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Formel 1
19.03.2012

So setzt Renault Sport F1 das neue Motor-Reglement um

Die Abstimmung der Motorelektronik und ihr Einfluss auf die aerodynamische Effizienz der Formel 1-Rennwagen gehörten im Vorjahr zu den beherrschen-den Themen der Grand Prix-Szene. Zur Saison 2012 verkündete der Weltverband FIA einige Reglementsänderungen in diesem Bereich. Rob White, der stellvertretende Geschäftsführer von Renault Sport F1, erklärt, wie sich die Neuerungen auf die Arbeit von Renault als Motorenhersteller auswirken.

Wie groß der Einfluss des Motors auf das Gesamtpaket Rennwagen ist, zeigte sich selten so deutlich wie in der Saison 2011. Die Anströmung des Unterbodens durch die Auspuffgase trug erheblich zum Abtrieb der Boliden bei. Geht den angeblasenen Diffusoren durch die Reglementsänderungen der FIA 2012 die Luft aus? Zum Start der neuen Saison erklärt Rob White, der technische Geschäftsführer, die Hintergründe der Neuregelungen.

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Rob, warum wurden die Bestimmungen für das Motor-Mapping geändert und was besagen die neuen Regeln?

Rob White Die Regeländerungen klären einige Punkte des Technischen Reglements, die voriges Jahr unterschiedlich ausgelegt wurden. Das Thema kam bekanntlich zum Spanien-Grand Prix 2011 auf und wurde in Silverstone besonders kontrovers diskutiert. Im Kern ging es darum, durch die Energie des Abgasstroms die aerodynamische Performance des Autos zu beeinflussen. Viele Teams nutzten die Chance, auf diese Weise zusätzlichen Abtrieb zu erzeugen und das Auto damit schneller zu machen. Das Auspufflayout spielte bei Konstruktion und Entwicklung der 2011er-Rennwagen eine sehr große Rolle. Und die enge Zusammenarbeit zwischen Motorenhersteller und Rennstall entschied mehr denn je über die Leistungsfähigkeit des Autos.

Die FIA wusste natürlich, an welchen Stellen im Reglement sie etwas klar-stellen musste, um diesen Kunstgriff zu verhindern. Mitte der Saison 2011 schränkte sie den Spielraum für die Set-ups innerhalb der einheitlichen Motorsteuerung ein. Dieser Zentralrechner, die Electronic Control Unit oder ECU, gibt für alle Teams eine einheitliche Hardware und Software sowie den Rahmen für individuelle Motorenabstimmungen vor. Damals einigten sich die FIA, die Teams und ihre Motorenpartner jedoch darauf, die Restriktionen erst zur Saison 2012 einzuführen. Ein Grund dafür war, dass dann gleichzeitig auch die Position der Auspuffendrohre im Verhältnis zur Karos-serie festgelegt werden konnte.

Die geänderte Auspuffposition soll den Effekt des Abgasstroms auf die Aerodynamik verringern oder ganz beseitigen. Vereinfacht gesagt, müssen die Endrohre nach hinten und in einem ziemlich flachen Winkel nach oben austreten – typischerweise am Ende der Seitenkästen.

Zusätzlich wurde das Motor-Mapping eingeschränkt, damit noch weniger Möglichkeiten bestehen, den Abgasstrom als aerodynamische Hilfe zu nutzen. Was bedeutet das?

RW Dazu muss man wissen, dass alle Teams zur Motorsteuerung nicht nur die gleiche Hardware benutzen müssen – auch die Software innerhalb der Standard-ECU ist identisch. Nur eben das Motor-Mapping, die Kalibrierung auf den jeweiligen Motor und Fahrer, ist freigestellt. Diese individuelle Anpassung wird durch die neuen Regeln weiter eingeschränkt. Es geht darum, wie weit Einspritzung und Zündung im Schubbetrieb und beim Übergang von geöffneten zu geschlossenen Drosselklappen beeinflusst werden dürfen. Es ist jetzt kaum mehr möglich, einen Abgasstrom mit größerer Energie zu generieren als er ohnehin im Schubbetrieb hat.

Können Sie uns dafür ein Beispiel geben?

RW Sagen wir, der Fahrer geht vor einer Kurve vom Gas. Er erwartet, dass die Motorbremse das Auto verlangsamt – so wie es jeder von uns aus dem Pkw kennt. Im Vorjahr wurde in dieser Phase zum Beispiel Kraftstoff eingespritzt und die Zündung verstellt, ohne dass daraus Vortrieb entstand. Diese Möglichkeit wurde sehr stark eingeschränkt. Ganz verboten wurden diese Eingriffe nicht, denn zu einem gewissen Maß sind sie aus technischen Gründen nötig. Geht der Fahrer jetzt vom Gas, schließen sich die Drosselklappen, damit der Motor mitbremst. Gleichzeitig wird kein Kraftstoff mehr in die Brennräume eingespritzt. Allerdings wird der Ansaugtrakt wie wir sagen „befeuchtet“, um beim Beschleunigen gut anzusprechen. Und der Motor zündet weiterhin, weil sonst ein Feuer in der Airbox entstehen könnte. Kurz gesagt: Es gab und gibt viele Feinheiten des Mappings, die für normale Autofahrer zwar exotisch klingen, mit der aerodynamischen Performance des Rennwagens aber überhaupt nichts zu tun haben.

Es wird oft davon gesprochen, dass die Entwicklungsmöglichkeiten für die Motorhersteller stark eingeschränkt sind, weil die Konstruktionen der V8-Motoren bekanntlich seit 2007 nicht mehr verändert werden dür-fen. Wie kann es da sein, dass die Leistung trotzdem von Jahr zu Jahr steigt oder dass es Jahre nach dem Einfrieren der Entwicklung zu einem solchen Disput über die Motoren kam?

RW Das Wort vom „Einfrieren“ der Technik ist nirgendwo in den Regeln zu finden, wir sprechen von homologierten Motoren. Das heißt: Die Grundkon-struktion eines Triebwerks darf nicht verändert werden. Und wir müssen die Standard-ECU verwenden. Jeder Motorenhersteller möchte natürlich gerne mehr Leistung liefern. Dazu bleiben uns nur diejenigen Komponenten, die 2007 nicht homologiert wurden – das sind beispielsweise die Aus-puffanlage oder die Art und Weise, wie der Motor im Auto betrieben wird. Um die homologierten Teile oder die Arbeiten am Motorumfeld gab es nie Diskussionen. Der strittige Punkt war bloß die Auslegung des Artikels 3.15 des Technischen Reglements, der sich um den aerodynamischen Effekt der Auspuffgase dreht. Dieser Artikel ist ziemlich vielschichtig und wurde für diese Saison straffer formuliert.

Die Anpassung der Motorsteuerung an die neuen Regeln bestimmte vermutlich einen großen Teil der Arbeit von Renault Sport F1 im Winter. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

RW Die Anpassung der ECU und der Motoren auf die jeweiligen Strecken ist sehr komplex und erfordert eine Menge Arbeit. Deshalb war es auch nicht möglich, voriges Jahr in Silverstone alles von einem Tag auf den anderen über den Haufen zu werfen. Aber wenn du klare Ansagen bekommst und weißt, in welche Richtung du arbeiten musst, kannst du so eine Umstellung schaffen, ohne dass sich das negativ auf die sonstige Vorbereitung auswirkt. Die Zielsetzung bei der Arbeit an den Mappings ändert sich ein bisschen – aber es ist machbar.

Wir haben mit der FIA sehr ausführlich darüber gesprochen, wie wir unsere Triebwerke managen, um die neuen Regeln einzuhalten. Dabei haben wir uns ausdrücklich auf eine bestimmte Strategie geeinigt, die wir zukünftig innerhalb der Standard-Software anwenden dürfen. Die besprochenen Eingriffe haben nichts mit dem Auspuffsystem oder der Aerodynamik zu tun. Als wir diese Einigung mit dem FIA-Technikdelegierten Charlie Whiting und seinem Team erzielt hatten, konnten wir die Motoren innerhalb des vereinbarten Fensters kalibrieren.

Könnte sich die neue Motorsteuerung auf die Lebensdauer der Triebwerke auswirken? Mit 20 Rennen steht uns eine lange Saison bevor …

RW Wir haben nach wie vor das Ziel, eine hundertprozentige Zuverlässigkeit zu erzielen. Die Rahmenbedingungen dafür haben sich ja auch nicht geändert. Natürlich steht die Suche nach Performance in der Formel 1 im Mittelpunkt – doch bei Renault geht das immer Hand in Hand mit einer ma-ximalen Zuverlässigkeit. Wenn dir eins von beidem fehlt, gewinnst du keine Rennen und Weltmeisterschaften. So komplex die Formel 1 ist – am Ende ist jenes Auto am schnellsten, in dem der Fahrer am längsten den Fuß auf dem Gas lassen kann. Und je länger er das kann, umso härter wird der Motor beansprucht. Unser Job ist es, die geforderten Änderungen umzu-setzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass jedes Triebwerk in jedem unserer Autos maximale Performance ermöglicht.

Bei den Wintertests war die Rede davon, dass die Autos mit Renault Triebwerken eigenartig klingen und ihr mit einem besonderen Trick arbeiten würdet. Wie kam das?

RW Es gab Gerüchte, dass die Renault Triebwerke auf der Strecke so ähnlich klängen wie voriges Jahr mit den Mappings für die angeblasenen Diffusoren. Fakt ist: Die Restriktionen der Mappings gelten für alle – und alle Teams arbeiten daran, innerhalb dieser Regeln die bestmögliche Leistung zu erzielen.

Der Sinn der Regeln ist es, das Einspritzen von Kraftstoff in den Auslass-trakt zu limitieren, während andere, notwendige Eingriffe erlaubt bleiben. Wir sprechen hier von extrem hochgezüchteten Hochleistungsmotoren, in deren Verbrennungstrakt vieles vorgeht, das nichts mit dem Abgasstrom zu tun hat. Im Schubbetrieb und bei niedrigen Drehzahlen – also immer beim Über-gang von geschlossenen zu geöffneten Drosselklappen – passiert dort drin vieles, damit sie möglichst schnell ansprechen und die Fahrer die Rektion vom Motor bekommen, die sie sich von uns wünschen. Dazu musst du auch mal etwas verschlungene Wege gehen – und manchmal klingt das eben etwas unrund.
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