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Formel 1
14.02.2011

Der verstellbare Heckflügel vom Lotus Renault GP


Zu den auffälligsten technischen Neuerungen der Formel 1 Saison 2011 zählt der verstellbare Heckflügel. James Allison, der Technische Direktor von Lotus Renault GP, erklärt, wie das neue System eingesetzt wird und wieso es für mehr Spektakel sorgen kann.

Jahrzehntelang waren bewegliche aerodynamische Hilfsmittel streng verboten – doch heutet sehen die Chefingenieure der Grand Prix-Teams und der Weltverband FIA darin ein probates Mittel, noch mehr Spannung in den Sport zu bringen. Nachdem 2010 die Verstellung der Frontflügel-Flaps erlaubt war, soll 2011 eine bewegliche Heckflügelplatte das Überholen erleichtern. Was die Fans freut, stellt für die Techniker eine interessante Herausforderung dar – und dürfte zu einem zentralen Thema dieser Saison werden.

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Ein neuer Ansatz
Schon der verstellbare Frontflügel wurde 2010 mit der Aufgabe ins Rennen geschickt, mehr und engere Zweikämpfe in der Formel zu ermöglichen. James Allison, Technischer Direktor von Lotus Renault GP, erklärt, warum dieses Konzept nicht aufging: „Die Idee hinter den verstellbaren Flaps war, dass ein Pilot auch im Windschatten eines anderen Fahrzeugs noch genug Abtrieb auf der Vorderachse haben sollte, um dem Vordermann in Kurven dicht zu folgen – und sich damit für ein Überholmanöver in Position zu bringen. In der Praxis machte diese Technik aber keinen Unterschied. Stattdessen setzten die Fahrer sie ein, um bei nachlassendem Grip und abnehmender Kraftstoffmenge die Fahrzeugbalance zu optimieren. Die Teams haben sich deshalb gegen den verstellbaren Frontflügel ausgesprochen und vorgeschlagen, mit einem beweglichen Heckflügel-Element das Überholen zu erleichtern.“

Das Konzept
Aber wenn es mit den Frontflügeln nicht klappte, wieso sollte es dann mit verstellbaren Heckflügeln besser werden? „Der entscheidende Unterschied ist, dass die Flügel vorn und hinten den Luftwiderstand an den Autos unterschiedlich stark beeinflussen“, erklärt der Lotus Renault GP-Technikchef. „Wenn du den Winkel der vorderen Flaps verstellst, ändert sich die Fahrzeugbalance, aber der Luftwiderstand und damit die Endgeschwindigkeit bleiben praktisch gleich. Beim Heckflügel wirkt sich jede Veränderung des Winkels dagegen stark auf den Luftwiderstand und damit auf die Topspeeds aus.“ Diese Wirkung – unveränderter Anpressdruck in Kurven, doch geringerer Luftwiderstand auf der Geraden – erzielte der im Vorjahr noch erlaubte F-Schacht, wenn auch mit anderer physikalischer Arbeitsweise. „Wenn zwei Fahrer miteinander kämpfen, wird derjenige, der seinen Flügel flacher stellt, auf der Geraden schneller sein“, bringt es James Allison auf den Punkt.

Verstellung strikt geregelt
Das heißt umgekehrt natürlich auch: Wenn beide Autos gleichzeitig mit flacherem Flügelwinkel fahren, hat keiner der Piloten einen Vorteil. Deshalb hat die FIA sehr genau darauf geachtet, dass die neuen Regeln auch tatsächlich zu mehr Überholmanövern führen. Und hat folglich das Verstellen nur unter bestimmten Bedingungen und in engen Grenzen erlaubt.

„In den Trainingssessions und im Qualifying dürfen die Piloten ihre Heckflügel verstellen, so oft sie wollen. Im Rennen ist das jedoch stark limitiert“, betont der Lotus Renault GP-Technikdirektor. „Der Einsatz des Systems wird für den Hintermann freigegeben, wenn das Auto vor ihm weniger als eine Sekunde entfernt ist. Wenn ein Pilot sich so nah herangearbeitet hat, darf er den Flügel innerhalb dieser Runde flacher stellen. Die FIA hat für jede Strecke eine Gerade benannt, auf denen das erlaubt ist. Außerdem haben sich die Teams und die FIA auf ein System geeinigt, damit der Verfolger gerade eben genug profitiert, um ein Überholmanöver zu wagen. Keiner möchte eine Regelung, bei der Überholen reine Formsache wird.“

Während des Grand Prix überwacht die FIA das System elektronisch. Es wird erst nach Vollendung der zweiten Rennrunde aktiviert. Sobald die nötige Voraussetzung – der geringe Abstand zum Vordermann – gegeben ist, leuchtet im Cockpit ein Licht auf. Der Fahrer weiß nun, dass er in dieser Runde den Heckflügel flacher stellen darf, was über einen Knopf auf dem Lenkrad geschieht. Der Flügel stellt sich automatisch wieder in die Ausgangsposition, sobald der Pilot am Ende der Geraden auf die Bremse tritt.

Bewusst gestörte Harmonie
Beim Verstellen wird das aerodynamische Zusammenspiel der Heckflügel-Elemente bewusst gestört. Das fast waagerecht liegende Hauptblatt des Heckflügels bleibt fest – beweglich ist lediglich der dahinter im Wind stehende schmale Streifen, der „Flap“. Er ist um die Achse seiner Oberkante beweglich. Seine Unterkante darf sich um bis zu 50 Millimeter vom Hauptblatt wegbewegen. Durch die nun entstehende Öffnung reißt der Anpressdruck ab und der Luftwiderstand sinkt erheblich. „Der Effekt“, so schätzt James Allison, „übertrifft den des F-Schachts deutlich.“
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