Formelsport Allgemein
07.06.2024
Motorsportteam der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg startet mit neuem E-Rennwagen
Aluminium-3-D-Druck, CNC-Fräsen, Drahterodieren, Einsatzhärten, CNC-Drehen: Die Studierenden der Motorsportgruppe der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg haben eine Vielzahl von Fertigungsverfahren eingesetzt, um an ihrem neuen Rennwagen Gewicht einzusparen. Die Radbaugruppe etwa ist auf diese Weise gut ein Kilogramm leichter ausgefallen als bei dem Vorjahresmodell. Bei einem insgesamt nur rund 200 Kilogramm schweren Fahrzeug fällt eine solche Reduktion buchstäblich ins Gewicht. Viele konstruktive Änderungen waren vonnöten, um diese Ersparnis zu erreichen. Selbst die reibungsoptimierten Dichtringe haben dazu ihren Beitrag geleistet. Die Mitglieder des Motorsportteams sind sehr stolz auf das Ergebnis ihrer monatelangen Tüftelarbeit. Zumal sie sich mit dem erst im Vorjahr völlig neu entwickelten Fahrzeugkonzept bereits am Limit des technisch Machbaren glaubten. Über alle Baugruppen hinweg ist es den studentischen Tüftlerinnen und -tüftlern gelungen, zehn Kilogramm Gewicht bei dem in Carbon-Sandwichbauweise gefertigten Formel-Rennwagen einzusparen.
In den Wochen vor dem Rollout haben sie rund um die Uhr in der Werkstatt gearbeitet, um den neuen Prototypen zu vollenden. Begonnen hatte die Fertigung bereits im Dezember des Vorjahres. In das Design eingeflossen sind Tausende Entwicklungs- und Simulationsstunden am Computer.
Bei einer Feierstunde im Audimax auf dem Campus Sankt Augustin haben die Studierenden, die im Verein BRS Motorsport organisiert sind, das G24e – Gina getaufte neue Modell der Öffentlichkeit vorgestellt. Der in Sichtcarbon gehaltene Renner verfügt über vier Elektromotoren mit insgesamt 80 Kilowatt Leistung, die ihn in 2,3 Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen sollen. Der Beschleunigungswert entstammt, wie auch die aerodynamischen Kräfte und die Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde, den umfangreichen Simulationen, die die Studierenden durchgeführt haben. Die tatsächlichen Werte gilt es nun in den Testfahrten zu ermitteln. Der für die Saison 2024 konstruierte und gebaute Elektro-Rennwagen ist eine Weiterentwicklung des Vorjahrsmodells, mit dem die studentische Motorsportgruppe in vielerlei Hinsicht neue technische Wege beschritten hat.
„Mit dem 2024er Rennwagen knüpfen wir an unser mechanisches Konzept aus dem letzten Jahr an, beseitigen kleine Schwachpunkte, reduzieren das Gewicht und setzen auf ein neues Aero-Paket. Denn unser G24e ist ein echter Jubiläumsrennwagen: Er ist unser 15. Rennwagen der Vereinsgeschichte und markiert gleichzeitig unser zehntes vollelektrisches Jahr“, sagt Simon Hoos, H-BRS-Student und Teamleiter des BRS Motorsport. „Viel Wissenstransfer findet aktuell statt. Bachelorarbeiten, neue Fahrzeugentwicklungen sowie das gezielte Anlernen der vielen neuen Teammitglieder haben ein eng zusammengewachsenes Team geschaffen, das uns den Erfolg für die nächsten Jahre sichern soll.“
Die Liste der Optimierungen, die die Studierenden für den Rennwagen entwickelt haben, ist lang. Ins Auge fallen vor allem die aerodynamischen Anbauteile am Heck und an der Front. Bei deren Gestaltung haben die Studierenden auf sogenannte dreidimensionale Geometrien gesetzt. Die verschiedenen Flügel sind nicht als gerade Flächen ausgeführt, sondern zeigen kurvige Formen, was bei der Fertigung besonders hohe Ansprüche stellt, aber die Aerodynamik deutlich verbessert.
Geholfen haben den Studierenden beim Design die Großrechner der Hochschule, die sehr datenintensive Simulationen ermöglichten. Eine Premiere sind die hohlen Flügelprofile. Auch sie tragen zur Gewichtsersparnis bei. Die Idee dazu geht, wie auch im Fall des topologieoptimierten Radträgers mit integrierter Perimeterbremse, auf eine Bachelor-Arbeit zurück. Die Mitarbeit in der Motorsportgruppe ist eingebettet in das Lehrangebot der Hochschule, daher fließen immer wieder Ideen in das Rennauto-Projekt ein, die ein Teammitglied in einer Seminararbeit entwickelt hat.
Besonders stolz sind die studentischen Motorsportlerinnen und Motorsportler auf die automatisierte Auswertung von Fahrzeugdaten. Selbst entwickelte elektronische Komponenten erlauben es ihnen, während der Fahrt die Fahrzeugdaten in Echtzeit zu übertragen, um schnellere Rundenzeiten zu ermöglichen. Die angefallenen großen Datensätze nutzen sie nach Ende der Fahrt außerdem, um Erkenntnisse für künftige Rennwagenmodelle zu gewinnen.
Mit dem neuen Rennwagen sehen sich die Studierenden bestens gewappnet für die unmittelbar bevorstehende Saison, in der sie sich mit den besten europäischen Teams der Formula Student messen werden. Den Auftakt bildet das Rennen auf der hochmodernen Teststrecke von Zalaegerszeg im Ungarn ab dem 29. Juli. Von dort aus wird das Team direkt, ohne Zwischenstopp in Sankt Augustin, nach Most in Tschechien fahren. Die kurvenreiche Strecke dort ist für das Team von BRS Motorsport mit aufregenden Erinnerungen aus der vorherigen Saison verbunden: Das Team holte sich dort in der prestigeträchtigen „Engineering Design“-Kategorie den ersten Platz. Nach dem Rennen in Tschechien wird wiederum nur wenig Zeit für Erholung und eventuelle Reparaturen bleiben, denn bereits ab dem 20. August steht der Abschlusswettbewerb in Kroatien auf dem Programm.
Die Studierenden von BRS Motorsport entwickeln auf dem Campus Sankt Augustin für jede Rennsaison einen neuen Rennwagen, gebaut wird er in ihrer Werkstatt in Hangelar. Die Gruppe besteht seit 2007 und nimmt regelmäßig an der Formula Student in Europa teil. Seit 2014 baut sie ausschließlich elektrisch angetriebene Wagen. Aktuell hat das Team 70 Mitglieder, die aus allen Fachbereichen der Hochschule kommen. Die Mitarbeit in der interdisziplinären Motorsport-Gruppe ist eingebettet in das Lehrangebot der Hochschule und wird betreut von Professor Dirk Reith. Die Entwicklung und der Bau des Rennwagens werden von Sponsoren unterstützt.