Alexander Kühn: „Die Vorbereitungen für das 24h-Rennen hören nie auf“
Ein Team von Spezialisten ist bei Goodyear für die Betreuung der Teams auf der Rennstrecke – und insbesondere der Nordschleife – zuständig. Alexander Kühn (45), Car Motorsport Product & Operation Manager EMEA, leitet diese Einsätze und stemmt in dieser Woche mit seiner Mannschaft die größte Aufgabe des Jahres: Das ADAC TOTAL 24h-Rennen (3. – 6. Juni). Es wird auch diesmal wohl ein unerbittlicher Renn-Marathon im Sprint-Tempo auf der längsten und schwierigsten Rennstrecke der Welt. Im Interview gibt er einen Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen des Goodyear-Einsatzteams.
Für Goodyear sind die Rennen auf der Nordschleife immer mit einem hohen Aufwand verbunden – erst recht, wenn es um das längste Rennen des Jahres geht. Wie sieht das Team beim 24h-Rennen aus?
Alexander Kühn: „Auch wenn wir sehr viel Erfahrung mit Langstreckenrennen haben: So ein 24h-Rennen ist für einen Reifenhersteller eine komplexe Aufgabe. Beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring, das in diesem Jahr zum 49. Mal stattfindet, waren wir von Beginn an dabei. Trotzdem steigen kurz vor dem Event in jedem Jahr die Vorfreude und die Anspannung extrem an. Schade ist natürlich, dass wir bei diesem deutschen Endurance-Highlight keine Gäste und Kunden in unserer Lounge oberhalb der Boxengasse begrüßen können. Deshalb sind auch weniger Goodyear-Kollegen als sonst im Einsatz. Trotzdem sind für die rein operative Abwicklung des Rennens mehr als 40 Personen im Einsatz: Reifenmonteure, Track-Support und Entwicklungsingenieure sowie andere Kollegen aus unserem Motorsport-Team.“
Vom GT3-Ferrari bis zum BMW 330i aus der Produktionswagenklasse reicht die Liste der Goodyear-Kunden beim 24h-Rennen. Wie viele unterschiedliche Reifen liegen im Reifendienst-Truck bereit?
Alexander Kühn: „Der logistische Aufwand beim 24h-Rennen unterscheidet sich deutlich von einem ‚normalen' Langstreckenrennen. Wir sind in diesem Jahr mit 14 Lkw vor Ort, die sich auf zwei verschiedenen Fahrerlager verteilen, um alle unsere Aktivitäten abzudecken. Neben dem 24h-Rennen versorgen wir ja auch die FIA WTCR und Teams aus der 24h-Classic. Für die Goodyear-bereiften GT3- oder GT4-Fahrzeuge haben wir mehrere Slick-Spezifikationen, um jederzeit optimal auf das Wetter reagieren zu können. Einige Klassen fahren aber auch Einheitsreifen, das schränkt die Flexibilität logischerweise ein. Insgesamt haben wir aber auch in diesem Jahr einen großen Teil unsere Motorsport-Produktrange mit am Nürburgring, sind also für alle möglichen Kapriolen des Eifelwetters vorbereitet.“
Der Einsatz ist nicht nur wegen des extrem langen Rennens ein Marathon. Wann beginnen die Vorbereitungen für das Goodyear-Team und wie sieht die 24h-Woche aus?
Alexander Kühn: „Eigentlich hören die Vorbereitungen für ein 24-Stunden-Rennen nie auf. Das gilt für die 24h am Nürburgring genauso wie für Le Mans. Nach dem Rennen werden die Ergebnisse analysiert und zusammengefasst, diese Erkenntnisse fließen dann in die Weiterentwicklung der Motorsportreifen ein. Die reine operative Vorbereitung beginnt dann einige Wochen zuvor. Dazu gehört die Reifenproduktion, die Koordination und Planung des Personals und des Fuhrparks. Zudem ist für alle Beteiligten der administrative Aufwand seit vergangenem Jahr durch die Covid-19 Situation stark gestiegen. Aber wir beschweren uns definitiv nicht, sondern sind froh, dass der ADAC Nordrhein in Zusammenarbeit mit den Behörden die Umsetzung dieses Großevents realisieren konnte. Dafür meinen Dank an alle Beteiligten!“
Neben den 24h-Teams stattet Goodyear ja auch das Feld der FIA WTCR aus. Gibt es dafür eine eigene Mannschaft bei Goodyear oder können alle Rennteams vom gleichen Stamm an Personal betreut werden?
Alexander Kühn: „Prinzipiell sehen wir uns als ein Team, eine Goodyear-Familie. Allerdings werden die WTCR Rennen von einem unserer zertifizierten, externen Serviceprovider betreut. Die eingesetzten Reifentechniker, beziehungsweise Track-Support-Ingenieure sind aber Goodyear-Mitarbeiter und Teil unseres europäischen Goodyear Racing Teams.“
Als Rennfahrer zählt auf der Nordschleife jeder Kilometer, um mehr Routine, Erfahrung und Streckenkenntnis zu haben. Gilt das analog auch für einen Ausstatter wie Goodyear – anders gefragt: Wie wichtig sind die Erkenntnisse aus vorherigen Einsätzen für das aktuelle Rennen?
Alexander Kühn: „Testkilometer sind für alle Teilnehmer wichtig: Rennteams, Fahrer, Fahrzeug- und Reifenhersteller. Dazu gehören nicht nur reine Tests auf der Nordschleife, sondern auch die Rennen der NLS vor dem 24h-Rennen. Da die Verfügbarkeit, aber auch die Witterungsbedingungen auf dem Nürburgring gelegentlich solche Testmöglichkeiten limitieren, findet die Reifenentwicklung und Vorbereitung auch auf anderen Rennstrecken statt. Trotzdem kann nichts die Nordschleife ersetzen – Daten und Ergebnisse von anderen europäischen Rennstrecken lassen sich nur bedingt übertragen.“
Was ist das Besondere an Rennen auf der Nordschleife – welche speziellen Herausforderungen gibt es dort in Sachen Reifen?
Alexander Kühn: „Die Nordschleife gehört nicht zu den aggressivsten Rennstrecken weltweit – aber sie ist und bleibt einzigartig. Nicht nur die Kurvenanzahl und die reine Streckenlänge zeigen das. Auch die Zahl an Startern, die unterschiedlichen Fahrzeugtypen und die teilweise erheblichen Wetterunterschiede auf einer Runde haben ein großen Einfluss auf die Reifen, deren Performance und Haltbarkeit. Keine Runde ist wie die vorherige, und daher ist jedes Rennen auf dem Nürburgring einzigartig und bedarf einer guten, technischen Betreuung und sehr leistungsfähiger Produkte.“
Mit der Aushändigung von Reifen an ein Rennteam ist der Job für Goodyear noch längst nicht erledigt: Wie werden die Teams vor Ort unterstützt?
Alexander Kühn: „Für die Teams stehen unsere Goodyear-Mitarbeiter jederzeit zur Verfügung – das gilt schon im Vorfeld des 24h-Rennens, bei Tests und natürlich auch beim Rennen selbst. Wir haben verschieden Track-Support-Ingenieure vor Ort, die den Teams beratend bei Mischungswahl und Luftdruckempfehlungen zur Seite stehen. Auch Kollegen aus der Reifenentwicklung sind am Ring und teilen ihre Erfahrungen mit den Teams und Fahrern. Bei aller Professionalität geht es dabei auch sehr persönlich und vertrauensvoll zu, das macht den besonderen Charme aus. Dies geht weit über eine normale Kundenbeziehung hinaus.“