Formel 1
09.07.2017
Bottas rettet sich vor Vettel ins Ziel
Mercedes-Fahrer Valtteri Bottas hat am Sonntag den Österreich-Grand-Prix in Spielberg gewonnen und sich nach Sotschi zum zweiten Mal einen Sieg in der Formel 1 gesichert. Der Finne reüssierte nach 71 (trotz einiger Regenwolken letztendlich trockenen) Runden auf dem Red-Bull-Ring knapp 0,7 Sekunden vor Sebastian Vettel (Ferrari). Auf dem dritten Platz landete Baku-Sieger Daniel Ricciardo (Red Bull), der sich auf den letzten Metern gegen Lewis Hamilton (4./Mercedes) verteidigte.
Polesetter Bottas fuhr schon vor seinem ersten und einzigen Boxenstopp einen Vorsprung von mehr als acht Sekunden auf Vettel heraus. Er wirkte zu jedem Zeitpunkt souverän, doch trotzdem kam nach dem Reifenwechsel von Ultrasoft auf Supersoft noch einmal Spannung auf, als er hinter Kimi Räikkönen (5./Ferrari) auf die Strecke fuhr. Letzterer hatte - möglicherweise ein taktisches Spielchen von Ferrari, um Bottas einzubremsen - seinen ersten Boxenstopp lange hinausgezögert.
Sollte es ein Plan gewesen sein, ging er nicht auf. Bottas machte mit den um 44 Runden frischeren Reifen kurzen Prozess mit dem Landsmann und fuhr dem Sieg entgegen, bis Vettel zwei Runden vor Schluss in seinem DRS-Fenster auftauchte. Der linke Hinterreifen des Führenden zog Blasen, weshalb er das Tempo nicht durchziehen konnte. Für einen Ferrari-Angriff reichte es nicht mehr.
Bottas war heilfroh. Er bejubelt, Vettels Druck wie schon bei seinem Premierenerfolg vor gut zwei Monaten standgehalten zu haben: „Ich hatte ein Déjà-vu von Russland. Er kam heran. Das Problem im letzten Stint war, dass ich massives ‚Blistering‘ (also Bläschenbildung; Anm. d. Red.) im linken Hinterreifen hatte - seit der fünften Runde des Stints. Das hat es schwierig gemacht.“ Am Anfang habe er die Pace kontrollieren können, aber am Ende hätten es Überrundungen schwierig gemacht.
Es gab zuvor einen weiteren Schreckmoment für Bottas - gleich zu Beginn des Rennens: Es war über einen Frühstart des Finnen diskutiert worden. Die Rennleitung untersuchte die Sache lange, entschied sich jedoch gegen eine Strafe. „Ich glaube, es war der Start meines Lebens“, beruft sich der Finne auf eine starke Reaktionszeit, während Vettel, der die Sache sofort im Funk anprangerte, anderer Meinung ist: „Er hat einen Frühstart hingelegt. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“
Vettel ärgert sich auch noch über Sergio Perez (7./Force India), der ihn in der Vorschlussrunde bei einer Überrundung aufhielt. „Ich glaube, ich hätte nur eine Runde mehr gebraucht, weil er wirklich Probleme hatte, den Berg hochzukommen“, trauert der Deutsche einer Chance gegen Bottas nach, nimmt aber mit Rang zwei vorlieb. „Ich wollte gewinnen, aber es ist trotzdem ein gutes Ergebnis.“
Hinter Vettel und Bottas ging es nur einmal kurios zu: Obwohl er von den Top 10 als einziger Fahrer mit den härteren Supersoft-Reifen gestartet war, kam Hamilton als erster Spitzenfahrer an die Box - wohl in der Hoffnung, mit einer Undercut-Strategie zum Erfolg zu kommen. Der Brite hatte zuvor zwei Plätze am Start gewonnen, dann wieder einen gegen Perez verloren. Doch sowohl den Mexikaner als auch Romain Grosjean (6./Haas) hatte er rasch und problemlos wieder überholt.
An Räikkönen kam Hamilton ohne Überholmanöver vorbei, weil der lange Stint des Finnen auf alten Reifen so viel Zeit kostete, dass er nach seinem Boxenstopp weit zurückfiel. Am Ende plagten den viertplatzierten Mercedes-Star Probleme mit den Reifen, über die er im Funk viel schimpfte. Die Lücke zum Podium fuhr er noch auf 1,4 Sekunden zu, doch für ein Manöver gegen den vor ihm kurvenden Red Bull reichte es nicht mehr: „Ich weiß nicht, ob ich Ricciardo bekommen hätte“, meint Hamilton. „Ich habe alles gegeben, was drin war. Es war alles, was ich heute tun konnte.“
Der Australier meint, dass er aus seinem RB13 nicht mehr hätte herausquetschen können: „Ich bin einfach meine Linie weitergefahren, habe die Bremspunkte weiter ausgereizt und war an meinem persönlichen Limit.“ In der vorletzten Runde war es besonders knapp - als Hamilton das DRS nutzen durfte und sich vor Kurve 4 außen neben den Konkurrenten gesetzt hatte. „Ich war bereit zu bremsen, bin aber auf der Linie geblieben“, sagt Ricciardo über seine erfolgreiche Verteidigung.
Eine herbe Enttäuschung war der Rennsonntag in Österreich für zehntausende Max-Verstappen-Fans aus den Niederlanden, die die Tribüne zwischen erster und zweiter Kurve komplett in Orange eingefärbt hatten. Der Red-Bull-Pilot wurde am Start Opfer einer Kettenreaktion, als ihn Fernando Alonso (McLaren) umdrehte. Der Spanier konnte aber selbst nichts für den Zwischenfall, sondern wurde seinerseits von einem übermotivierten Daniil Kwjat (16./Toro Rosso) von hinten getroffen.
Strafe der Rennkommissare für den Russen: einmal zusätzlich durch die Boxengasse. „Ich kam dort an, habe die Linie nach innen gewechselt. Plötzlich haben die Hinterräder ziemlich stark blockiert. Dann habe ich noch stärker gebremst, doch es blockierte vorne auch noch. Dann war nichts mehr zu kontrollieren, weil ich über alle vier Räder gerutscht bin. Leider war dann dort das andere Auto im Weg, dem ich nicht mehr ausweichen konnte“, erklärt sich Kwjat. „Ich bin auch schon oft von anderen Fahrern getroffen worden. So ist es halt manchmal.“
Für Verstappen und Alonso war der Rennsonntag beendet. Der Grund für das miserables Losfahren des Red-Bull-Shootingstars war laut Teamchef Christian Horner ein Kupplungsproblem. „Ich spürte schon in der Aufwärmrunde, dass etwas nicht stimmt. Und beim Start setzte das Anti-Stall-Programm ein“, berichtet Verstappen. So kam er nur schleppend weg. Durch den Schlag von hinten brach ein Kupplungslager, was letztlich zum Ausfall führte. „Für die vielen Fans“, sagt er, „tut es mir leid.“
Schwacher Trost für das Red-Bull-Team: Während Verstappen zum fünften Mal in den jüngsten sieben Rennen ausschied, sicherte sich Ricciardo seinen fünften Podestplatz hintereinander. Damit bleibt der Australier gemeinsam mit Vettel der Fahrer, der seit dem Europa-Auftakt in Barcelona die meisten Punkte geholt hat. „Daniel ist bärenstark, wenn er unter Druck fährt“, lobt Horner. „Er hat null Fehler gemacht. Das ist absolut bemerkenswert.“
Die Top 10 komplettierten hinter Grosjean die Force India von Perez (7.) und Esteban Ocon (8.) sowie die Williams von Felipe Massa (9.) und Lance Stroll (10.) - starke Rehabilitation nach verwachstem Qualifying. Für Renault-Fahrer Nico Hülkenberg lief es trotz eines frühen Boxenstopps und einem taktischen Clou mit Soft-Reifen nicht. Er kam über Rang 13 nicht hinaus. Pascal Wehrlein entschied als 14. im unterlegenen Sauber nur das Teamduell mit Marcus Ericsson (15.) für sich.
Auch Kevin Magnussen (Haas) hätte sich auf dem Red-Bull-Ring mehr ausgerechnet. Nach dem starken Training am Samstagmorgen hatte er im Qualifying einen Dreher, und im Rennen lag er an elfter Stelle, als er mit einem Defekt, vermutlich im Zusammenhang mit der Hydraulik, ausrollte. Ob es eine Verbindung zu dem neuen Ferrari-Motor gibt, der 15 PS mehr Leistung bringen soll und das Werksteam erst ab Silverstone einsetzen möchte, ist derzeit nicht bekannt. Ebenfalls mit Antriebsschaden nicht im Ziel: Carlos Sainz (Toro Rosso).