Mittwoch, 22. Januar 2025
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24h Daytona
22.01.2025

So bereitet sich Porsche Penske Motorsport auf die 24h Daytona vor

Porsche Penske Motorsport steht vor dem ersten Renneinsatz der Saison 2025. Am kommenden Wochenende (25./26. Januar) bilden die 24 Stunden von Daytona den Auftakt zur IMSA WeatherTech SportsCar Championship. Das Werksteam geht im US-Bundesstaat Florida mit seinen zwei 520 kW (707 PS) starken Porsche 963 als Titelverteidiger und Vorjahressieger an den Start. Die Hybridprototypen aus Weissach müssen im Wettbewerb auf dem Daytona International Speedway ihre Stärken als echte Motorsport-Allrounder beweisen.

Der Daytona International Speedway ist als „World Center of Racing” bekannt. Beim traditionsreichen Saisonauftakt der nordamerikanischen IMSA-Serie befahren die Prototypen und GT-Fahrzeuge nur rund 80 Prozent des 2,5 Meilen (vier Kilometer) langen NASCAR-Ovals. Bei einem Vollgasanteil von über 80 Prozent werden auf den Speedway-Abschnitten Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 320 km/h erreicht. Nach der Start-Ziel-Linie biegen die Fahrzeuge nach links in ein enges Teilstück im Infield ab – und begeben sich somit für kurze Zeit in eine ganz andere Welt. Nicht mehr Höchstgeschwindigkeit, sondern optimale Bremsleistung, Anpressdruck und perfekte Traktion sind dort gefragt. Dies stellt auch die erfahrenen Ingenieure von Porsche Penske Motorsport in jedem Jahr vor große Aufgaben. Es gilt, den Porsche 963 für zwei völlig unterschiedliche Abschnitte abzustimmen.

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„Daytona erfordert einen ungewöhnlichen Kompromiss beim Setup der Fahrzeuge, der auf sehr vielen anderen Strecken niemals funktionieren würde“, beschreibt Brandon Fry, Leitender Renningenieur im Werksteam von Porsche in der IMSA WeatherTech SportsCar Championship. „In den Ovalpassagen fahren wir so schnell wie sonst nirgends in der IMSA-Saison. Im Infield sind die Kurven hingegen so eng wie auf einem Stadtkurs.“ Der 520 kW (707 PS) starke Porsche 963 soll in allen Abschnitten des insgesamt 5,73 Kilometer langen Kurses das Maß der Dinge darstellen. Es gilt, bei den Fahrzeugeinstellungen einen optimalen Kompromiss für Höchstgeschwindigkeit, Bremsstabilität, Traktion und Reifennutzung zu finden. „Dies erfordert hohen Aufwand in der Vorbereitung und beginnt nicht erst bei den Testfahrten“, erklärt Fry.

Für eine hohe Geschwindigkeit ist wenig Luftwiderstand, geringe Bodenfreiheit und eine stabile aerodynamische Plattform gefragt. Doch in allen drei Bereichen setzt der Daytona International Speedway deutliche Grenzen. Für das Anbremsen und Durchfahren der beiden „Horseshoe“ genannten 180-Grad-Kurven sowie des schnellen „Kinks“ im Infield ist Abtrieb unverzichtbar. Dies widerspricht dem Wunsch nach geringem Luftwiderstand. Für optimale Bremsleistung und maximale Traktion in engen Kurven sollte der Porsche 963 eine weiche Dämpfereinstellung nutzen – doch dies bringt negative Effekte in den bis zu 31 Grad überhöhten Steilkurven mit sich.

„Auch wenn wir gern mit allerhöchster Geschwindigkeit über die Ovalabschnitte jagen würden, ist eines von ganz entscheidender Bedeutung: Dein Auto muss im Infield gut auf der Bremse und stark bezüglich der Traktion sein. Da wird Rundenzeit gemacht, nicht beim geradeaus fahren“, erklärt der amtierende IMSA-Champion und letztjährige Daytona-Sieger Felipe Nasr. Der brasilianische Porsche-Werksfahrer ergänzt: „Außerdem dient ein für langsamere Bereiche gut abgestimmtes Auto der Reifenhaltbarkeit, weil du weniger herumrutschst.“ Gleichzeitig mahnt der Leitende Renningenieur Brandon Fry: „Der Zielstrich ist auf dem Highspeedteil der Strecke. Also ist klar: Ganz am Ende des Rennens sollte es nicht passieren, dass dort ein anderes Auto einfach mit höherem Topspeed an dir vorbeifahren kann. Auf gar keinen Fall!“

Komplizierte Rechnung: Welche Reifenmischung ist wann die schnellere?

Daytona ist für erhebliche Schwankungen bei den Streckentemperaturen bekannt. Der Start erfolgt um 13:40 Uhr, im als „Sunshine State“ bekannten Florida oft unter deutlicher Sonneneinstrahlung. Der Asphalt heizt sich schnell auf Temperaturen von über 40 Grad Celsius auf. Zum Rennende zur gleichen Uhrzeit am Folgetag sind die Werte meist in einem vergleichbaren Bereich, die Bedingungen aber trotzdem anders: Nach stundenlanger Rennaction bietet die Ideallinie aufgrund des eingefahrenen Gummis viel mehr Haftung, abseits der Linie liegt reichlich Schmutz, oft kleine Trümmerteile und größere Gummipartikel. Und dazwischen? Nach Sonnenuntergang am Samstagabend gegen 18:00 Uhr fallen die Asphalttemperaturen unter anderem aufgrund des frischen Winds an der Atlantikküste bis zum frühen Morgen rapide ab.

„Wenn die Temperaturen unter den Wert von 15 Grad Celsius fallen und weiter sinken, dann kommt irgendwann der Punkt, an dem die weiche Reifenmischung die performantere Wahl ist“, erklärt Fry. Porsche-Partner Michelin beliefert die Teams der Topklasse GTP mit einheitlichen Reifen. Die Franzosen stellen zwei Optionen zur Wahl: eine Medium-Mischung für wärmere Bedingungen und seine Soft-Variante für kühlere Phasen. Die IMSA-Organisatoren geben ein Zeitfenster für die Verwendung der weichen Mischung bekannt. In diesem Korridor darf dieser Reifen verwendet werden – muss aber nicht.

„So attraktiv der Soft-Reifen bei kühleren Temperaturen auch sein mag: Er ist deutlich fragiler als der härtere Reifen. Es geht mit dem weichen Gummi also darum, nicht nur die Performance abzurufen, sondern diesen Reifen auch über die Distanz zu bringen“, berichtet Fry. Tiefgehende Analysen und Simulationen helfen bei den wichtigen Entscheidungen. Der weiche Reifen bietet große Vorteile in den ersten Runden nach einem Boxenstopp. Er wärmt sich erheblich schneller auf und bietet somit früher optimale Haftung. Gleichzeitig baut diese Mischung zum Ende eines Stints deutlicher ab und lässt die Rundenzeiten ansteigen. Welches ist also die insgesamt bessere Option? Dies hängt auch von den Erfahrungen der Piloten und der Rennsituation ab.

Die 24-stündige Rushhour in Daytona: Fahrer haben Absprachen getroffen

In Daytona starten 2025 insgesamt 61 Rennwagen in vier Klassen. Der Porsche 963 kämpft in der schnellsten Kategorie GTP gegen andere Hybridprototypen um einen weiteren Gesamtsieg. Die vier Porsche 911 GT3 R stellen sich dem Wettbewerb in den beiden GT-Klassen. Bezüglich der Performance dazwischen liegt die LMP2-Klasse, in der in diesem Jahr auch der portugiesische Porsche-Formel-E-Werksfahrer António Félix da Costa antritt. Das 24-Stunden-Rennen ist eine unablässige Begegnung von Fahrzeugen mit teils sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

„Erfahrung macht in solchen Situationen den großen Unterschied“, erklärt Felipe Nasr, der sich den Porsche 963 mit der Startnummer 7 mit Nick Tandy aus Großbritannien und dem aktuellen WEC-Fahrerweltmeister Laurens Vanthoor aus Belgien teilt. „Wer oft in Daytona gefahren ist, weiß genau, an welchen Stellen und in welchen Situationen es ratsam ist, auch mal zurückzustecken. Es geht nicht immer nur volle Attacke“, sagt Nasr und verweist dabei konkret auf knifflige Begegnungen mit anderen Fahrzeugen im schnellen Ovalabschnitt. „Es geht dort oft sehr hektisch zu, obwohl es von außen gar nicht so wirkt. Es sind im Überrundungsverkehr ganz schnelle Entscheidungen gefragt – und zwar nahezu sekündlich. Mit über 60 Autos auf der Strecke ist immer etwas los.“

Sogenannte Spotter helfen den Piloten bei der sicheren Navigation durch den Überrundungsverkehr: „Inside, inside, still there … clear!“ Solche Ansagen der Beobachter vom Dach der Haupttribüne helfen den Piloten enorm dabei, die Rennwagen über 24 Stunden sicher durch den intensiven Wettbewerb zu steuern. Im Banking, also den Steilkurven des Ovals, gilt eine Regel nach dem Motto „slow is low“: Der Langsamere nutzt die innere Linie im unteren Bereich der Strecke, der Schnellere wählt die Außenbahn zum Überholen. „Das ist keine festgeschriebene Regel, aber eine Art Gentleman-Agreement unter uns Fahrern“, sagt Nasr, der gemeinsam mit seinen Kollegen in der Fahrerbesprechung vor dem Rennen an diesen Codex erinnert wird.
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