Kartsport Allgemein
30.08.2022
Erste inklusive E-Kart-Slalom-Trophy mit Finallauf am Lausitzring
Marc Neuhardt (28), seit 8 Jahren im Rollstuhl, konnte die Trophäe am Ende mit nach Hause nehmen. Viel Karterfahrung hatte er vorher nicht. „Ich bin jetzt das dritte Mal mitgefahren, in Weingarten, am Nürburgring und jetzt hier“, freut sich der glückliche Sieger. Auf das Projekt ist er vor gut zwei Monaten auf der REHAB in Karlsruhe aufmerksam geworden. „Das ist auf jeden Fall eine coole Sache, dass jeder unter gleichen Wettbewerbsbedingungen teilnehmen kann - mit und ohne Einschränkungen - im gleichen Kart.“ Die folgenden Plätze belegten Tobias Kleiber aus Klingen und Niels Scheidemann aus Borken, beide aktive Kartfahrer.
Möglich ist der Wettkampf durch das innovative E-Kart sms revo SpaceDrive, ausgestattet mit dem Fahr- und Lenksystem Space Drive von Schaeffler Paravan bzw. PARAVAN, das durch verschiedene Joysticks individuell angepasst werden kann. 2020 wurde das inklusive Motorsport-Projekt „United in Dreams“ als Kooperation zwischen dem x4in e.V. und dem DMSB ins Leben gerufen. In diesem Jahr konnten erstmalig mehrere regionale Sichtungsläufe und ein finaler Wettbewerb unter dem Titel „Inklusive E-Kart-Slalom-Trophy“ veranstaltet werden. „Wir wollen Menschen mit und ohne Einschränkungen eine Chance geben sich im Wettbewerb zu beweisen - mit den gleichen Mitteln“, sagt Robert Maas, Konstrukteur des E-Karts und Mitinitiator des Projektes. „Wir haben zwei Joysticks, für Gas und Bremse sowie für die Lenkung. Egal ob ich ein Handicap habe oder nicht, damit kann ich das Kart steuern.“ Bei insgesamt fünf Sichtungsläufen in ganz Deutschland haben sich viele junge Menschen mit und ohne körperliche Einschränkungen im Wettbewerb für den E-Kart-Slalomsport begeistert.
“Der Motorsport insgesamt tut gut daran, empfundene Randthemen, die in der Tat zentrale Themen sein sollten, viel deutlicher und gewichtiger zu bearbeiten und zu betonen. Für Nachhaltigkeit gilt das genauso wie für Inklusion“, sagt der ehemalige Mercedes-Benz-Motorsportchef Norbert Haug, ein engagierter Unterstützer des E-Kart-Steer-by-Wire-Inklusions-Projekts. „Inklusion wird fälschlicherweise allenfalls als Randaspekt des Motorsports gesehen. Die aktuelle Kart-Aktion, die auch Menschen mit Handicap ein Mitmachen ermöglicht, bildet deshalb, ein wichtiges Signal.“
Insgesamt nahmen 17 Teilnehmer, die sich in fünf Sichtungsläufen qualifiziert hatten, am Saisonfinale am Lausitzring teil, darunter sieben Rollstuhlfahrer: „Am Anfang ist es ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber es macht mega Spaß. Ich bin sehr motorsportbegeistert und deshalb macht es umso mehr Spaß, wenn ich so etwas endlich auch erleben kann“, sagt Florian Bongard. „Also fair ist es auf jeden Fall, dass jeder mit demselben Kart fährt und es macht mega Spaß sich mit den anderen zu messen“, meint Tobias Kastenhuber. „Inklusion bedeutet für mich Gleichberechtigung. Dass alle - mit und ohne Einschränkung - wirklich gleichberechtigt unter den gleichen Voraussetzungen am Motorsport teilnehmen können“, sagt Christian Kampes vom MSC Sachsenhausen.
Einige davon saßen bereits davor im Kart, wie der Neuöttinger Tobias Kastenhuber, oder hatten Space Drive Erfahrung wie Bois Nicolai, der bereits seit gut 14 Jahren mit zwei Joystick-Autos fährt. Er war beim Sichtungs-Event in Weingarten im Juli dabei und belegte Platz 3. „Ich finde es gut, dass hier alle gemeinsam am Start sind. Es ist eine neue Erfahrung für mich und eine tolle Sportart, die so von allen betrieben werden kann“, sagt der Olympiateilnehmer im Paraboccia. „Das Grundprinzip Space Drive ist das gleiche, wie in meinem Auto. Aber im Kart fühlt es sich viel direkter an und man hat größere Fliehkräfte als im Auto.“
Zum Finale im Rahmen des ADAC GT Masters waren 17 Teilnehmer, darunter sieben Rollstuhlfahrer zur Siegerehrung auf dem Grid. Der Gesamtsieger, Marc Neuhardt, selbst Rollstuhlfahrer, sowie die Zweit- und Drittplatzierten Tobias Kleiber und Nils Scheidemann erhielten Pokale im Design der GT Masters Trophäen am Sonntag im Rahmen der Startaufstellung zum ADAC GT Masters überreicht. Der Gesamtsieger Marc Neuhardt erhielt zudem eine Einladung für das GT Masters-Finale am Hockenheimring. Alle drei Finalisten werden 2023 von der „Turning Point Stiftung“, welche inklusives Segeln in der Region Lausitz fördert, zu einem inklusiven Segelkurs eingeladen.
Das Team von United in Dreams erhielt für die Veranstaltung und die Organisation des Projekts sehr viel Lob von den Teilnehmern und aus der Motorsport-Community. Bereits am Freitag nahmen GT3-Stars wie Raffaele Marciello, Daniel Juncadella, Ricardo Feller oder Markus Winkelhock sowie die Junioren des Porsche Carrera Cups im Inklusionskart Platz, um eine Proberunde auf dem Parcours zu drehen. „Ich finde es ist eine tolle Geschichte, dass hier alle die Erfahrung machen können. Auch die, die normaler Weise nicht die Möglichkeit haben. Und durch das Space Drive System ist es möglich das alle diesen Spaß gleichermaßen haben“, sagt Markus Winkelhock, seit 2019 mit Space Drive auf der Rennstrecke als Entwicklungsfahrer für Schaeffler Paravan im Einsatz – wenn auch mit Force Feedback-Lenkrad. „Ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft das Steer-by-Wire System nicht nur im Behindertenbereich auf der Straße, sondern auch im Rennbereich oder hier im Kartsport zum Einsatz kommen wird. Das ist definitiv die Zukunft.“