Donnerstag, 26. Dezember 2024
Motorsport XLDas Motorsport MagazinVorschau Abonnement
Formel 1
20.10.2010

Südkorea – von der Simulation zum Set-up

Die Rätsel von Yeongam – was klingt wie der Titel eines neuen Fantasy-Rollenspiels, beschreibt in Wirklichkeit die Aufgaben der Ingenieur-Trupps bei Renault F1 und den anderen Grand Prix-Teams. Das Debüt einer neuen Strecke ist immer ein spannender Moment für den gesamten Formel 1-Tross.

Und der brandneue Korean International Circuit in Südkorea besitzt alle Zutaten für einen packenden Rennverlauf. Die Strecke im Landkreis Yeongam weit im Süden der Halbinsel wird entgegen dem Uhrzeigersinn gefahren und weist einen Mix unterschiedlicher Kurventypen und langer Geraden sowie einige vielversprechende Überholmöglichkeiten auf. Aber lässt sich schon absehen, welche Herausforderungen exakt auf Team und Fahrer warten? Wie hat sich die Mannschaft des Renault F1 Teams auf diesen Trip ins Ungewisse vorbereitet?
„Wir haben mit den Vorbereitungen bereits vor Monaten begonnen, gleich nachdem die FIA allen Teams die Streckendaten zur Verfügung gestellt hat“, erklärt der Leitende Renningenieur Alan Permane. „Auf dieser Basis konnten wir ein digitales Modell des Kurses erstellen und mit unseren Fahrern überlegen, wo die Ideallinie verläuft.“

Anzeige
Sobald die Strecke am Computer fertig gebaut war, „fuhr“ das Team Simulationen von Qualifyings und Rennen, um bereits in der Heimat ein tragfähiges Basis-Set-up auszuarbeiten. „Auf Basis der Simulationen konnten wir die optimalen Abtriebslevels, Aufhängungswerte, Bodenfreiheit und sogar das Fahrverhalten in Abhängigkeit von der aktuellen Benzinmenge berechnen“, berichtet Alan. „Auf der anderen Seite bleiben eine Reihe von unbekannten Variablen, etwa das Gripniveau des Asphalts, Bodenwellen oder eine eventuelle Neigung der Kurven. Aber trotzdem haben wir eine ziemlich genaue Vorstellung von der richtigen Abstimmung, noch bevor wir einen Fuß auf das Streckengelände gesetzt haben.“

Was haben die Simulationen denn alles ergeben? Nun, die Rundenzeit wird im Trockenen voraussichtlich bei 1.44 Minuten liegen, der Vollgasanteil bei 55 Prozent, und 20 Prozent dieser Zeit werden die Piloten auf der Bremse stehen. Das Renault F1 Team geht von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 195 km/h aus, als Topspeed auf der 1,15 Kilometer langen Geraden zwischen den Kurven 2 und 3 werden 315 km/h erwartet. Von den 18 Kurven dürfte Turn 8 mit einer Geschwindigkeit von 235 km/h im Scheitelpunkt die schnellste sein. Als langsamste Stelle gilt Turn 3, wo die Boliden mit nur 65 km/h durchrollen.

Angesichts dieses Vorwissens und der zahllosen Runden am Rechner unterscheidet sich die Arbeit im Freitagstraining nicht wesentlich von dem Programm, das auf bekannten Strecken gefahren wird. Allenfalls werden die Piloten im Vormittagstraining einige Runden mehr drehen als üblich, um die Feinheiten der Strecke kennenzulernen. Für die Ingenieure geht es in den Trainingssessions darum, die optimalen Getriebeübersetzungen, vor allem für den zweiten, dritten und vierten Gang festzulegen. Für das 1. Freie Training stehen die Übersetzungen längst fest – aber wenn sich zeigen sollte, dass vor der zweiten Session Änderungen nötig sind, wird die Mittagspause in Yeongam sehr kurz ausfallen …

Das Aerodynamik-Set-up dürfte sich nicht wesentlich von dem in Japan verwendeten unterscheiden. „Wir benötigen ziemlich viel Abtrieb und werden auf jeden Fall mit dem Suzuka-Paket starten“, bestätigt Alan Permane. „Es gibt eine Reihe von Hochgeschwindigkeitskurven wie etwa die Turns 7 und 8, die mich an die Kurven 5 und 6 von Sepang erinnern. Zwischen den Kurven steht ein schneller Richtungswechsel an. Wir gehen davon aus, dass Turn 7 voll und Turn 8 fast voll gefahren wird. Ein weiterer wichtiger Punkt: Der F-Schacht muss auf den langen Geraden optimal arbeiten, denn am Ende der Vollgasstücke vor den Kurven 1 und 3 ergeben sich jeweils gute Überholmöglichkeiten.“

Für die Ingenieure nicht weniger wichtig sind die zahlreichen langsamen, technisch anspruchsvollen Passagen wie etwa die von Turn 4 bis 6 oder 15 bis 16 im letzten Streckenteil. Die richtige Fahrzeugbalance in diesen kurvenreichen Sektionen wird wesentlich über die Rundenzeiten entscheiden.
„In den engen Ecken brauchst du ein agiles Auto, das flott einlenkt und beim Beschleunigen gute Traktion bietet“, erklärt Alan. „Gerade in dieser Art Kurven ist es wichtig, dass unser Auto gut funktioniert, denn hier kannst du am meisten Zeit gewinnen oder verlieren.“
Anzeige