Rene Binder: „Werde meine Herangehensweise nicht grundsätzlich ändern”
Im Herzen der kanadischen Millionen Metropole Toronto wird Rene Binder am kommenden Wochenende wieder ins Cockpit des Chevy-Dallara mit der Startnummer 32 zurückkehren. Der 26-jährige Juncos-Racing-Pilot über seine Erwartungen und über seine Agenda vor der Sommerpause ...
Die Indycar Serie befindet sich gerade in der heißen Meisterschaftsphase und gastiert in wenigen Tagen in Toronto. Wie gut bist Du vorbereitet?
„Ich denke, wir haben alles getan, was wir tun konnten. Wir waren im Simulator von Chevrolet in North Carolina, haben das Lenkrad im Workshop von Juncos Racing an meine Hände angepasst und, weil mir aktuell einfach die Kilometer im Rennwagen fehlen, habe ich am Mittwoch noch einen Testtag im tschechischen Most mit meinem ehemaligen Team, Lotus 3.5, eingelegt. Das war ein sehr produktiver Tag mit der Mannschaft, mit der ich meine schönsten Erfolge gefeiert hab. Wir haben gemeinsam immerhin 4 Rennen der World Series gewonnen, darunter das allerletzte in Bahrain 2017. Echt schade, dass es die Serie nicht mehr gibt.”
Die World Series war definitiv eine gute Vorbereitung auf die Indycar Series…
„Ich würde sogar sagen, das Auto war rein sportlich betrachtet die beste Vorbereitung überhaupt, egal ob für die Indycar Serie, für die Formel 1 oder für die Prototypenklasse der Langstrecken WM. Man müsste eigentlich nur ein World Series Auto in die USA bringen und auf allen Strecken ausgiebig testen. Ist aber leichter gesagt als getan.”
Du wirst auch in Toronto wieder auf eigene Faust und ohne Teamkollegen das Limit ausloten müssen…
„Das ist nach wie vor unser größtes Handicap: Kein zweites Auto im Team, kein Datenvergleich und dann noch brutale Rennstrecken, die man so in Europa nicht kennt. Aber mir gefällt dieses Racing und die Art, wie die Amerikaner ihren Sport zelebrieren.”
Wenn man sich die Fahrerparaden und das ganze Prozedere mit den Flaggen und Hymnen anschaut stecken dort auch sehr viel Emotion und Patriotismus drin…
„Das ist bei den Amerikanern völlig normal, aber man hat das neulich auch beim Österreich Grand Prix in Spielberg gesehen. Ich finde es absolut positiv. Was mich in den USA aber ganz besonders fasziniert: Man hat drüben immer auch die Kosten im Blick und versucht die Fahrer im Mittelpunkt der Show zu stellen. Das hat die Formel 1 leider ein wenig verloren und vielleicht überlegt sich deshalb gerade auch ein Fernando Alonso, für eine komplette Saison in die Indycar zu wechseln.”
Wie stark würdest Du ihn dort einschätzen?
„Wenn er kommt, wird er mit Sicherheit sehr stark sein, weil er ganz einfach zu den besten Fahrern der Welt zählt und in der Indycar Serie viele konkurrenzfähige Autos zur Auswahl haben wird. Es wäre für die Serie eine enorme Aufwertung, aber einige Formel-1-Experten werden auch sehen, dass Fahrer wie Will Power, Scott Dixon oder Josef Newgarden unter gleichen Voraussetzungen nicht so einfach zu schlagen sind.”
Der Juli wird mit den zwei Grand Prix' in Toronto und Mid Ohio ein sehr wichtiger Monat für Dich. Wie hoch sind Deine Erwartungen gesteckt?
„Bei allen vorhin erwähnten Handicaps möchte ich mich natürlich weiter steigern und meinen Rhythmus finden. Mein Feeling für das Indycar ist schon ziemlich gut, das hat man auch in Detroit gesehen, wo meine schnellsten Rennrunden gar nicht so weit von jenen, der besten Chevy-Piloten entfernt waren. Wo ich momentan noch zu viel Zeit verliere ist im Verkehr, da muss man sich noch einmal intensiv mit den Regeln auseinandersetzen und die Limits ausloten. Vielleicht war ich bis jetzt zu stark darauf konzentriert, den Führenden nicht im Weg zu stehen, und hab daher schon oft zu früh den Fuß vom Gas genommen.”
Stichwort Egoismus: Ist es das, was man braucht, um sich in dieser hart umkämpften Serie noch besser durchzusetzen?
„Ich werde meine Herangehensweise nicht grundsätzlich ändern und glaube auch, dass das nicht notwendig ist. Es gibt hier zum Beispiel Neueinsteiger, die vielleicht schneller sind als ich, weil sie deutlich mehr riskieren, dafür aber auch öfter in der Mauer landen und große Schäden produzieren. Einer von ihnen hat sogar einmal einen Führenden abgeschossen. Ich versuche eher, mich von unten an das Limit heran zu tasten und zumindest in dieser Einstiegsphase noch ein paar Reserven in der Hinterhand zu haben. Jeder Fahrer muss hier einfach seinen eigenen Weg finden.”