Formel 1
30.06.2013
Nico Rosberg gewinnt den britischen Reifen-Thriller
Der Motorsport-Klassiker im englischen Silverstone lockte auch dieses Jahr wieder tausende von begeisterten Fans an die Strecke, die während des britischen Traditionsrennens einiges an Action und atemberaubendes Racing geboten bekommen haben.
Beim Start konnte Lokal-Matador Lewis Hamilton seine Führung verteidigen, während sein Teamkollege Nico Rosberg seine zweite Position an Sebastian Vettel verlor. Der Vierte, Mark Webber, verlor am Start einige Positionen und fand sich am Ende der ersten Runde auf P15 wieder. Auch Fernando Alonso erwischte einen enttäuschenden Start und verlor seine neunte Position. Gut ins Rennen gestartet waren Felipe Massa, der sich von Startposition elf auf fünf nach vorn kämpfte, und auch Lotus-Pilot Kimi Räikkönen.
In der Anfangsphase des Rennens zeichnete sich bereits ab, dass die Ferraris die im Qualifying verloren geglaubte Geschwindigkeit wiedergefunden hatte, denn Alonso kämpfte sich in der Top-10 sukzessive nach vorne und auch Felipe Massa konnte seine fünfte Position bravurös verteidigen.Ähnlich beeindruckend unterwegs war auch Toro-Rosso-Pilot und Red Bull-Anwärter Daniel Ricciardo, der innerhalb der Top-10 mit den etablierten Teams mithalten konnte und einen unfassbaren Speed an den Tag legte.
Reifen-Chaos in Silverstone
In Runde acht entwickelte sich das Rennen allerdings gegen die Wünsche der anwesenden britischen Fans: Nach dem Überfahren der Kerbs in Kurve vier explodierte der linke Hinterreifen von Lewis Hamilton, ähnlich wie bereits bei McLaren-Piloten Sergio Perez im gestrigen dritten Freien Training. Aufgrund dessen war Hamilton gezwungen die Box anzusteuern und fiel somit im Feld weit zurück und konnte die Hoffnung auf seinen ersten Saisonsieg somit begraben.
Nur eine Runde später wurde auch Ferrari-Pilot Felipe Massa von dem gleichen Reifenschaden eingebremts. Zu diesem Zeitpunkt begann eine heftige Debatte um die Haltbarkeit der Pirellis im britischen Motorsport-Mekka Silverstone. Diese wurde zusätzlich angeheizt, nachdem ein weiterer Reifenschaden derselben Art bei Toro-Rosso-Piloten Jean-Eric Vergne in Runde 15 für die erste Safety Car-Phase des Rennens sorgte.
Wenig später wurde bekanntgegeben, dass wohl die Randsteine in Kurve vier bei zu heftigem Überfahren die Reifen aufschlitzen und somit für die Reifenplatzer sorgen würden. Ob dies allerdings der wirkliche Grund für die extremen Reifenprobleme war und nicht etwa wie von einigen vermutet die Beschaffenheit der Pirellis, stand nach Ende des Rennens noch immer nicht sicher fest.
Force India auf dem Vormarsch
Eine überraschend starke Performance legten die Force India-Piloten Adrian Sutil und Paul di Resta in Großbritannien an den Tag. Mit einem guten Speed und einer konstanten Performance konnte sich Sutil lange Zeit auf Position drei halten und konnte bis kurz vor Ende des Rennens sogar noch auf ein Podium hoffen. Lediglich eine falsche Entscheidung in der zweiten Safety Car-Phase zerstörte die Hoffnungen des Deutschen, dieses Wochenende sein erstes F1-Podium feiern zu dürfen.
Sutils Teamkollege Paul di Resta musste aufgrund des Untergewichts seines Boliden im gestrigen Qualifying vom vorletzten Startplatz ins Rennen gehen. Doch bereits in der Startphase kämpfte sich der Schotte im Feld bis auf P16 nach vorn und schickte sich an, die Top-10 zu erreichen. In Runde 38 befand sich di Resta bereits auf P8 und entwickelte sich langsam zur großen Überraschung des Rennens. Sein rundenlanger Zweikampf mit Mercedes-Star Lewis Hamilton ließ die Herzen der Motorsport-Fans höher schlagen, auch wenn Hamilton diesen letzten Endes für sich entscheiden konnte.
Für Force India endete das britische Motorsport-Wochenende mit den Plätzen sieben (Sutil) und neun (di Resta) und macht somit, auch im Hinblick auf die überragende Vorstellung im Qualifying, Hoffnung auf weitere starke Punkteplatzierungen in den folgenden Rennen.
Vettel von Technik gestoppt
Nach den Reifenproblemen bei Lewis Hamilton konnte Sebastian Vettel das Rennen in Führung liegend kontrollieren und lange Zeit sah es nach einem zweiten Sieg in Folge für den deutschen Red Bull-Piloten aus. Doch in Runde 41 wurde Vettel von der eigenen Technik gestoppt. Kurz bevor er wieder die Start-Ziel-Linie überquerte, rollte Vettel langsam aus und stellte seinen Boliden auf der Start-Ziel-Geraden ab. Der Red Bull-Pilot meldete seinem Team über Boxenfunk, dass er Vortrieb verloren haben und das Getriebe nicht mehr funktionieren würde und beendete enttäuscht das Rennen. Dieser Ausfall sorgte für die zweite Safety Car-Phase in Silverstone.
Im Hinblick auf den WM-Kampf ist dieser Ausfall allerdings noch als Schadenbegrenzung zu sehen, da Vettel „nur“ 15 anstatt 25 Punkte auf seinen schärfsten WM-Konkurrenten Fernando Alonso verloren hat. Der Deutsche führt die WM noch immer mit ganzen 21 Punkten Vorsprung auf Alonso und sogar 34 Zählern vor Räikkönen auf P3 an.
Schwerwiegender Strategiefehler bei Lotus
Für Lotus lief es schon im Qualifying am Samstag nicht so wie geplant: Sowohl Kimi Räikkönen als auch Romain Grosjean fanden keinen Grip und mussten sich mit den Startpositionen sieben und acht zufriedengegeben. Im Rennen sah es für die beiden Piloten wieder wesentlich besser aus – insbesondere Räikkönen war lange Zeit auf Podiumskurs unterwegs.
Als der Ausfall von Sebastian Vettel allerdings für eine weitere Safety Car- Phase sorgte, beging Lotus einen schwerwiegenden Strategiefehler, der Räikkönen wichtige WM-Punkte kostete. Während Nico Rosberg, Mark Webber, Fernando Alonso und Lewis Hamilton zu Beginn der Safety Car- Phase stoppten, blieb Räikkönen auf der Strecke. Da der Finne allerdings schon seit langer Zeit auf seinem Satz Reifen unterwegs war, fragte er sein Team via Funk: „War das die richtige Entscheidung, nicht an die Box zu gehen?“ woraufhin sein Team ehrlich antwortete: „Wissen wir nicht, aber jetzt ist es zu spät.“
Letzten Endes zeigte sich: Es war ein großer Fehler, nicht auch wie die Konkurrenz die Reifen zu wechseln. Während Rosberg mit frischen Reifen für Räikkönen auf P2 unerreichbar war, kämpften sich Webber, Alonso und Hamilton durchs Feld und überholten einer nach dem anderen Ricciardo, Sutil und Räikkönen in der Top-5. Somit blieb für die Lotus-WM-Hoffnung Räikkönen am Ende nur der fünfte Platz, während Rosberg, Webber, Alonso und Hamilton trotz Extra-Stopp auf den Plätzen eins bis vier landeten.
Mit seiner 25. Punkteplatzierung hintereinander stellte Kimi Räikkönen in Silverstone einen langjährigen Rekord von Michael Schumacher ein und ist nun der Fahrer, mit den meisten Punkteplatzierungen in Folge. Teamkollege Romain Grosjean musste sein Rennen mit Problemen frühzeitig beenden und war gezwungen, die letzten Runden von der Box aus zu verfolgen.
Zuspitzung im WM-Kampf
Der britische Motorsport-Klassiker sorgte für neue Spannung im WM-Kampf: Während zuvor lediglich Vettel, Alonso und Räikkönen als heiße Kandidaten für den Titel galten, können sich nun auch Lewis Hamilton, Mark Webber und Nico Rosberg Chancen auf die WM-Krone ausrechnen, da sie in der WM nicht mehr weit abgeschlagen von der Top-3 liegen.
Zwar trennen Sebastian Vettel auf WM-Platz eins und Nico Rosberg auf WM-Rang sechs noch ganze 50 Punkte, allerdings liegen Rosberg und Räikkönen auf P3 nur 16 Punkte voneinander entfernt. Somit ist nach dem Rennen in Silverstone die WM von einem Dreikampf zu einem Sechskampf geworden und wird im weiteren Verlauf der Saison, vermutlich schon nächste Woche am Nürburgring, für eine Menge nervenaufreibende Spannung sorgen.
Fahrer des Rennens: Mark Webber
Nach einem verpatzten Start rollte Mark Webber das Feld von hinten auf und sorgte mit großartigen Überholmanövern und einer fehlerfreien Strategie für Action und sicherte sich letzten Endes einen wohlverdienten zweiten Platz.
Verlierer des Rennens: Sebastian Vettel
Nachdem der deutsche Star-Pilot Sebastian Vettel das Rennen nach Lewis Hamiltons Reifenplatzer kontrolliert hatte, verhinderte ein technischer Defekt den schon sichergeglaubten Sieg und kostete dem Deutschen wichtige Punkte im Kampf um die WM.
Überraschung des Rennens: Lewis Hamilton
Nachdem der Brite Lewis Hamilton aufgrund eines Reifenschadens in Runde acht weit nach hinten geworfen wurde, kämpfte er sich mit mutigen Überholmanövern und einer starken Strategie zurück auf Position vier und sorgte nach vorzeitig P18 im Rennen damit für eine große Überraschung.
Überholmanöver des Rennens: Paul di Resta gegen Lewis Hamilton in Runde 37
Der Schotte Paul die Resta und Lewis Hamilton lieferten sich mehrere Runden lang einen erbitterten Kampf um Position acht, den zunächst Paul di Resta mit einem atemberaubenden Überholmanöver für sich entscheiden konnte, ehe sich Hamilton nur wenige Momente später am Schotten vorbeischob.
Text: Antonia Grzelak - motorsport-xl.de