leclerc jetzt auch dieses Development an sich gerissen und fährt auch noch ein bisschen schneller. Das sind jetzt viele Faktoren. Ich wünsche Sebastian, dass er jetzt wieder auf eine Strecke kommt, wo er sich wohler fühlt, dann wird er auch sein Potenzial wieder besser darstellen können und vielleicht noch mal das eine oder andere gute Ergebnis für seine Zukunft holen – weil ich fände es sehr schade, wenn er uns jetzt verlassen würde.“
… den Vergleich zwischen Vettels Ausgangslage bei Ferrari und der von Michael Schumacher einst: „Man kann das Team von damals und heute nicht vergleichen. Michael ist auch als Weltmeister hingekommen, aber Ferrari war natürlich zu dem Zeitpunkt wirklich in einer Durststrecke und hat unbedingt einen Weltmeister gebraucht. Michael wusste sehr gut – und damit will ich nicht unterstellen, dass Sebastian das nicht kann – was er wollte, und hatte auch eine sehr gute Beratung. Und er hatte natürlich ein Riesenglück, dass die ganzen Jungs von Benetton mitgingen, plus natürlich, dass Jean Todt dazukam, der ja erst mal in der Mittagspause den Rotwein verboten hat bei Ferrari, das war ja damals noch erlaubt – und dann hatte er natürlich alle Möglichkeiten, das zu gestalten. Ob Sebastian auch diese Möglichkeiten hat, das bezweifle ich.“
… die Leistung von Nico Hülkenberg als Ersatzfahrer bei Racing Point: „Erst mal ist diese Aufgabe eine wahnsinnige gewesen, und die hat er am zweiten Wochenende perfekt gelöst, schneller als jeder andere das so einfach mal kann. Das ist aufgrund seines Talents, das er oft bewiesen hat, auch wenn er eben noch nicht auf dem Podium war, der arme Kerl. Aber das hat ja nichts mit seinem Talent zu tun, sondern er war immer zur richtigen Zeit im falschen Auto. Das ist eben so in der Formel 1. Ich würde sogar so weit gehen: Wenn das Ganze vorher gewesen wäre auf dem Red-Bull-Ring, dann wäre er auf dem Podium gewesen, weil da hätte er die Stärke des Autos deutlich besser nutzen können. Aber hier war einfach das Auto dazu nicht da. Im Qualifying, wo es ging, hat er das auch gekonnt.“
… den Schatten seines Bruders zu Anfang seiner Formel-1-Zeit und das Verhältnis der beiden: „Eigentlich haben die Fragen darüber mehr genervt als der Ist-Zustand, weil man muss sich das so vorstellen: Wir waren zwei Jungs aus einem Loch, einer Kartbahn in Kerpen. Der eine kommt in die Formel 1 und der andere hat dann irgendwie auch den Wunsch. Mein Vater hat ständig zu mir gesagt: ‚Spinnst du eigentlich? Zwei? Das schaffst du nie. Bitte lern' was Anständiges, werde Koch oder übernimm irgendwann mal den Imbiss bei uns an der Kartbahn, weil davon kann man auch gut leben – und hör auf daran zu glauben, dass es sowas zwei Mal geben kann.' Ich habe ja auch großes Glück gehabt, das hat ja auch viele Vorteile gebracht. Michael hat Willi Weber kennengelernt, Willi Weber hatte damals das beste Formel-3-Team, in dem ich dann fahren durfte. Natürlich auch das Management: Da haben sich ja Türen geöffnet, von denen ich profitiert habe. Von daher muss ich ganz ehrlich sagen: Ich hatte eigentlich keine Nachteile. Den einzigen Nachteil, den ich hatte: Ich hatte viele Vorurteile. Mit Journalisten, die auf mich zukamen, und wenn ich dann mal jung und ungestüm war, und teilweise auch dumm, wie jeder 16-, 17-, 18-Jährige, dann war das halt gleich arrogant. Dinge, die ich gemacht habe, waren arrogant. Dinge, die andere gemacht haben, waren lustig. Daraus hat sich dann irgendwann mal ein Kreislauf gebildet, sodass ich den Medien gegenüber nicht ganz so positiv eingestellt war. Das würde ich heute natürlich auch anders machen, aber das war so. Aber ein Schatten, aus dem ich rauswollte? Nie! Ich war immer irrsinnig stolz auf meinen Bruder und bin es heute noch, auf all das, was er erreicht hat. In unserer Familie gibt es keinen Neid, ganz im Gegenteil. Wir hatten wirklich ganz, ganz viel Glück, dass wir das Leben leben durften, was wir heute noch davon haben und was wir erreicht haben. Das ist alles für beide super.“
… die Erwartungshaltung an den Schumacher-Nachwuchs, insbesondere Mick Schumacher: „Ich glaube, dass sich die Kids fast mehr Druck machen, als sie das von außen teilweise bekommen, weil von außen werden sie ja doch recht gut geführt. Aber natürlich hat speziell im Fall von Mick, der ein paar Mal im Formel-1-Auto gefahren und jetzt als Ferrari-Junior in der Formel 2 aktiv ist, Mattia Binotto auch schon so seine Vorstellungen geäußert. Der ist jetzt so nah dran an dem Thema, da setzt er sich natürlich selbst unter Druck. Und von außen ist die Erwartungshaltung auch groß, aber ich finde in den letzten Rennen macht er das ja sehr ordentlich.“